Vorsprung durch Leichtbau

Locker und vor allem leicht, der Audi TT Roadster.

Die Ansprüche der Autofahrer an Komfort und Fahrleistungen sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Heute surren Elektromotoren für Fenster, Sitze und Schiebedach, die Klimaanlage soll kühle Luft ans Haupt fächeln und biedere Mittelklassewagen, die nicht mindestens 220 km/h schaffen werden zu Ladenhütern. Doch hohes Tempo erfordert starke Motoren, steife Karosserien, große Bremsen und stabile Fahrwerke.

Auch immer strengere Abgaswerte und Crash-Vorschriften lassen die Autos schwerer werden. Egal, ob Abgasreinigung, Airbags oder Assistenzsysteme, jede einzelne Komponente erhöht das Fahrzeuggewicht weiter. Wog ein Golf in seinem Gründerjahr 1974 noch rund 800 Kilogramm, bringt er heute locker 1,3 Tonnen auf die Waage. Ohne intelligenten Leichtbau aber wäre es noch erheblich mehr. „Zwischen 15 und 20 Kilo gehen jedes Jahr allein auf das Konto der Gesetzgebung“, sagt Heinz Hollerweger, bei Audi der Leiter für die Fahrzeugentwicklung.

Umso mehr bemühen sich die Ingenieure um Diät an Blech und Mechanik. Jeder Entwickler ist gleichzeitig auch eine Art „Weight-Watcher“ und versucht, schon bei der Konstruktion überflüssige Pfunde zu eliminieren. Doch selbst wenn das Bauteil bei gleicher Festigkeit statt aus Stahl auch aus Aluminium, Magnesium oder kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehen könnte, heißt dies noch lange nicht, dass die leichteste Lösung den Zuschlag erhält. „Wir müssen stets auch den Produktionsprozess und die Kosten im Auge behalten. Erst wenn alles zusammenpasst, gibt es grünes Licht“, sagt Hollerweger. „Ein einzelnes leichtes Auto zu bauen, kann jeder, es aber kostengünstig in Großserie zu fertigen ist die Herausforderung.“

Die Umkehr der Gewichtsspirale bringt weitere Vorteile mit sich. Eine leichte Karosserie ist stets Ausgangspunkt für Gewichtseinsparungen an anderen Stellen des Autos. Fachleute sprechen hier von Sekundäreffekten. Ist der Body leichter, kann auch das Fahrwerk schlanker ausgelegt werden, was wiederum den Komfort verbessert. Auch die Bremsen können kleiner dimensioniert werden. Ein leichteres Auto hat nicht nur ein besseres Crashverhalten, sondern benötigt für die gleichen Fahrwerte zudem einen kleineren und leichteren Motor mit weniger Leistung (Downsizing-Prinzip). Dieser verbraucht weniger Sprit. Für die gleiche Reichweite reicht jetzt ein kleinerer Tank. Als Faustformel gilt: 100 Kilogramm weniger Gewicht bedeuten etwa 0,3 bis 0,5 Liter weniger Verbrauch pro 100 Kilometer. Das entspricht einer Reduzierung von acht bis elf Gramm CO2 je Kilometer.

Zwar bemühen sich alle Autohersteller um Gewichtsreduzierung, schon allein, um die von Brüssel geforderten CO2-Werte zu erreichen, doch verfolgt keiner so konsequent die Leichtbaustrategie wie Audi. Die Ingolstädter setzten früh auf den Werkstoff Aluminium. Er ist etwa zwei Drittel leichter als Stahl. Der Audi A8 war 1994 weltweit das erste Großserienfahrzeug mit selbsttragender Aluminiumkarosserie. 1999 folgte der Kleinwagen A2, dessen Alu-Rohbau nur 159 Kilogramm wog. Auch der Sportwagen R8 besteht komplett, der TT zum größten Teil aus Aluminium. Insgesamt hat Audi bislang über 550  000 Leichtmetallautos verkauft, so viel wie kein anderer Hersteller.

Wie schwer leicht bisweilen sein kann, zeigen Detaillösungen, mit denen sich die Ingenieure beschäftigen. 2,4 Kilo weniger wiegt heute die Windschutzscheibe des Audi A4, weil eine Spezial-Akustikfolie zwischen den jetzt dünneren Glasflächen klebt. Zehn Prozent an Gewicht spart es, wenn Auspuffrohre in unterschiedlichen Wandstärken gezogen werden. Wichtig ist auch, wo die Diät stattfindet. Schafft man es, zehn Kilo am Fahrwerk (ungefederte Massen) zu reduzieren und dadurch die Fahreigenschaften zu verbessern, müsste für den gleichen Effekt die Karosserie um 50 Kilo abgespeckt werden. Noch effizienter wäre es, rotierende Teile im Motor zu erleichtern. Hier liegt gegenüber der Karosserie der Faktor bei 16:1.

Manchmal reicht für intelligenten Leichtbau auch ein gezielter Blick in die Tier- und Pflanzenwelt. Die Natur hat es in ihrer Millionen Jahre währenden Evolution geschafft, optimale Konstruktionen zu entwickeln, die perfekt für ihre jeweiligen Aufgaben „designt“ sind. Ein Vogelknochen ist nicht einfach nur hohl, sondern enthält im Innern eine Vielzahl von Verstrebungen. Daran orientierten sich die Techniker bei der Dimensionierung des Seitenschwellers beim TT Roadster.

Auch in Zukunft wird Audi im Karosseriebau auf das Leichtmetall Aluminium setzen. Zwar erfordert deren Herstellung mehr Energie, durch den geringeren Verbrauch fährt das leichtere Auto diesen anfänglichen CO2-Nachteil – Audi spricht vom „ökologischem Rucksack“ – jedoch nach einigen Jahren wieder herein. Ab dann verbessert sich die Gesamt-Ökobilanz des Aluautos mit jedem Kilometer. Und selbst bei der Verschrottung schneidet es besser ab, denn das Recycling von Aluminium ist weniger energieaufwendig als das von Stahl.

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