Dass dieses im Medienzeitalter immer mehr verdrängt werde, dass den Menschen durch die Realitätsferne der Bilder, die sie tagtäglich an ihren Bildschirmen betrachten, zwar ein Übermaß an Betrachtung aber kaum noch Reflexion abverlangt wird, ist keine neue Kritik.
Diese Kritik zum Inhalt eines Kurzfilmes zu machen, aber schon. Der Blickwinkel des schwedischer Regisseurs Ruben Östlund, der sich mit seinem Film HÄNDELSE VID BANK auf eine wahre Begebenheit eines misslungenen Banküberfalles aus dem Jahr 2006 bezieht, ist der eines Theaterzuschauers: Die Kulisse bildet die architektonisch praktisch gestaltete Fassade einer Bank. Sie wird von einem bewaffneten und vermummten Räuberduo erstürmt und 94 (!) weitere Darsteller machen das Randgeschehen erfahrbar. Die Räuber eilen auf dem Mofa herbei, stürmen die Bank, es fallen Schüsse, ein Hausmeister huscht zum Flucht-Mofa und wird schließlich mit Ballerei verjagt, ein Abi-Jahrgang zieht vollkommen unbeteiligt jubelnd auf einem Festwagen vorbei. Ein paar Jugendliche mit ihren Skateboards zucken beim Abfeuern der Handfeuerwaffen zusammen, ein Pärchen sucht schreiend das Weite. Schließlich kann einer der beiden von einem Sicherheitsteam überwältigt werden. Der Zweite entkommt.
Kommentiert wird diese Gesellschaftsparabel von zwei Männern im Vordergrund, deren naive Betrachtung zugleich die oben ausgeführte Reflexionskritik erfahrbar macht. Wie ein Fernsehspiel beobachten die beiden das gefährliche Geschehen und fragen sich, ob sie die Polizei rufen sollen, oder nicht und ob es sich hier wohl um einen Banküberfall handelt.
Schließlich verstehen auch die beiden in Passivität geübten Augenzeugen, dass hier etwas Ungewöhnliches seinen Lauf nimmt – und die logische Reaktion dieser beiden Zeitgeist-Protagonisten ist natürlich, das Geschehen mit ihrer Handykamera aufzunehmen. Dabei ärgern sie sich über das Zittern der Hände „vor Aufregung“, noch mehr aber über die eingeschränkten Zoommöglichkeiten trotz angeblicher 8 Megapixel. Und sind am Ende doch stolz über die mediale Beute, ziehen plaudernd von dannen, während der am Boden gehaltene Bankräuber verzweifelt schreit: “Ich habe nichts getan!”
Abgebrüht kann man das nicht nennen, vielleicht aber Trägheit des Herzens. Doch daran störte sich bereits die Kirche, die sie zu den sieben Todsünden zählt – ist also beileibe kein Phänomen der Neuzeit.
Zeigefinder-Mentalität war sicher nicht Östlunds Anliegen, der zur Zeit seinen dritten Spielfilm dreht, sondern vielmehr das Stilmittel der Ironie, das auch die Berlinale-Jury überzeugte, der der Film ein Goldener Bär wert war. Neben den perfekten Dialogen lobte sie die humorvolle Darstellung der Menschlichkeit. Schön gesagt.
Originaltitel: Händelse vid bank
Deutscher Titel: Zwischenfall vor einer Bank
Land/Jahr: Schweden 2010
Länge: 12 Minuten
Regie, Buch, Schnitt: Ruben Östlund
Kamera: Marius Dybwad Brandrud
Produzenten: Marie Kjellson, Erik Hemmendorff
Darsteller: Henrik Vikman, Lars Melin, Bahador Foladi, Ramtin Parvaneh, Leif Edlund Johansson, Rasmus Lindgren, Per-Olof Albrektsson
Bewertung: * * * * *