Es war kein Thriller, es war kein Drama, es war ein krasser Horror-Film, der da vor den Augen der tapferen 49802 Zuschauer ablief. Mit blutenden Fan-Herzen nach Hertha-Harakiri. Denn die Berliner führten am gestrigen Abend alle spielentscheidenden Aktionen selber aus. Der Tabellenzweite von der Alster brauchte nur staunend zur Kenntnis nehmen, wie die Berliner das Wort Gastfreundschaft zur Zeit interpretieren. Schonungslos mit sich selber umzugehen soll ja eine Tugend sein, doch bei Hertha sind es anscheinend Masochismus und Suizid-Gedanken, die guten Fußball verhindern. Im Grunde gehören alle, die zur Zeit im blau-weißen Dress ihr bestes versuchen, auf eine geräumige Couch eines Fachmanns. Zum Heulen und analysieren gibt es genug.
Das Klischee von Pleiten, Pech und Pannen: an Hertha BSC erfährt der staunende Betrachter, dass in jeder noch so platten Redensart eben doch mehr als ein Fünkchen Wahrheit steckt.
Dabei beginnt das Heim-Debüt von Berlins neuem Coach Friedhelm Funkel richtig verheißungsvoll. Nach einer Ebert-Ecke in der neunten Minute verlängert Ramos und Arne Friedrich (ein Verteidiger!) köpft die Berliner Führung.
Der folgende Jubellauf führt den Hertha-Kapitän über die halbe Tartan-Bahn, nach Abklatschen mit Neu-Coach Funkel, direkt zu den Fans in die Kurve: Seht her, sollte das heißen, wir leben noch und kämpfen.
Hertha ist in den ersten dreißig Minuten ein ebenbürtiger Gegner des HSV, übte sogar Dominanz aus und lässt die Hanseaten keinen nennenswerten Drang nach vorne entwickeln.
Dann der erste Klops des Abends: eine scheinbar harmlose Flanke aus dem Mittelfeld fliegt auf Timo Ochs zu. Kein Problem für den Keeper, sollte man meinen, aber der völlig orientierungslose Kaka entschließt sich leider dazu mit dem Kopf zum Ball zu gehen. Unglücklich senkt sich daraufhin der Ball zum Ausgleich ins Berliner Tor (24.).
Damit ist der Startschuss zur Berliner Pech-Parade gefallen. Nach 33. Minuten humpelt Ersatztorhüter Timo Ochs mit Muskelfaserriss im Bein (!, siehe Drobny!) vom Platz. Was Ersatz-Ersatzkeeper Sascha Burchert in diesem Moment noch nicht weiß: Es wird gleich ganz brutal für ihn werden, denn seine Vorderleute werden ihn völlig ins offene Messer rennen lassen.
Der Doppelschlag.
38.Minute: Nach einer Steilvorlage stürzt Burchert aus seinem Tor und klärt mit dem Kopf. Genau in den Fuß von Jarolim, der aus 35 Metern direkt ins Berliner Tor trifft.
40.Minute: Nach einer Steilvorlage stürzt Burchert aus seinem Tor und klärt mit dem Kopf. Genau in den Fuß von Ze Roberto, der aus 40 Metern direkt ins Berliner Tor trifft.
Was genau ist das nun? Pech? Unvermögen? Scheiße an den Töppen?
Es ist wohl nicht richtig, dem jungen Sascha Burchert diese beiden Treffer aus dem Kuriositätenkabinett allein anzukreiden. Ein erfahrenerer Torwart hätte die Bälle vielleicht mehr zur Seite abgewehrt, aber in einer besseren Abwehr wäre auch ein Verteidiger bis zur Torlinie durchgelaufen um für den verirrten Keeper zu retten.
Der Hühnerhaufen Hertha rettet sich in die Pause, aber der Hahn ist schon zu diesem Zeitpunkt tot. Die zweite Hälfte sieht zwar bemühte Berliner, aber wenn in einem Zeugnis von Bemühen die Rede ist, ist das eben noch immer: „Nicht ausreichend“. Der HSV gewinnt am Ende, weder verdient noch unverdient, denn die Hanseaten brauchten gar nichts zu tun, um diesen Dreier mit an die Elbe zu nehmen.
Bei Hertha BSC ist einfach der Wurm drin und es wird ein harter Job für den neuen Trainer, die Köpfe seiner völlig verunsicherten Mannschaft mit neuem Selbstvertrauen zu bestücken. Das einzig positive an der jetzigen Berliner Situation ist die anstehende Länderspielpause, in der es Friedhelm Funkel gelingen muss, seinen Spieler wieder an das heran zu führen, was sie doch eigentlich am besten können (sollten): Fußball spielen.