Die väterliche Familie war eine französische Nebenlinie des in Italien blendend angesehen mit fast allen Herrscherhäusern Europas familiär verbundenen Hauses Savoyen, dessen Name einen sehr guten Ruf hatte. Zu diesem trug auch die Ehefrau eines Neffen (Savoyen-Carignan) des Prinzen bei, eine gebürtige Prinzessin Liechtenstein, die soziale Einrichtungen förderte, von denen wir auf unserem Gang durch Wien auf den Spuren des Prinz Eugen gleich einer ansichtig werden. Prinz Eugen, den seine Jugend und Erziehung sehr mitgenommen haben müssen, lehnte Ansprüche gegen Vater und Mutter und irgendwelche Familienbande generell ab. Das einzige, was er sein Leben lang beibehielt, war seine dreisprachige Unterschrift, die er gemäß seinen Ländern aufteilte in: das Italienische im Vornamen Eugenio, für den Adel nahm er das deutsche ’von’ und für Französisch den Familiennamen Savoy. Allerdings ging er mit seiner Unterschrift sehr locker um, man findet alle Formen, auf jeden Fall man kann jetzt schon sagen, daß die in der Ausstellung liegenden Briefe zwar seine so unterschiedliche Unterschrift tragen, aber von Schreibern auf Italienisch, Lateinisch, Französisch und Deutsch nach Diktat niedergeschrieben wurden, Sprachen, derer der Prinz mächtig war.
Sein schon 1673 gestorbener Vater – da war Eugen zehn Jahre – hatte seinem Ältesten den französischen Titel des Grafen von Soissons vererbt, den später dann Prinz Eugen erbte, den zu tragen er jedoch ablehnte, wie er überhaupt allem Französischem gegenüber kühl blieb. Nicht nur die Jugend war trist, auch die von ihm geforderte kirchliche Karriere strebte er nicht an, wurde von der erziehenden Großmutter Marie von Bourbon – seine Mutter war 1680 nach Brüssel gegangen – deshalb des Hauses verwiesen und floh am 23. Juli 1683 als Mädchen verkleidet in einer Kutsche aus Paris an den österreichischen Kaiserhof, der ihn aufnahm und wo er nach und nach reüssierte. Wir stehen inzwischen vor dem Savoysches Damenstift in der Johannesgasse, das des Prinzen Nichte einrichtete und wo früher begüterte Fräuleins und dann verwitwete und alt gewordene Frauen der höheren Stände untergebracht waren. Bis vor kurzem. Was uns Ingrid Sawerthal angesichts der Mauern erzählt. Aber schon sind wir auf dem Weg zum Neuen Markt, an dessen Seite sich die Kapuzinergruft befindet, nicht erst seit dem gleichnamigen Roman von Joseph Roth Inbegriff habsburgerischer Würde, wo die Habsburger Kaiser begraben liegen, unter ihnen auch die drei, denen Prinz Eugen diente.
Er war also im Jahr 1683 zwanzigjährig zu Leopold I. (1640-1705) gekommen, den er im Binnenverhältnis als Vater bezeichnete. Dessen Nachfolger Joseph I. (1678-1711) war ihm Freund und Bruder und von Karl VI. sprach er als „Gnädiger Herr“. Unter der Herrschaft dieses Kaisers schwand auch sein Einfluß bei Hofe, was aber nicht persönliche, sondern strukturelle Gründe hatten, denn die Machtgewichte in Europa hatten sich verschoben und die enge Verbindung zu England war perdu. Nächste Station ist die Österreichische Nationalbibliothek, die besagter Karl VI. von Fischer von Erlach hatte erbauen lassen, durchaus schon in Gedanken an die 15 000 Bände umfassende Bibliothek des Prinzen, der in blaues Maroquin die theologischen Werke und die der Philosophie binden ließ, in Gelb seine naturwissenschaftliche Bibliothek und in Dunkelrot Geschichte und Literatur, wobei man dann in der Ausstellung mit eigenen Augen sehen kann, daß diese Aufteilung nicht immer durchgehalten wurde, weil sie eben auch inhaltlich schwierig ist. So trägt Dantes ’Göttliche Komödie’ einen roten Einband, während Petrarcas Gesänge blau gebunden sind wie viele der schönen illuminierten Handschriften wie Stundenbüchern. Dagegen liegt die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine, Vorlage für die mittelalterlichen gemalten Heiligengeschichten, vor uns in rotem Einband, was korrekt ist. Wir befinden uns nämlich im Kopf jetzt schon in der Ausstellung selbst, wo in der Orangerie eine Auswahl aus der originalen Bibliothek des Prinzen sehr schön aufgebaut und ausgestellt ist. Eigentlich jedoch stehen wir im Moment draußen mit unserer Führerin vor der Österreichischen Nationalbibliothek, deren Mauern majestätisch vor uns aufstreben. Die Bibliothek Eugeniana kam durch Karl VI. im Jahr 1737 in den Besitz der Habsburger und steht heute im barocken Prunksaal, den der Sohn und Nachfolger des Architekten, Joseph Emanuel, von 1723-26 errichtete.
