Drogenabhängige und Fixer: Vom Abschaum der Gesellschaft zum Versuch der Hilfestellung – Serie: Bahnhofsviertelnacht – Ein Erlebnis zwischen Tradition, Moderne und einem Hauch Exotik (Teil 2/2)

Auch Frankfurter finden im Bahnhofsviertel noch einiges zu entdecken !

Zum Team des Vortrags gehörten neben unserem Führer zudem die Ärztin Christa Wachelau und eine Jahrespraktikantin. Sie berichteten, dass Ihre Institution zunächst sicherstellt, dass der Konsum von harten Drogen auf Basis von hygienischen Bedingungen erfolgt. Da knapp 95 Prozent der dort konsumierten Drogen intravenös konsumiert werden, bedeutet dies vor allem, dass desinfiziertes „Fixerbesteck“, wie es in der Szene genannt wird, bereitgestellt wird. Das Konzept geht unter dem Gesichtspunkt von Neuinfektionen, insbesondere mit den Krankheiten HIV und Hepatitis C, definitiv auf. Die Klientel beschränkt sich hierbei auf volljährige, überwiegend männliche Drogensüchtige (Durchschnittsalter 34). Erstkonsumenten werden ebenso abgewiesen wie Personen, die sich nicht ausweisen können oder keine Aufenthaltserlaubnis besitzen. In einem ca. halbstündigen Gespräch werden die Personen in der Datenbank erfasst, zudem wird versucht, sich einen Überblick über die Lebenssituation der Klienten zu verschaffen.

Zu den hauptsächlich konsumierten Drogen gehören neben den bereits genannten Drogen Heroin und Crack auch das allgemein als „Valium“ bekannte Beruhigungsmittel. Zudem existiert eine in der Szene als „Frankfurter“ bekannte Droge, die eine Mischung aus den eben genannten Stoffen ist. Die Führung lieferte für Personen, die mit dem Drogenmilieu nicht vertraut sind, erschreckende Zahlen: Pro Tag finden innerhalb der Öffnungszeiten von 11 bis 23 Uhr im Drogenkonsumraum Niddastraße zwischen 250 und 300 Konsumvorgänge statt, im Jahr 2008 waren es insgesamt ca. 85.000. Dabei sind als Personal mindestens 5 Personen im Einsatz, während den Spätschichten sogar 6 Personen. Insgesamt entstehen  im Jahr Kosten in Höhe von 1 bis 1,5 Mio. Euro.

Neben der Möglichkeit, den drogensüchtigen Personen eine hygienische Möglichkeit zu bieten, die mitgebrachten Drogen zu konsumieren, ist die Einrichtung zudem bemüht, die Abhängigen an andere Drogenhilfsorganisationen weiterzuleiten. So arbeitet der Drogenkonsumraum Niddastraße unter anderem mit den Malteser Werken, dem Projekt „Walkmen“  – das sich um drogensüchtige Jugendliche auf Frankfurts Straßen kümmert -. dem Jugendamt der Stadt Frankfurt und anderen wichtigen Institutionen zusammen. Ziel sei es, so unser Führer, eine Heilung aus der Abhängigkeit und also eine absolute Abstinenz zu erreichen.

Das Team arbeitet unter zum Teil sehr hohen Belastungen: Fast täglich, so führte er weiter aus, gäbe es einen kleineren oder größeren Notfall, bei dem unter Umständen ein Rettungswagen gerufen werden muss. Zudem ist nicht immer ein Erfolgserlebnis zu sehen – selbst wenn einem Drogensüchtigen erfolgreich geholfen werden kann, so ist nicht garantiert, dass man dies innerhalb des Drogenkonsumraums überhaupt mitbekommt. Auch die Tatsache, dass man viele Gesichter fast täglich über viele Jahre immer und immer wieder sieht, sei ein frustrierender Bestandteil der Arbeit. Um präventiv Dingen wie einem „Burn-out“ der Mitarbeiter entgegenzuwirken und einzelne Situationen genauer zu besprechen, finden deshalb einmal wöchentlich Teambesprechungen sowie einmal im Monat eine Supervision statt. Auch sei eine regelmäßige Auszeit sehr wichtig.

Abseits der detaillierten Führungen durch die einzelnen Stationen, von denen wir nur von zweien ausführlich berichtet haben, gibt es auch für selbstständige Entdecker in dieser Bahnhofsviertelnacht viel zu sehen. Vor allem die Vielfalt der einzelnen Gewerbe [?] innerhalb einer einzigen Straße ist erstaunlich. So reihen sich feine Restaurants nahtlos neben Zeitungskiosks, Feinschmeckergeschäfte neben einem Mc Donald’s oder auch einem Eros-Center ein. Kein anderes Stadtviertel kann solch eine Bandbreite an verschiedenen Geschäften und Etablissements aufweisen können, wie das Bahnhofsviertel. Von Rot über Grün über Gelb zu Bunt.

Doch nicht alles lief hundertprozentig reibungslos ab: So klagte eine Besucherin vor allem über die Unüberschaubarkeit des Viertels und meinte, dass trotz der im Programmheft enthaltenen Karte die einzelnen Stationen schwer zu finden seien. Zudem gab es auch Stationen wie beispielsweise das English Theatre, die einer besseren Organisation bedurft hätten. So fing die dortige Führung im 2. Untergeschoss des Hauses an – explizit beschriftet war dies aber weder im Programmheft noch im Erdgeschoss des Hauses. Ein Ärgernis, das dazu führte, dass knapp 20 Personen die dortige Führung versäumten. Auch leicht negativ fiel uns der hohe Konsum von Alkohol auf – ’gefühlt` hielt jeder Dritte eine Flasche Bier in der Hand.

Dies kann nur ein kleiner, konzentrierter Einblick auf die Bahnhofsviertelnacht 2009 sein. Jedoch wird schon durch diesen deutlich, welche Ausnahmestellung diese Veranstaltung in einer Metropole wie Frankfurt genießt, denn kaum eine andere kulturelle Veranstaltung bietet einen solch enormen Überblick in einer vergleichbar gelassenen Stimmung. Ein großes Lob geht deshalb an dieser Stelle an die Veranstalter und die örtlichen Organisatoren, die auch in diesem Jahr wieder für eine unvergessliche Bahnhofsviertelnacht gesorgt haben. Wir wünschen uns: Da capo im nächsten Jahr, damit wir uns so nach und nach durch alle interessanten Orte im Bahnhofsviertel durchlavieren. Nein, nicht alle, denn das Rotlicht überlassen wir dem Rotlicht.

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