Auf dem Seeweg nach „Piter“ – Sankt Petersburg ist eine Reise wert – auch bequem per Kreuzfahrtschiff

© Foto: Eva-Maria Becker, 2014

Und es war auch schnell beschlossen: Auf dem Seeweg wollten wir uns Sankt Petersburg nähern. Das ist heute keine Kunst: Alle paar Tage hat eines der zahlreichen Kreuzfahrtschiffe auf der Ostsee diese Destination auf dem Schirm. Einige starten in Warnemünde, andere in Kiel – in jedem Falle sind die Häfen problemlos per Bahn oder Auto zu erreichen. Viele dieser Schiffe legen mit mehr als 2000 Passagieren ab – das zeigt schon, wie beliebt solche Kreuzfahrten inzwischen sind.

Zwar gab es nach dem Unglück der Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio vor zwei Jahren die Prognose, dass der Kreuzfahrt-Boom zu Ende sei – und es gab auch Buchungs-Rückgänge. Doch schon wenige Monate danach sprang der Markt wieder an. Vor allem auch die Deutschen sind auf den Geschmack gekommen: Mehr als zwei Millionen gingen im vergangenen Jahr an Bord einesKreuzfahrers – die Passagierzahlen haben sich damit seit 2007 verdoppelt.

Interessant war es ja nun, für den Seeweg nach Sankt Petersburg ein Schiff der Reederei Costa Crociere auszuprobieren. Ab Kiel geht unter anderem die Costa Pacifica auf eine solche Reise. Die hat in 1504 Kabinen Platz für 3780 Passagiere, die von einer 1110-köpfigen Besatzung betreut werden. Eine unvorstellbare Zahl an Menschen auf einem Schiff. Gelingt es der Reederei zwei Jahre nach dem Unglück, das „Haus“ zu füllen?

Es war offenbar kein Problem. Natürlich wird kaum mit der maximalen Passagierzahl gerechnet – dazu müssten die Kabinen oft zu dritt oder zu viert belegt werden. Doch das ist kein Vergnügen. Rund 2600 Passagiere waren an Bord, und es gab nur selten Gedränge. Es ist schon eine logistische Meisterleistung, so viele Menschen auf kleinem Raum zu umsorgen –  und möglichst so, dass sie hoch zufrieden sind.

© Foto: Eva-Maria Becker, 2014Das gelingt nicht immer. Was zu beobachten war: Der direkte Service der Kabinen-Stewards und der Bedienung am Tisch zum Dinner war perfekt – freundlich, flink, professionell. Im Bereich der Büffets am Morgen und am Mittag oder auch an der Rezeption musste man Glück haben, um freundlich bedient zu werden oder eine verwertbare Information zu bekommen.

Nur wenige Mitarbeiter – die meisten waren Inder – sprachen Deutsch, doch leider war das Englisch von vielen trotz Bemühens kaum verständlich. Aber gut, vieles war auch in Ordnung. So die Kabine: geräumig und komfortabel ausgestattet wie ein gutes Hotelzimmer, die Betten von prima Qualität –  der Balkon natürlich schon ein kleiner Luxus.

Erstes Ziel der Reise war Bornholm. Es folgten die ehemalige Hansestadt Danzig mit ihrer hervorragend restaurierten Altstadt, Klaipeda in Litauen nahe der Kurischen Nehrung, Riga mit wunderbar erhaltenen Jugendstilbauten, Tallin als gut erhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen nordeuropäischen Handelsstadt, schließlich Sankt Petersburg sowie Helsinki und Stockholm. Besonders beeindruckend neben Helsinki und Stockholm sind Danzig, Riga und Tallin mit ihren prachtvollen Bauten und den gastfreundlichen Menschen.

Doch das Highlight ist wirklich Sankt Petersburg – mit fünf Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Russlands, am östlichen Ende des Finnischen Meerbusens und der Newa gelegen. Peter der Große hat die Stadt vor über 300 Jahren auf einem Sumpfgelände am Meer gegründet, um einen direkten Zugang des Landes zur Ostsee zu schaffen. Doch er hat die Stadt nicht, wie vielfach angenommen, nach ihm selbst benannt, sondern nach seinem Schutzheiligen, dem Apostel Petrus. Vom 18. bis ins 20. Jahrhundert war die Stadt die Hauptstadt des Russischen Kaiserreiches. Ihre historische Innenstadt mit 2300 Palästen, Prunkbauten und Schlössern gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO.

© Foto: Eva-Maria Becker, 2014Nach Lenins Tod  wurde die Stadt im Jahre 1924 auf Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU in Leningrad umbenannt – bekanntlich hatte hier die von Lenin geführte Oktoberrevolution begonnen, und schließlich hatte Sankt Petersburg für das zaristische Russland gestanden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erreichte eine Volksabstimmung 1991 mit knapper Mehrheit die Rückbenennung in Sankt Petersburg.

Die Stadt besteht aus 42 Inseln. Ursprünglich waren es mehr, doch zahlreiche Kanäle zwischen ihnen wurden mittlerweile zugeschüttet. Dennoch hat die Stadt den Beinamen „Venedig des Nordens“ verdient. Nicht nur wegen der Kanäle – durch ihre Lage nur wenige Meter über dem Meeresspiegel ist die Stadt sehr oft von Hochwasser bedroht. Die offizielle Statistik zählt seit der Stadtgründung 295 Überschwemmungen, davon allein 44 seit 1980.

