Auf großem Fuß – Riesen-Spektakel: “Das Wiedersehen von Berlin” des Royal De Luxe Theaters

Die kleine Riesin ist eine der beiden Giganten, welche mit den begeisterten Zuschauern “Das Wiedersehen von Berlin” feiern. Zum eigentlichen Wiedersehen, dem Zusammentreffen von Riesennichte und Riesenonkel, kommt es erst morgen am Brandenburger Tor. Dem schlechten Wetter zum Trotz drängten sich heute tausende Zuschauer um die Absperrungen, als einer der Giganten den trüben Fluten der Spree entstieg. Seine außergewöhnlichen Marionettenmärchen, erzählt mit riesigen Holzfiguren, haben das Royal De Luxe Theater in aller Welt berühmt gemacht. Ganz klein fing die Truppe in Frankreich als Straßentheater an. Zu ihrer Bühne machte die von Jean-Luc Courcoult und Didier Gallot-Lavallee gegründete Theatergruppe Straßen, Plätze und die freie Natur. Den geschlossenen Raum eines Theaters empfindet Courcoult als zu beengend – auf seine enormen Marionettenkinder trifft dies sichtlich zu.

1979 wurde das Royal De Luxe Theater gegründet, zehn Jahre vor dem Mauerfall, dessen zwanzigstes Jubiläum es nun mit einem eigens auf Berlin zugeschnittenen Märchen feiert. Wie alle Märchen beginnt es vor langer Zeit, als im Berliner Sumpfgebiet zwei Riesen lebten. Die Stadthistorie hat das Royal De Luxe Theater gut studiert. Trotz Problembären und Wappentier leitet sich der Stadtname nicht von Bären, sondern dem Begriff “Sumpfloch” her. Land- und Meeresungeheuer rissen die Stadt am Sumpfloch entzwei und trennten Riesenonkel und Riesennichte. Einer der beiden Stadtteile wurde von einer Mauer umschlossen. Aus Zorn stürzte sich der große Riese in die Fluten, wo er einen Geysir suchte. Den trug er unter die Mauer und sprengte sie mit dessen Eruptionskraft. Neben dem Boot, welches der große Riese seiner Nicht in glücklichen Zeiten schenkte und wo sie schlummert, erwacht die Riesennichte. Sie findet einen Sack mit nie zugestellten Briefen und macht sich auf, die Empfänger und ihren Onkel zu finden.

“Bienvenue au Berlin!”, begrüßte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit gestern die kleine Riesin nach ihrem Erwachen vor dem Roten Rathaus. Im gelben Regenmantel war die Gigantin besser gegen das schlechte Wetter gewappnet als mancher Zuschauer. Beständiger Nieselregen konnte den Zauber der sich erstaunlich lebensecht bewegenden Puppe nicht brechen. Fast verletzlich wirkte die kleine Riesin, als sie sich auf ihre mehrere Tage dauernde Suche begibt. Im altmodischen Taucheranzug erhob sich heute ihr Onkel, der große Riese, gleich einem Seeungeheuer der Spree. Noch größer schien der Andrang bei dem Auftauchen des Giganten. Mit oder ohne Presseausweis, ein Durchkommen durch die Masse gab es kaum. Wer so gigantisch ist, muss sich nachts im Berliner Tiergarten, wo der große Riese hinwanderte, nicht fürchten. Von dort aus wird er morgen Richtung Brandenburger Tor wandern, ohne es zu ahnen seiner kleinen Nichte in die Arme. Unter der bezaubernd menschlich anmutenden Hülle sind die Giganten nach klassischer Marionettenart aus Stahl und Holz gefertigt. Die erforderliche Logistik, um die sieben Meter hohe Nichte und ihren dreizehn Meter hohen Onkel zu bewegen, ist enorm. In “Gullivers Reisen” versetzt fühlt man sich angesichts der über dreißig Marionettenspieler – in Anlehnung an Swifts Romanfiguren von der Royal De Luxe – Truppe “Liliputaner” genannt – beim Bewegen der Holzgiganten. Die winzigen Menschen, die wie Ameisen um die Marionetten wuseln, tragen zu der magischen Atmosphäre bei.

Noch etwas verbindet das Royal De Luxe Theater mit Berlins Geschichte. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, gelang der Theatergruppe der Durchbruch im Programm der Spielzeit Europa. Damals erzählten sie mit ihren atemberaubenden Marionetten “Die wahre Geschichte Frankreichs”. Seitdem folgten immer andere Märchengeschichten auf Vorführungen in Santiago de Chile, London und Kamerun. “Die Riesen sind Traum und Alptraum.”, erzählt Jean-Luc Courcoult der Presse: “Als kleiner Junge fiel es mir schwer, Kontakt aufzunehmen. Die Erfahrung, all mein Sein und meine Emotionen dem Theater hingeben zu können, war überwältigend.” Dieses Überwältigungsgefühl lässt Courcoult durch seine magisch anmutenden Inszenierungen Zuschauer überall auf der Welt erleben. Vier Tage lang können die Berliner die Riesen und “Das Wiedersehen von Berlin” bestaunen. Wer beim morgigen Finale dabei sein möchte, sichert sich am Besten früh einen Platz nahe dem Brandenburger Tor. “Das Wiedersehen in Berlin” verspricht auch am letzten Tag ein “Riesen”-Spektakel zu werden.

www.riesen-in-berlin.de

www.spielzeiteurope.de

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