Alles Gute kommt von oben – In Phil Lords und Christopher Millers Animationsabenteuer “Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen”

 

Das Inselstädtchen Swallow Rock ist schwer getroffen, zuerst von Essensmangel, dann von Essensregen. Von alten Sardinen müssen sich die Einwohner ernähren, seit die lokale Industrie Pleite ging. Nahrungsmangel in einer Überflussgesellschaft? Menschen, die seit Jahren nur Ölsardinen essen, sterben nicht an Skorbut? Akzeptiert man die Ausgangssituation in “Rainy with a Chance of Meatballs -Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen” erscheint die restliche Handlung glaubwürdig. Seit seiner Kindheit traktiert der Amateurwissenschaftler Flint Lockwood (Sprecher: Bill Hader) die Bevölkerung mit sinnlosen Erfindungen. Zu diesen passt seine neueste Maschine, die Wasser in Speisen verwandelt. Zwar zählt Wasser zu den kostbarsten Ressourcen, während in den Industrienationen tonnenweise Lebensmittel in den Müll wandern, aber wenn die Alternative Dosensardinen heißt”¦ Weil Flints Experiment wie immer schief geht, landet sein Wasserumwandler in den Wolken und der Niederschlag über Swallow Rock wird zu Essen. Jedes Gericht, welches die begeisterten Einwohner bei Flint bestellen, kann er mittels seines Computers vom Himmel regnen lassen. Da sieht sogar Jesus mit dem alten Wasser-zu-Wein-Trick alt aus. Außenseiter Flint wird so zum Liebling aller – vielleicht sogar der ehrgeizigen Wetteransagerin Sam Spark (Anna Farris). Doch weil der schmierigen Bürgermeister Shelbourne (Bruce Campbell) und die Einwohner den Mund nicht voll genug kriegen können, hageln immer größerer Kalorienbomben auf die Stadt.

Nicht nur für Hauptfigur Flint hat der Essensregen einen bitteren Beigeschmack. Unter dem Deckmantel der Konsumkritik propagiert “Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen” Maßlosigkeit und Überproduktion. “Ich liebe es!”, ruft Sam den McDonalds-Werbespruch und beißt in einen Hamburger. “Köstlich!”, heißt es über das aus heiterem Himmel kommende Fertigessen. Fett wird nur der Bürgermeister, als Sinnbild seiner Maßlosigkeit. Die nicht weniger gierigen anderen Einwohner bleiben trotz ununterbrochener Fressorgien schlank. Vielleicht machen sie es wie der kleine Sohn des Ortspolizisten. “Alles wieder gut.”, sagt ein Arzt, nachdem das vollgefressenes Kind sich übergeben musste. Daß global mehr Menschen an den Folgen von Übergewicht als an Unterernährung sterben, macht “Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen” mit seiner kritiklosen Fresszelebrierung umso unappetitlicher. Etwas origineller als die überdrehten Charaktere ist das verzehrbare Unwetter. Wie sehr man sich allerdings von Speiseeisglätte und Brauseregen begeistern lässt, hängt davon ab, wie toll man Unmengen an Essen findet. Wer die Speisekarte des Pizzadienstes als Bettlektüre liest, gerät auch bei Wackelpuddingtempeln und Donut-Hagel ins Schwärmen. “Du hast die Welt glücklich gemacht.”, wird Flint gelobt. Nur nicht die Dritte Welt, dort kommt das Steaktief nie an. Müssten Flora und Fauna durch die Dürre nicht eingehen? Und ließe grenzenlose Verfügbarkeit von Fertignahrung nicht die Weltwirtschaft zusammenbrechen? Kinderfragen mit Zucker bestreut.

Und die Moral von der Geschicht ´? Mit dem Essen spielt man nicht. Nicht die einzige konservative Lehre, die “Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen” auftischt. Wetteransagerin Sam wird zur brilletragenden Streberin umgemodelt, als Flint ihre Intelligenz entdeckt. Attraktivität und ein hoher IQ sind bei einer Frau anscheinend unvereinbar. Als wollten sie mit dem Essen emotionale Leere füllen, stopfen sich die Ortsbewohner mit Fast Food voll. Der Kinderfilm inszeniert diese Einseitigkeit als gewöhnliche Ernährung und hinterfragt nicht die sich aufdrängende Problematik des Essens als Ersatzbefriedigung. Trotz einiger amüsanter Einfälle übersättigt der grelle Kinderfilm mit seiner Oberflächlichkeit. Darauf erst einmal Jim Jarmusch: “Coffee & Cigarettes”.

Titel: Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen – Rainy with a Chance of Meatballs

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Animationsfilm

Kinotart: 28. Januar 2010

Regie und Drehbuch: Phil Lord, Christopher Miller

Sprecher: Bill Hader, Anna Farris, James Caan, Bruce Campbell, Mr. T.

Laufzeit: 90 Minuten

Verleih: Sony Pictures

www.fleischbaellchen.de

Vorheriger ArtikelSommergäste – Sofia und Leo Tolstoi und ihr letzter „Russischer Sommer“
Nächster ArtikelNew York, New York – Elf Regisseure sagen “New York, I love You” in dem „Paris, Je t ´aime“ folgenden Episodenfilm