Der böse Wolf: Märchen, Mythos, Wirklichkeit

Großes Fressen. Quelle: Pixabay, Foto: Insa Osterhagen

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Kaum ein anderes Tier als der Wolf wird, vor allem in Deutschland, als vehement „böse“ eingestuft. Das wird gerade jetzt wieder deutlich, wo es fast wöchentlich eine neue Sichtung des Tieres gibt, das bis vor wenigen Jahren in Mitteleuropa noch als ausgestorben, ja ausgerottet galt. Forscht man nach dem Ursprung des „Bösen“, stößt man bei allen Quellen immer wieder auf die Gebrüder Grimm, Jacob und Wilhelm, die ihre „Blütezeit“ zwischen 1812 und 1858 hatten. In dieser Zeitspanne auch brachten die Grimms „Rotkäppchen und der böse Wolf“ wie auch „Der Wolf und die sieben Geißlein“ heraus.

In der Regel basieren die Grimmschen Märchen auf Erzählungen und Begebenheiten, die sich über Jahrhunderte an heimischen Herden verbreiteten. Wobei der Fantasie natürlich keine Grenzen gesetzt waren, was selbstverständlich auch noch heute gilt. Je dramatischer, auch blutrünstiger, um so besser. Im bayerischen Erdinger Land gibt es sogar an Bäumen angebrachte „Gedenktafeln“, die tödlichen Zwischenfällen mit Wölfen gewidmet sind. Das fördert selbstverständlich die Mär vom „immer bösen“, ach so gefährlichen Wolf.

Die Statistik widerlegt das eindeutig. So gab es in ganz Europa, wo jetzt schätzungsweise 10 000 Wölfe heimisch sind, in den letzten 50 Jahren nur neun Fälle von tödlichen Wolfsattacken auf Menschen. Dagegen starben seit 1989 in Deutschland 40 Personen bei Übergriffen von Hunden.

In Deutschland ist der Wolf erst wieder seit 1996 „ansässig“. Hier leben derzeit maximal 2 000 Wölfe. Das sind mehr als in Frankreich, Schweden und Finnland zusammen. Ihre Zahl steigt jährlich um 30 Prozent. Damit kommt es vermehrt zu Konflikten mit der heimischen Landwirtschaft. Knapp 3 000 Nutztiere wurden von Wölfen gerissen, vor allem Schafe.

„Ein gesunder Wolf wird keinen Menschen angreifen“, meint Eric Imm, Naturschutzbeauftragter des Bayerischen Jagdverbandes. Von Natur aus, so Imm auch, scheue sich der Wolf vor dem Menschen. Das ist anders, wenn ein Wolf krank ist, etwa unter der Tollwut leidet. Die ist tödlich für das Tier und den gebissenen Menschen – aber Deutschland gilt seit 2008 als tollwutfrei.

Die Wissenschaft ist sich ziemlich sicher, dass es Wölfe schon am Ende des Pleistozän gab, und diese Epoche der Erdgeschichte begann vor 2,6 Millionen Jahren und endete vor 1 700 Jahren. Den Wolf gab es auf der Erde also schon vor dem Menschen. Er war in dieser Zeit das am meisten verbreitete Landsäugetier der Erde. Er war in ganz Europa, Asien und Nordamerika zu Hause. Auch dessen ist sich die Wissenschaft sicher: Bereits vor etwa 15 000 Jahren gelang es Menschen, Wölfe zu Haustieren zu machen – womit der Hund geboren war. Ein Wissenschaftler: „Haushunde sind domestizierte Formen des Wolfes“.

Der Wolf (Canis lupus) lebt in Rudeln, in der Regel ein Paar mit Nachwuchs. Er ist sehr arten-bewusst, was sich auch darin zeigt, dass vielfach elternloser Nachwuchs aufgenommen und gepflegt sowie angelernt wird. Ein Rudel kann bis zu 36 Tiere umfassen. Üblicherweise leben Wolfsrudel in Revieren, die in der Regel etwa 80 Quadratkilometer groß sind und die auch kompromisslos verteidigt werden. Ein solches Quartier wird durch Harn- und Kotmarkierungen gekennzeichnet, aber auch durch das geradezu durchdringende Wolfsgeheul. Das ist bis zu 16 Kilometer Entfernung zu hören.

Um Nahrung zu finden, vor allem wenn sie Nachwuchs haben, legen Wölfe nahezu 50 Kilometer von ihrem Bau oder Nachwuchs zurück. Sie können binnen 24 Stunden bis zu 80 Kilometer schaffen.Die Nahrung besteht vor allem aus Tieren, Feldhasen und Füchsen etwa, aber auch Rotwild, Elchen und Bisons. Und Schafen.

In Deutschland existieren nach einer Erhebung von 2019/2020 etwa 180 Wolfsreviere. Dort leben 128 Rudel sowie 35 Einzelpaare und zehn Einzeltiere.

Und begegnet man tatsächlich einmal einem Wolf – nicht in Panik davon rennen. Ihn vielmehr anstarren – und sich langsam rückwärts zurückziehen. Oder laut in die Hände klatschen. Sagt ein Berliner Wildhüter. Meist aber trollt sich der Wolf sehr schnell.

„Böse“ im Sinne, dass der Mensch – auch Kinder – Angst haben muss, ist der Wolf nicht.

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