Rechtsstreit um Rothschilds wohltätiges Erbe in Wien – Immobiliendeals der Stadt Wien auf dem Areal der „arisierten“ medizinischen Stiftung

Filmatelier, Flugbild von Süden gegen die Nervenheilanstalt Rosenhügel. Quelle: ÖNB, Bildarchiv Austria, AF 1.058 - C Positiv, Bildrechte: CC BY-NC-ND 4.0, Urheber: Austro Flug

Wien, Österreich (Weltexpress). Geoffrey Hoguet, ein Nachkomme der Rothschild-Dynastie befindet sich in einem erbitterten Rechtsstreit mit dem österreichischen Staat – und hat bereits einen Etappensieg errungen. Dabei geht es um eine von seinen Vorfahren gegründete medizinische Stiftung, die von den Nazis „arisiert“, also beschlagnahmt wurde – und die seit der Gründung der Republik Österreich von der Stadt Wien kontrolliert wird. Beamte im Wiener Rathaus wurden als Administratoren eingesetzt; sie wurden damit möglicherweise zu potenziellen  Nutzniessern des Stiftungsvermögen in der Höhe von 110 Millionen Euro. Dies zumindest behaupten britische Medien.

Diese juristische Konfrontation ist das vorerst letzte der vielen trüben Kapitel in der schleppenden, widerwilligen Auseinandersetzung Österreichs mit dem düstersten Kapitel seiner Geschichte – dem „Anschluss“ an das NS-Reich zwischen 1938 und 1945, der Verfolgung und Ermordung jüdischer Bürger und dem systematischen Raub ihres Eigentums. 

Jetzt hat ein Gericht Hoguet und seinen Anwälten mit deren Behauptung Recht gegeben, dass ein Interessenskonflikt über die finanzielle Grundlage der Stiftung bestehe. Diese Entscheidung sei, betont Hoguet, ein Etappensieg im Rechtsstreit mit der Stadt Wien. Dessen Ziel: Die von den Nazis begangenen Unrechtsakte zu korrigieren, deren Auswirkungen bis heute ungebrochen weiterwirkten. Das Gericht habe mit seinem Entscheid bestätigt, dass die Stadt Wien seit der Enteignung der Stiftung durch die Nazis im Jahr 1938 widerrechtlich gehandelt habe.

Der amerikanische Staatsbürger Hoguet appellierte an die Politiker der Stadt Wien, eine unabhängige Instanz einzusetzen, um die von den Nazis geraubte Stiftung wieder dem von seiner Familie intendierten, ursprünglichen Zweck zuzuführen. Erst vor zwei Jahren hatte Hoguet erfahren, dass sein Urgrossvater im Namen von dessen Bruder Nathaniel im Jahr 1907 die „Nathaniel Freiherr von Rotschild- Stiftung“ für psychologische und neurologische Erkrankungen gegründet hatte. Im Stiftungsrat habe unter anderem ein Nobelpreisträger gesessen. Die Nazis „arisierten“ die Stiftung, die Rothschilds mussten um ihr Leben flüchten.

Im Jahr 1956, im Jahr nachdem die Republik Österreich ihre volle Souveränität wieder erlangt hatte, wurde die Rothschild-Stiftung neu gegründet – diesmal allerdings mit den Wiener Stadtbehörden als Administratoren und ohne Erwähnung des Namens des Stifters und Gründers. Doch die Stiftung war von da an kaum mehr als eine Immobilienfirma, welche die einzige übrig gebliebene Klinik an ein öffentliches Spital vermietete. Die Einkünfte flossen ins Wiener Rathaus. Der Name Rothschild, wurde getilgt – er schien nirgends mehr auf. Hoguet erkennt darin ein für Wien typisches Muster: Der Name der Rothschilds, die so viel an philantropischen Projekten und Investitionen für die Stadt Wien geleistet hatte, wurde systematisch eliminiert. Paläste, ein Spital und selbst eine der wichtigsten Bahnhöfe, welche den Namen Rothschild getragen hatten, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg sang- und klanglos abgerissen und die Grundstücke umbenannt. Es dauerte 70 Jahre, nämlich bis 2016, als erstmals ein Platz nach der Familie Rothschild benannt wurde – vor einer Bank mit Verbindungen zur Familiengeschichte. Schräg gegenüber von der Schweizer Botschaft in Wien, an der Prinz-Eugen-Strasse stand einst das 1879-1884 erbaute Palais Rothschild. Es erlitt nur sehr geringe Bombenschäden – und wurde 1954 dennoch abgerissen und durch ein nichtssagendes Bürogebäude der Arbeiterkammer ersetzte; nichts erinnert mehr an seine Ursprünge und die Tragöde der dort von den Nazis untergebrachte „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ unter Adolf Eichmann.

Hoguet will die zweckentfremdete Stiftung wieder als bedeutendes Zentrum für neurologische und Forschung und Therapie wieder neu aufleben lassen. Es liege nicht in seiner Absicht, finanziell von der Sache zu profizieren, betont Hoguet – aber er habe insofern ein persönliches Interesse an der Neugründung der Stiftung, als er an Parkinson erkrankt sei.

Hannes Jarolim, der von der Stadt Wien eingesetzte Anwalt, argumentiert allerdings, dass Hoguets Sicht der Dinge völlig unhaltbar sei. Das weitere Schicksal der Stiftung sei schon vor Jahrzehnten festgelegt worden, und zwar völlig in Übereinstimmung mit ihrem ursprünglichen Stiftungszweck. Doch Hoguet entgegnet, dass die Stadt Wien die Bestimmung unter den Tisch fallen liess, dass die Mehrheit der Stiftungsräte direkt durch die Familie Rothschild nominiert werden müsse. Es wäre nicht schwer gewesen, unterstreicht Hoguet, Mitglieder der Familie Rothschild in London oder Paris ausfindig zu machen um zu ermitteln, wer vom Wiener Zweig noch am Leben sei – und wo. Seine eigene Grossmutter Clarice beispielsweise verbringe einen grossen Teil des Jahres in Wien.

2002 wurde das im Besitz der Stiftung stehende, berühmte Maria-Theresien-Schlössel aus dem 18. Jahrhundert von den Administratoren der Stiftung an die Stadt Wien verkauft – deutlich unter dem Marktpreis für diese aussergewöhnliche Immobilie, sagt Hoguet. Die einzige noch verbleibende Klinik der Stiftung, die Nervenheilanstalt Rosenhügel, die sich inmitten eines immensen Grundstücks befinde, sei an ein staatliches Spital vermietet worden. Die städtischen Behörden hätten bereits Gesuche eingereicht, um das Gelände in Parzellen (im Hinblick auf Grundstückverkäufe an Private) aufzuteilen und di alten, dort wachsenden Bäume zu fällen. 2017 führte die Stadt Wien eine Statutenänderung durch, mit der sie sich zu finanziellen Nutzniessern machte für den Fall, dass die Stiftung aufgelöst würde.

Der von Hoguet eingesetzte Anwalt, W. G. Hauser weist darauf hin, dass die Stadt Wien seit der nominellen Neugründung der Stiftung im Jahr 1956 mit sich selbst Verträge abgeschlossen hatte. Und munter davon profitierte – und offenbar weiterhin profitieren will.

Anmerkungen:

Vorstehender Artikel von Dr. Charles E. Ritterband wurde im „Tachles“ erstveröffentlicht. Weiterführende Informationen siehe die Heimatseite rothschildstiftung.at im Weltnetz.

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