Wie die afghanische Staatsführung betont, müssen die Afghanen selbst den Frieden in ihrem Land sichern. Der Prozess der Übertragung der Sicherheitsvollmachten müsse unumkehrbar sein. Gemäß den Plänen der afghanischen Regierung und des NATO-Kommandos soll der besagte Prozess bis Ende 2014 abgeschlossen werden.
Zwischen dem 28. und dem 30. Juni soll eine gemeinsame Erklärung über die offizielle Übertragung der Sicherheitszuständigkeit an die afghanische Seite unterzeichnet werden. Das Dokument soll die Rechte und Pflichten beider Seiten regeln sowie die Rolle der ISAF-Wiederaufbauteams (Provincial reconstruction teams – PRT) bestimmen. Momentan werden einzelne Punkte der Erklärung abgestimmt.
Die ersten praktischen Schritte sind für den 19. und 20. Juli geplant. Begonnen wird mit der Übertragung der Sicherheitsfunktionen in den Städten Lashkar Gah, Gerat und Mehtarlam.
Der Übertragungsprozess beginnt vor dem Hintergrund einer ernsthaften politischen Krise im Lande. Das Parlament Afghanistans verzichtet auf die Sommerpause – aus Sorge, dass das Sondertribunal, das Fälschungen und Korruptionsfälle bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst untersucht hat, rund die Hälfte der Abgeordneten für unlegitim erklären könnte. Die Abgeordneten kündigen an, entsprechende Beschlüsse des Sondertribunals nicht anzuerkennen, und fordern von Präsident Hamid Karsai eine Auflösung des Tribunals.
Hinzu kommt die sich zuspitzende Finanzkrise: Der Internationale Währungsfonds hat die Bereitstellung einer Tranche in Höhe von 70 Millionen Dollar auf Eis gelegt: Sie soll erst nach der Gewährleistung der völligen Transparenz des Finanzsystems des Landes gewährt werden.
Veranlasst wurde dieser Schritt des IWF vom Bankrott des größten privaten Geldinstituts Kabul Bank, über die Staatsbeamte, Militärs und Polizisten entlohnt wurden. Die Aktionäre der Bank, darunter Vertreter der obersten Machtetagen des Landes, hatten die Bankaktiva mit Hilfe gesetzwidriger Kredite praktisch ausgeplündert und Immobilien in den Vereinigten Arabischen Emiraten erworben sowie in riskante und zweifelhafte Unternehmen investiert. Der dem Geldinstitut zugefügte Schaden wird auf rund 600 Millionen Dollar geschätzt.
Auch die militärische Situation im Lande hat sich in letzter Zeit zusehends verschlechtert. Die Taliban-Milizen verstärken ihre Aktivitäten in praktisch allen afghanischen Provinzen. Seit Jahresbeginn wurden rund 260 Vertreter der ausländischen Militärkoalition in Afghanistan getötet.
Momentan können die Nato-Truppen, die afghanische Armee und die Polizei die Sicherheit der afghanischen Zivilbevölkerung nicht einmal durch gemeinsame Anstrengungen gewährleisten. Dieses Jahr kann zum blutigsten in dem seit dem Sturz des Taliban-Regimes verstrichenen Jahrzehnt werden.
RIA Novosti