Um die Ecke auf dem Heldenplatz thront nun seit 1863 – immerhin 200 Jahre nach seiner Geburt – ein herrschaftliches Denkmal des Prinzen, in der antiken Tradition als Reiter auf dem sich aufbäumenden Pferd. Ein Modell davon, er selbst als Puppe auf dem Pferd ist in der Ausstellung zu sehen. Der Prinz selbst liegt im Stephansdom begraben, in einem Sarkophag in der Kreuzkapelle mit einem schmiedeeisernen Emblem der Familie derer von Savoyen, das dem gleicht, was die Gitter des Belvedere ziert. Prinz Eugen, der also kinderlos blieb, vermachte seinen enormen Immobilien- und Kunstbesitz seiner in einem Kloster lebenden Nichte, Anna Victoria von Savoyen-Carignan, jüngeres Kind des enterbten und früh gefallenen Bruders, dessen ältester Sohn sowie dessen Sohn schon gestorben waren. Auf die allerdings lautete das Testament, von denen nun das übrig gebliebene Familienmitglied nach Beschluß des Kaisers erbte. Die Nichte war zum Zeitpunkt des Todes ihres Onkels schon selbst 52 Jahre und nun über Nacht die reichste Erbin Europas. Das verkraftete sie nicht. Sie verließ das Kloster, heiratete einen sehr viel jüngeren Tunichtgut, das Geld wurde verschleudert, der Besitz versteigert, es wurde letztlich alles verkauft, das meiste an die Habsburger, wo Maria Theresia alles zusammenhielt, aber die Kunstsammlung beispielsweise ist in alle Winde verstreut.
Hört man das, kann man es kaum glauben, liest man das, geht es einem genauso, sieht man in der Ausstellung im letzten Saal die Dokumente dieses Erbfalls, schüttelt man den Kopf, betrachtet man dann die dort ausgestellte Büste dieser Nichte, schlimmer kann man eine dümmliche Frau einfach nicht darstellen, wird man eher traurig. Da hatte Prinz Eugen mit Sachverstand und Leidenschaft nicht nur Häuser bauen lassen, sondern sie als Gesamtkunstwerke ausgestattet, hatte mitten im Feldzug, in Briefen Anweisungen gegeben, welche Stoffmuster auf welche Wände oder Sessel sollten, von welchem Künstler er welches Bild erwerben wollte, ein so liebevoller Umgang mit Sachen, die seine Räume in seinen Palästen schmücken sollten, damit die Welt für ihn schöner wurde und für alle, die diese für die Repräsentation vorgesehenen Räume nutzten. Und dann kommt so eine Verwandte daher, reißt alles auseinander, verkauft dem Meistbietenden, kauft sich mit dem Geld dann auch noch einen Mann, dem sie im Ehevertrag das Schmuckstück Schloß Hof überträgt, ihn dadurch dennoch nicht an sich binden kann, die Ehe geht auseinander, das Schloß verbleibt ihm und wieder ist es Maria Theresia, die am Schluß alles richtet und soviel wie möglich im Besitz der Habsburger vereint.
