„NATO-Einsätze haben eine Menge negativer Folgen hier“, klagte ein Pirat in einem Anruf beim britischen Rundfunksender BBC. „Sie haben viel Ausrüstung zerstört, die den armen Fischern vor Ort gehören. Sie bringen Fischer illegal in ihre eigenen Gefängnisse und Gefängnisse anderer Länder. Wenn man also den Schaden und die betroffenen Leute bedenkt, sind die Summen unserer Lösegeldforderungen nicht groß, denken wir“, sagte er.
Als Verteidiger armer Fischer, die von internationalen Fischfangflotten illegal um ihre Existenz gebracht werden, stellen sich neuerdings die Piraten selbst dar. Man nennt das die „Psychologie des Gegenangriffs“: genau das Gegenteil von dem behaupten, was ihnen weltweit vorgeworfen wird.
Neureiche Seeräuber
Noch vor wenigen Monaten genossen die Piraten in ihren Heimatdörfern durchaus Bewunderung und Respekt, galten als wagemutige Geschäftsleute, die ihr Schicksal erfolgreich in die Hand nahmen. Doch mittlerweile kommt auch aus der somalischen Gesellschaft Kritik. Die Millionen aus den Lösegelderpressungen für die Freilassung gekaperter Schiffe gehen nicht etwa in den Bau von Schulen, Krankenhäusern oder Lebensmitteln für arme Fischer an der somalischen Küste, sondern werden in den Bau von Häusern oder den Kauf teurer Geländewagen, Waffen oder Schnellboote investiert. Stammesälteste und religiöse Führer sehen das traditionelle Wertesystem in Gefahr. Seit immer mehr Piraten das süße Leben entdecken und Alkohol, Drogen und Prostitution in die halbautonome Region Punktland Einzug gehalten haben, werden die neureichen Seeräuber mit zunehmendem Argwohn betrachtet.
Endlich: Mutterschiff gestürmt
Nicht nur die NATO patrouilliert mit Kriegsschiffen im Golf von Aden. Die EU unterstützt mit der Mission „Atalanta“ Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen und sichert den internationalen Schifffahrtskorridor im Golf von Aden. Chinesische, koreanische oder japanische Kriegsschiffe begleiten Schiffskonvois, russische und indische Marineeinheiten sind ebenfalls an der internationalen Zusammenarbeit gegen die Seeräuber beteiligt. Kürzlich hat sogar ein Boarding-Team der französischen Fregatte „Floréal“ ein Piraten-Mutterschiff gestürmt. Dabei wurden zwölf Seeräuber festgenommen sowie erhebliche Mengen an Waffen, Munition, Treibstoff und Navigationsgeräten sichergestellt, wie ein französischer Marine-Sprecher mitteilte.
Seeleute kein Freiwild
Der spanische Thunfisch-Trawler „Alakrana“ ist nach wie vor in der Gewalt somalischer Piraten, die die Freilassung von in Spanien inhaftierten Kumpanen und 2,6 Millionen Dollar fordern. Die spanische Regierung beschloss am vergangenen Freitag, Seeräuberei als schweres Verbrechen ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Damit drohen Piraten in Spanien künftig bis zu 15 Jahre Haft.
Beide Reaktionen – sowohl die französische als auch die spanische – sind in Deutschland angesichts herrschender Gesetze nicht möglich. Das wird von vielen Verantwortlichen im Schifffahrtsbereich, besonders Kapitänen und Schiffsoffizieren, kritisiert. „Es geht nicht an“, so ein Kapitän, „dass wir weiterhin als Freiwild für internationale Verbrecher-Clans zur See fahren, ohne dass wirksame Maßnahmen ergriffen werden“.
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