Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Sylvester-Raketen sind verglüht. Die Eisbären keuchen weiter über das Eis. Eisbären-Trainer Serge Aubin lächelte zufrieden: „Wir sind mit einem guten Gefühl ins neue Jahr gestartet.“ Aus den letzten sieben Spielen sprangen immerhin 16 Punkte heraus. Es war also keine schlechte Idee, als Eisbären-Sportdirektor Stephane Richer den Eishockey-Exzentriker Austin Ortega im vorigen Februar vom schwedischen Eliteklub Växjö Lakers zu den Eisbären zu locken. Mit sieben Toren und elf Vorlagen führte sich der gebürtige Kalifornier im vorigen Jahr gleich spektakulär ein. Natürlich stieg er durch seine Tricks und die Schnelligkeit im Handumdrehen zum Fan-Liebling auf. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Selbst wenn er, wie alle anderen Eisbären, beim Tabellenletzten keinen Fuß aufs Eis gebracht hat und eine 2:5-Schlappe einstecken musste. Mit zehn Toren und 17 Vorlagen sowie einem Plus-Minus-Wert von +4 trug er ein gerüttelt Maß zum derzeit einigermaßen gesicherten Play-Off-Platz bei. Gerade in den vergangenen Tagen konnte er bei einer Eisbären-Verletzten-Liste bis zu zehn Spielern seine Stärken herausstreichen. Er lässt die langen Kerls in den Abwehrreihen der Gegner mit seinen Tricks gelegentlich zu Litfaßsäulen erstarren. Insgesamt bewunderten allein im Dezember rekordverdächtige 102.272 Fans trotz Montag-, Dienstag- und Donnerstag-Spiele Ortega und seine Mannschaftskameraden.
Austin stammt aus dem sonnigen Kalifornien und erblickte in Escondido das Licht der Welt. Er fühlt sich im wintertrüben Berlin trotzdem wohl. „Die Eisbären-Organisation gefällt mir ebenso wie Berlin, wo ich nach fast einem Jahr Aufenthalt immer noch viel Neues entdecken kann“, erklärt Austin, der im Vergleich zu Schweden bei den Eisbären offensichtlich etwas geschrumpft ist. In seinem Spielerpass stand bei der Ankunft aus Schweden eine Größe von 1,73 m und 79 Körpergewicht. Die peniblen Ossis im Berliner Olympiastützpunkt Hohenschönhausen maßen im vergangenen Juli allerdings eine Körpergröße von 1,69 m beim 75 Kg Körpergewichts. Wahrscheinlich hatten die Schweden etwas mit dem großen Messer als Wechselbeihilfe gearbeitet. Aber auch vier Zentimeter kleiner, ist Austin ein Großer. Beide Eltern sind wie er in den USA geboren. Mutters Vorfahren stammen jedoch von den Philippinen und Vaters aus Mexiko.
Was die Dauerbeschäftigung zwischen den Banden über das Jahresende betrifft, zuckt Ortega mit den Schultern und meint: „Mir macht das nichts aus, wenn ich längere Eiszeiten als 16 Minuten bekomme. Ich will so viel wie möglich spielen.“ Natürlich stört ihn auch die dichte Spielfolge von elf Matches im Dezember nicht. „Ich habe mir trotzdem für die Feiertage ein bisschen Zeit genommen“, meint der Topstürmer und verrät dann: „Ich habe Weihnachten und Sylvester mit meiner Familie verbracht. Meine Eltern und meine Schwester Natalie waren aus Escondido in Kalifornien nach Berlin zu mir gereist. Wir haben es uns gemütlich gemacht und sind sogar noch für zwei Tage nach Prag gefahren. Das neue Jahr begrüßten wir dann gemeinsam in Berlin. Schließlich kommen meine Eltern nicht jede Woche nach Europa.“ Die Eltern sind ziemlich stolz auf ihren Sohn, gerade als sie in Berlin weilte, wurde Austin von der Fachzeitschrift „Eishockey-News“ zu Eisbären-Spieler des Monats Dezember gewählt.
Den Eltern verdankt Austin übrigens die Eishockey-Karriere. „Ich habe ab meinem Alter von vier Jahre oft Eishockey im TV gesehen und wollte den Sport unbedingt betreiben. Mit dem Schlittschuhlaufen begann ich zu Hause in Escondido. Mit sechs Jahren haben mich meine Eltern zum Training zu den San Diego Gulls gebracht“, erinnert sich der Torjäger. Etwa mit neun, so erzählt Austin, fuhren die Eltern zwei bis dreimal in der Woche mit ihm zum Training nach Los Angeles zu den Selected, das ist die Junioren-Abteilung der Kings. „Das war von uns zu Hause nicht so weit. Wir sind mit dem Auto immer nur zwei Stunden gefahren“, erzählt Ortega. Jede Woche mehrmals zwei Stunden zum Training mit dem Auto, da sind die 290 Kilometer von Berlin zum puren Vergnügen nach Prag wahrlich ein Katzensprung. Jetzt ist Austin wieder allein in Berlin und hofft, dass er seinen 26. Geburtstag am 12. April in Berlin feiern muss. Dies wiederum würde nämlich bedeuten, dass die Eisbären in das Play-Off-Halbfinale einziehen. Dazu sagt Austin ziemlich trocken: „Warum nicht!“