Nur etwas konnte sie nicht retten. Die Kunstsammlung. Ein großer Teil befand sich mit hundert wandfüllenden kleinen Formaten 1730 im Bilder-Zimmer Cabinet im ersten Stock des Oberen Belvedere neben dem Schlafzimmer des Prinzen. Dort folgte das Bilderkabinett, die Bibliothek und mit Blick auf den Garten das Parade- und Audienzzimmer. Im großen Bildersaal hatte der Prinz vor allem Italiener gehängt, während die Niederländer in den Kabinetten wandbedeckend hingen. Der größte Teil der Bildersammlung ging unter abenteuerlichen Umständen per Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke über die Alpen und dann per Schiff nach Turin. Von dort und aus der ganzen Welt kommen jetzt 15 Gemälde des Prinzen Eugen nach Wien und halten Hof in der Orangerie, die eine Rekonstruktion der originalen Hängung bietet, wie sie einst in Eugens Gallerie/Bilder Saal vorzufinden war, dem heutigen Makartsaal im Oberen Belvedere. Das ist eindrucksvoll gestaltet, weil Grau in Grau die Bilderwände rekonstruiert sind, man also auch die anderen Bilder sehen kann, dann aber in bunt und im Original die aufzufindenden Gemälde an ihrem alten Platz hängen.
Schon wieder sind wir vorausgeeilt in die Ausstellung, die wir aber erst nach der Führung sahen. Durch den anregenden und kenntnisreichen Gang mit Ingrid Sawerthal auf den Spuren des Ausstellungshelden sind wir nun eingestimmt auf einen Menschen, der weithin als Prinz Eugen und Türkenbezwinger bekannt ist, von und über den man aber wenig Persönliches weiß. Nun bilden Häuser und Schlösser auch nicht das Psychogramm eines Menschen ab, aber man hat nach dem Wandeln auf den Spuren des Prinzen durch die Innere Stadt das Gefühl, besser vorbereitet zu sein auf das, was einen in der Ausstellung im Unteren Belvedere und der Orangerie erwartet.
Ausstellung: bis 6. Juni 2010
Katalog: Prinz Eugen. Feldherr, Philosoph und Kunstfreund, hrsg. von Agnes Husslein-Arco und Marie-Louise von Plessen, Hirmer Verlag 2010. Zur prachtvollen Ausstellung ein prächtiger Katalog! Deren sechs Kapitel machen auch die Gliederung des Katalogs aus. In der Einleitung stellt Kuratorin Marie-Louise von Plessen die besondere Stellung des sich in Kriegen auszeichnenden Prinzen als europäischer Kulturheros heraus, wobei den Abbildungen: Gemälde, Gegenstände, Stiche, Fotografien viel Raum gegeben ist und ein edler Anstrich im Hochglanzdruck dazu. Wer sich nach der Ausstellung mit dem Geschauten weiterbeschäftigen will, für den ist dieser Katalog unschätzbar, denn in den schriftlichen Teilen erfährt er Vertiefendes und die Bilder evozieren die Ausstellung. Noch besser ist es, sich den Katalog zuvor zu erwerben und in dem Vorher und Nachher seine eigenen Erkenntnisse auszubauen.
Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.
Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.
Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen ideal unter im Lindner Hotel Am Belvedere, Rennweg 12, info.wien@linderhotels.at. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.
Essen und Trinken: Völlig zufällig gerieten wir am Eröffnungstag der Ausstellung auch in die Eröffnung des NASCH im Hilton Plaza. NASCH heißt das neue Restaurant aus gutem Grund, denn es geht auch ums Naschen, man kann sich seine Vorlieben in kleinen Portionen, dafür vielfältig aussuchen, in der Art der spanischen Tapas. Das Entscheidende am neuen Restaurant im Hilton Plaza aber ist, daß die Grundlage die österreichische Küche ist. Man kann sich quasi durch Österreich durchessen. Wir werden das ein andermal tun und dann darüber berichten.
Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, dem Wien Tourismus und dem Belvedere.