Berlin, Deutschland (Weltexpress). Man kann der Geschichte nicht entkommen, auch wenn das Verschweigen von Versailles 1919 und damit der europäischen Ur-Sünde des zwanzigsten Jahrhunderts ein unzulänglicher Versuch gewesen ist. Versailles wird diejenigen einholen, die sich an dieser Konspiration gegen die Geschichte beteiligt haben.
Das Jahr der Gedenktage begann mit dem 24. März 1999 und damit der Erinnerung an einen Krieg im Stile und nach dem Selbstverständnis des 1. September 1939. Die Erinnerung an das deutsche Grundgesetz fiel bemerkenswert schmallippig aus. Vom Friedensgebot war dabei bei den Reden der Repräsentanten der obersten Verfassungsorgane schon mal vorsichtshalber nicht die Rede. Das hätte bedeutet, die riesige Diskrepanz zwischen der eigenen Verfassung, den Erklärungen des deutschen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl zur Wiedervereinigung Deutschlands deutlich zu machen und der NATO-Kriegspolitik seit 1999 deutlich zu machen. Von deutschem Boden sollte kein Krieg mehr ausgehen und Deutschland sollte seinen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten. So postuliert es das Grundgesetz und so sagte es Dr. Helmut Kohl. Gerhard Schröder musste dazu vor einigen Jahren und in Zusammenhang mit dem Putsch 2014 in der Ukraine öffentlich bekennen, dass er mit dem Einsatzbefehl für die Bundeswehr im Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen das geltende Völkerrecht verstoßen habe. Kein Wunder, dass nach entsprechenden Presseberichten, die NATO-und EU-Zensurkommandos alles daran setzen, diejenigen mundtot zu machen, die das auch so sehen wie der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Das kollektive Verschweigen von Versailles schlug dem Fass den Boden aus. Das ist keine Frage merkwürdiger Nostalgie. Dadurch haben die Regierungen der Täter-Nationen deutlich gemacht, dass ihnen nicht an Konsequenzen aus diesem schändlichen Vorgang in Versailles 1919 gelegen ist. Warum die Verantwortung für Versailles – und das gesamte europäische Elend seither – schultern, wenn man nach der neuen EU-Kommissionspräsidentin, Frau Dr. von der Leyen und der frischgebackenen deutschen Verteidigungsministerin, Frau Kramp-Karrenbauer, von den Vertretern der Washingtoner Kriegskoalition ganz zu schweigen, seine Politik in Zusammenhang mit der Russischen Föderation von den Versailles-Gedanken bestimmen lassen will. Versailles war nicht nur der Todesstoß für Friedenskonferenzen in Europa, die diesen Namen verdienten, wie den Wiener Kongress 1815 oder Münster/Osnabrück 1648. Deutschland sollte mit und durch Versailles als Staat, der dem Recht mehr als andere Staaten verpflichtet gewesen ist, aus der Bahn geworfen werden. Historisch gesehen sollte es ausschließlich einem Zweck dienen: Bollwerk und Rammbock gegen die bolschewistische Sowjetunion zu sein.
Diese Gedanken sind heute im westlichen Denken erneut manifest. An das „gemeinsame europäische Haus“ eines Michael Gorbatschow ist ebenso wenig zu denken wie an die „Charta von Paris“ aus dem November 1990 mit ihrer Ächtung des Krieges in Europa. Das Schicksal der mit Sanktionen überzogenen Russischen Föderation, die man nicht am europäischen Tisch sehen will, ist nach diesem Denken klar: Sie wird in eine Zone jenseits des amerikanischen Hoheitsgebieten in Europa, das sich von den baltischen Staaten bis zum Schwarzen Meer erstreckt, nicht nur verbannt. Ihr Schicksal interessiert demnach nicht mehr und es wird billigend in Kauf genommen, diesem großen Land ein Schicksal zu bereiten, wie es durch die angelsächsische Unterstützung für „Herrn Hitler“ Deutschland ab Versailles bestimmt gewesen ist. Es ist fast unerheblich, ob dies bei dem Gedenken an den 1. September 1939 oder im kommenden Jahr am 8./9. Mai 1945 der Fall sein wird. Man zieht seine Gemütslage am aktuellen Rollen von Panzerketten auf Prachtstraßen hoch und lässt am geschundenen Dresden vorbei die NATO-Panzer an die neue Ostfront rollen. Das nennt man dann: Verantwortung vor der Geschichte.
