Die Thüringerin Andrea Henkel (36) schaffte nach einer taktischen klugen Renneinteilung mit null Fehlern bei zehn Versuchen als Zweite die erste Podestplatzierung des Winters, dessen Höhepunkt in rund drei Wochen die olympischen Entscheidungen in Sotschi sein werden. Und die schnellste Läuferin des Feldes mit mehr als 100 Teilnehmerinnen, Darja Domratschewa aus Weißrussland, schob sich mit Rang drei (2 Fahrkarten stehend) in der Weltcup-Gesamtwertung ganz nahe an die bislang führende Tschechin Gabriela Soukalova heran. Jene, auch bis dahin Spitzenreiterin in der separaten Sprint-Wertung, hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. In einer Höhenlage von 1634 m, also knapp über der von Sotschi, kassierte sie unterwegs vier Schießfehler und wurde schließlich wegen eines Regelverstoßes gegen die Sicherheitsbestimmungen (Gewehr nicht in Richtung der Klappscheiben) auch noch disqualifiziert. Wird daher nicht beim Verfolger am Samstag dabei sein, für den die Top 60 zugelassen sind.
Bis auf die junge Franziska Preuss (7./ 1 Fehler) war die Bilanz der deutschen Skijägerinnen durchwachsen. Laura Dahlmeier (21./ 2 Fehler), Franziska Hildebrand (39./ 3) und Debütantin Vanessa Hinz (50./ 1) könnten ihre Position im Jagdrennen mit vier Schießeinlagen noch verbessern. Evi Sachenbacher-Stehle (72./ 4) darf am Samstag eine Wettkampfpause einlegen.
Dass die Organisatoren des Biathlon-Klassikers im Pustertal den viertägigen Wettbewerb mit "Olympia-Generalprobe" bewarben, ist aufgrund der Terminierung nachvollziehbar. Immerhin haben sich mehr als 300 Aktive aus 36 Ländern versammelt. Allerdings verzichten einige renommierte Aktive auf die Belastung in der Höhe nach den Strapazen einer von Schlechtwetter- und Schlechtstrecken-Bedingungen in Mitleidenschaft gezogenen Saison. So fehlten im Frauensprint neben der Russin Saizewa, der Französin Dorin-Habert die besonders mit dem Gewehr trefflichen Ukrainerinnen.
Bei den Männern sollen Topleute der Norweger (u.a. Svendsen) sowie des Gastgebers Russland einer längeren Vorbereitung auf die olympischen Rennen den Vorzug geben. Außer Bescond dürfen die Ränge der Amerikanerin Susan Dunklee (4./ 0), der Russin Jana Romanowa (5./ 0) sowie der Weißrussin Nadeshda Skardino (8./ 0) als positive Überraschungen eingeordnet werden. Während die mehrfache Weltmeisterin und Gewinnerin aller Weltcup-Rankings des Vorjahres, die Norwegerin Tora Berger (6./ 1), und die Finnin Kaisa Mäkaräinen (9./ 2) ihre Spitzenränge als Dritte und Vierte des Total-Weltcups und ihren Stautus Medaillen-Anwärterinnen im olympischen Wettbewerb festigten.
Aber kamen die Ränge von Bescond, Dunklee, Romanowa wirklich unerwartet? – "Für mich vielleicht nur die Platzierung von Dunklee", sagt Gerald Hönig, Frauen-Cheftrainer des deutschen Aufgebots. "Bescond war schon bei den letzten Rennen eine der Schnellsten im Feld und auch Romanowa war die Beste der Russinen in Oberhof und Ruhpolding."
Besonders zufrieden in seiner Mannschaft neben dem 19-jährigen Küken Franziska Preuss, die mit einer frühen Startnummer lange auf Podiumskurs steuerte, war natürlich die Älteste. Warum gelang Andrea Henkel in ihrem letzten Wettkampf-Winter hier das, was ihr bei den Heim-Auftritten in Oberhof/Ruhpolding verwehrt worden war?
"Beim Sprint in Oberhof hatte ich am Schießstand völlig irreguläre Bedingungen, war ja dann im Verfolger auf Rang 16 vorgelaufen und hatte im Massenstart Platz vier erreicht. Das war ja so schlecht nicht", erklärte die Freundin des US-Amerikaners Tim Burke, die dann nach Ende des Winters ihren Lebensmittelpunkt in die USA verlagern will. Außerdem meinte sie: "Es macht hier bei richtigem Schnee und winterlichen Bedingungen einfach mehr Spaß, im Wettkampf das Beste zu geben. Das hatten wir ja in dieser Saison bisher nirgendwo."
Kann man nach den Ergebnissen von Antholz und den positiven wie negativen Verschiebungen das Favoritenfeld für den olympischen Sprint benennen?- "So richtig nicht. Aber ich denke, mindestens zehn kommen die olympischen Medaillen infrage."
Und wie ist es mit der landläufigen Vorstellung, im Sprint gäbe es eigentlich keine Taktik, sondern nur "Vollgas von Anfang bis Ende – und möglichst wenig Fehler schießen"? – "Ganz so ist es nicht. Wir sagen, die ersten vier Runden so schnell laufen, dass keine Fehler und Strafrunden passieren, und dann noch Reserven für eine ganz starke Schlussrunde freimachen. Einige haben diese Fähigkeiten, andere nicht."
Darja Domratschewa beispielsweise verspielte ihre Siegchancen, als sie bei zweiten Schießen, stehend, zwei Scheiben verfehlte und durch zwei Strafrunden die zehn Sekunden einbüßte, die ihr zu Bescond fehlten. "Ich bin in nicht optimaler körperlicher Verfassung zum zweiten Schießen gekommen und so sind die Fehler passiert", gestand sie selbstkritisch ein.