Viel Lärm um zwei Liebesbriefe – Die Kammeroper Frankfurt spielt „Die lustigen Weiber von Windsor“ im Frankfurter Palmengarten

Wer führt hier wen an der Nase herum? Sir John Falstaff (Bernd Kaiser) und Herr Bach alias Fluth (Sebastian Kitzinger).

Zum zweihundertsten Geburtstag des in Königsberg geborenen Komponisten Otto Nicolai (1810-1849), zudem Begründer der Wiener Philharmoniker, spielt die Kammeroper Frankfurt, die diesen Sommer schon zum wiederholten Male im Frankfurter Palmengarten gastiert, „Die Lustigen Weiber von Windsor“. Heute erfreut sich die angenehm beschwingte, romantische Oper in deutscher Sprache großer Beliebtheit. Als sie unter der Leitung des Komponisten 1849 in Berlin uraufgeführt wurde, hatte sie keinen leichten Start. Zu sehr schien sie wohl vom Geist der 1848er Revolution geprägt. Steht doch der dicke, verarmte und alternde Schwerenöter Sir John Falstaff für das überkommene korrupte Feudalsystem, das von den Freiheitskämpfern nicht besiegt werden konnte.

„Die Lustigen Weiber von Windsor“, inspiriert vom gleichnamigen Stück Shakespeares, das auch Verdi im „Falstaff“ zur musikalischen Großtat herausforderte, erzählt mit viel Humor vom Kampf zwischen den Geschlechtern, wobei die Frauen die Agierenden, die Männer die Reagierenden sind. Pudenz zeigt uns in seiner Inszenierung augenzwinkernd den Spiegel unserer Eitel- und Lächerlichkeiten. Daß zwei Liebesbriefe den Absender erst in einen Wäschekorb, von dort in einen Fluß, dann in ein Kleid und anschließend in eine inszenierte Vorhölle bringen, ist doch schon ein starkes Stück. Ein Stück für die Kammeroper Frankfurt, die es trotz angespannter finanzieller Lage seit nun schon über 25 Jahren schafft, als eines der wenigen freien Musiktheater Deutschlands musikalisch überzeugende Leistung und unkonventionellen Regiestil zu vereinen.

In der trotz grollender Wolken fast bis auf den letzten Platz ausverkauften Freilichtbühne im Frankfurter Palmengarten erlebten wir eine anregende, unterhaltsame Aufführung. Wie immer überdurchschnittlich zeigte sich in Spiel und Gesang die amerikanische Sopranistin Christine Graham als Frau Fluth. Überzeugt hat auch eine klangstarke Kerstin Bruns als Jungfer Anna Reich, Dzuna Kalnina als Frau Reich mit expressiver Stimme beeindruckte auch durch ihr exaltiertes Schauspiel. Bernd Kaiser als Sir John Falstaff erfreute mit seinem Schauspiel und stimmgewaltigem Bass. Am Pult stand der junge Florian Erdl aus München, der es manchmal etwas eilig zu haben schien und das Kammeroperorchester dennoch gut im Griff hatte.

Die herrlichen Kostüme von Margarete Berghoff siedeln sich zwischen Trash und Bad-Taste an: Falstaff mit Säufernase, wirrem Haar und neongrünem Rokoko-Kostüm, erinnert an den Clown „Es“ von Stephen King; Herr Fluth, ein Banker mit weißen Slippern und Hausmeisterhütchen í  la Pete Doherty; Frau Fluth, eine etwas vulgäre Frau, mit Boudoir-Dreß und einer roten hochgesteckten Barockmähne – eine Hommage an Vivienne Westwood?; Frau Reich im Zebrakostüm und weißer Pony-Perrücke erschien wie eine Karikatur der 80er Jahre und gemahnte auch mit ihrem exaltiertem Verhalten an Cruella de Vil.

Rainer Pudenz zeigt eine dekonstruktivistische Inszenierung mit witzigen Einlagen, in der sich mal der Sopran, Liebesarien singend, einem männlichen Premierengast auf den Schoß setzt, mal der „Kapellmeister“ einen volltrunkenen Adeligen von der Bühne trägt, um so die Pause einzuleiten, und der Mezzo sich ins Orchester setzt, um auf dem Keyboard die Harfe zu spielen. Als Eric Lenke, der nicht nur mit seinem schauspielerischen Talent auffiel, am Ende der Oper in der Verkleidung des sagenhaften Jäger Herne in die schwarz-rot-goldene Vuvuzela – pardon –, ins Horn, blies, dämmerte es uns, daß die Oper ein gutes Ende nehmen werde. Nachdem alle wieder versöhnt sind, verläßt als Letzter der genasführte Falstaff die Bühne, leise eine letzte Anweisung fürs werte Publikum trällernd: „und jetzt noch mal a Flascherl Wein“.

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Weitere Vorstellungen der Lustigen Weiber von Windsor: am 23., 24., 25., 28., 30., 31. Juli, 1., 4., 6., 7., 8., 11., 13., 14., 15. August 2010 jeweils 19.30 Uhr im Musikpavillon / Orchestermuschel im Palmengarten in Frankfurt am Main.

Als Gastspiel beim Hanauer Kultursommer: am 22. Juli um 20.30 im Fronhof / Schloßplatz in Hanau.

www.kammeroper-frankfurt.de

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