Einzig Papst Benedikt XVI hat bei seinem Deutschland-Besuch 2011 diese Dimension deutlich gemacht, als er in seiner berühmten Rede vor dem mühsam gefüllten Plenum des Deutschen Bundestages darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ein Staat ohne die Beachtung des Rechts einer Räuberbande gleichen würde. An diesen Satz sollte an prominenter Stelle im Deutschen Bundestag deshalb erinnert werden, weil dies das Verständnis der anständig und gerecht denkenden Menschen von Rechtsstaat in Deutschland ist. Seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien ist keine Rede mehr von „westlicher Wertegemeinschaft“. Warum auch. Innenpolitisch ist dieses Schicksal des Verschweigens dem „deutschen Rechtsstaat“ zugeteilt worden.
Stattdessen bemächtigt man sich regierungsseitig der Erinnerung an die tapferen Frauen und Männer des deutschen Widerstandes, die sich zwischen Sozialdemokraten, Kirchen, Gewerkschaften, Roter Kapelle oder Wehrmacht Hitler in den Arm geworfen haben. Vor dem Hintergrund der Erklärungen der Frau Bundeskanzlerin muss man den Eindruck haben, in erster Linie daran interessiert zu sein, die Erinnerung am die Helden des 20. Juli 1944 in den aktuellen innenpolitischen Auseinandersetzungen instrumentalisieren zu können und keinesfalls sich mit dem geradezu „ewigen Vermächtnis“ dieser mutigen Frauen und Männer auseinanderzusetzen. Schon die ersten Sätze des „Aufrufs an das deutsche Volk“ in Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 macht deutlich, worum es seinerzeit den Helden ging: den Rechtsstaat in Deutschland wieder herzustellen. In der nicht gehaltenen ersten Regierungserklärung war der erste Satz von dem geradezu feierlichen Gelöbnis für die „Wiederherstellung der Majestät des Rechts“ die Rede. Wenn aus Anlass des 20. Juli 1944 das feierliche Gelöbnis der Bundeswehr im Bendlerblock stattfand, wird man daran denken müssen, dass einer der der höchsten zivilen Beamten des Verteidigungsministeriums und Leiter der Rechtsabteilung vor wenigen Monaten seinen Hut nehmen musste. Er war offensichtlich mit seinem Verständnis von Grundgesetz und internationaler Rechtsordnung wie Ikarus der aktuellen NATO-Politik der „Kriege nach Lust und Laune“ zu nahe gekommen. Diese Wirklichkeit im deutschen Regierungshandeln zählt, wenn der Helden des 20. Juli 1944 und nicht nur ihrer gedacht wird.
Selbst in einer ZDF-Sendung zum 65. Geburtstag der Bundeskanzlerin in diesen Tagen wurde erstmals und geradezu mahnend das Versagen des Deutschen Bundestages nach der eigenmächtigen Entscheidung der Bundeskanzlerin im September 2015, die deutschen Grenzen bis heute schutzlos zu stellen, angesprochen. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Herr Oppermann, ließ sich dazu vernehmen. Wenn in diesen Tagen ein Abgeordneter nach den Generalen ruft, wird ihm das Wort vom „Putsch“ entgegen geschleudert. Was ist es denn, wenn sich die Bundeskanzlerin und der Bundestag derart über das Gesetz in Zusammenhang mit der Migration stellen, dass mit Herrn Prof. Dr. Rupert Scholz, ein ehemaliger Verteidigungsminister und hoch angesehener Rechtswissenschaftler, nach Presseberichten von einem „fortdauernden Verfassungsbruch seit dem 4./5. September 2015 bis heute“ sprechen kann? Wer derart mit dem Grundgesetz und dem internationalen Recht umspringt, schlägt das Vermächtnis der Helden aus dem deutschen Widerstand gegen Hitler in den Wind.