Nach Peter dem Großen war es vor allem Kaiserin Elisabeth, die das Reich nach Westen öffnete, indem sie Künstler und Architekten nach Sankt Petersburg holte. So entstanden im 18. Jahrhundert die meisten der Prunkbauten, die noch immer das Stadtbild bestimmen – unter anderem der Winterpalast, das Smolny-Kloster und der Katharinenpalast. 1762 bestieg die legendäre Katharina die Große den Thron. Sie gründete in ihrer Zeit 25 akademische Einrichtungen sowie die erste staatliche russische Schule für Mädchen.

Es ist schwer, sich zu überlegen, was man an zwei Tagen von dieser Stadt sehen möchte. Den Kreuzfahrern soll es leicht gemacht werden mit einer Fülle von Ausflugsangeboten. Und seitens Russlands wird es ihnen schwer gemacht – denn ohne Visum kommt der Kreuzfahrer nicht auf eigene Faust vom Schiff. Und das  kostet 80 Euro pro Person.

© Foto: Eva-Maria Becker, 2014So entscheiden sich viele für einen dieser organisierten Ausflüge, und am Morgen nach Ankunft im Hafen stehen gefühlte 100 Busse am Kai bereit, um die Passagiere in die Eremitage, zum Peterhof – das „russische Versailles“, zum Katharinenpalast, zur Peter-und-Paul-Festung, zum Panzerkreuzer Aurora, dessen Schuss einst das Startsignal für die Oktoberrevolution 1917 war, zu den Kathedralen der Stadt oder auf Stadtrundfahrt zu bringen.

Doch solch ein Massenausflug ist nicht jedermanns Sache. Es gibt aber eine Alternative, die Stadt ohne Visum zu erkunden. Im Internet finden sich private Reiseführer, über deren Qualität man sich gut per tripadvisor.de informieren kann. Wir haben uns für eine private Führung entschieden. Sergej ist der Boss des Unternehmens, spricht perfekt Deutsch – kein Wunder: Er hat in Cottbus studiert! Inzwischen verfügt er über 15 Kleinbusse, mit denen er oder einer seiner Mitarbeiter auf Tour gehen. Und für eine solche Tour braucht man auch kein Visum – es genügt ein Tourticket des Reiseleiters.

Maximal sechs Touristen werden geführt, und zwar nach eigenen Wünschen. Wir haben uns für den Katharinenpalast mit der Nachbildung des Bernsteinzimmers entschieden. Der liegt in der Zarenstadt, etwa eine halbe Stunde außerhalb von Sankt Petersburg, und unsere Reiseleiterin Olga hat eine perfekte Zeit für die Besichtigung gefunden. So konnte das faszinierende Palais, das als Sommerresidenz für die Ehefrau von Peter dem Großen, Katharina der Ersten, errichtet wurde, in Ruhe besichtigt werden.

Neben dem Bernsteinzimmer gehören die prachtvolle barocke Helle Galerie, mit 800 Quadratmetern der größte Saal des Palastes, die Goldene Zimmerflucht von Rastrelli ebenso zu den Sehenswürdigkeiten wie der 100 Hektar große Park, der sich teilt in einen barocken französischen Garten und einen schattigen englischen Landschaftspark mit kleinen Pavillons, Plastiken und malerischen Teichen.

© Foto: Eva-Maria Becker, 2014Im Rahmen der Stadtrundfahrt waren viele Kirchen und Kathedralen unterschiedlicher Religionen zu erkunden – so die weithin sichtbare Peter-Paul Kathedrale auf dem Festungsgelände. Beeindruckend erhebt sich die Isaak-Kathedrale über die Stadt. Acht Zentner Gold hat man für die Vergoldung ihrer Kuppel und die Innendekoration aufgewendet. Die Auferstehungskirche, im altrussischen Stil des Kirchenbaus aus dem 16. und 17. Jahrhundert ausgeführt, fällt mit ihren bunt-emaillierten Kuppeln auf. Die St.-Nikolaus-Marine-Kathedrale beherbergt besonders wertvolle Ikonen.

Am zweiten Sankt-Petersburg-Tag war Sergej schon ausgebucht. So sind wir nun doch einen halben Tag auf eine vom Schiff angebotene Bus-Tour gegangen, um die Eremitage noch zu sehen. Wer das vorhat und sie außerdem in Ruhe besichtigen möchte, sollte die Wintermonate dafür nutzen. Ansonsten werden Tausende Besucher pro Tag durch die vier Gebäude der Eremitage am Schlosskai geschleust.

Wohlgemerkt: Geschleust. Wer Glück hat, kommt etwas näher an das Kunstwerk, das er gern betrachten will. In 120 Sälen werden die Meisterwerke westeuropäischen Kunst präsentiert –  rund 17 000 Gemälde und mehr als 12 000 Plastiken, unter anderem von Rembrandt und Rubens, Velázques und Goya, El Greco und Picasso, Monet und Renoir, Cézanne und van Gogh, Gauguin und Matisse, Raphael und Michelangelo, Tizian und Leonardo da Vinci. In netto knapp anderthalb Stunden, die zur Verfügung standen, war ein Rundgang nur im Laufschritt möglich.

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