Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Das inzwischen schon traditionelle Sommertheaterfestival „Barock am Main“ hat es nicht einfach: Die über Jahre erprobte Spielstätte im Höchster Bolongaropalast musste gegen den Hof der Höchster Porzellanmanufaktur eingetauscht werden, diese wiederum steht in der Insolvenz und dann waren die Tage um den Premierentermin am 30. Mai auch noch durch heftige Unwetter bestimmt, mit Starkregen, der noch am Vortag die Universitäten Gießen und Marburg überflutete. Da blickten die Stammbesucher, die sich wie jedes Jahr rechtzeitig eine Karte gesichert hatten, schon mal bedenklich gen Himmel, doch der Wettergott war ganz auf der Seite der Veranstalter. Kein Wölkchen trübte den blauen Himmel und nicht einmal ein fernes Grollen war zu hören.
Ein paar Veränderungen gab es: die literarische Vorlage ist diesmal deutsch: im doppelten Sinne
Ausgangspunkt ist ein Drama des Barockdichters Andreas Gryphius, der wiederum auf eine Vorlage des römischen Dichters Plautus rekurriert, von Dachselt auf das Format der „Barock-Truppe“ (mit den bewährten Kräften der Vorjahre) nachgedichtet. Und auch das Umfeld der Handlung ist deutsch, spielt sie doch in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, der vor 400 Jahren begann und eine verwüstete Landschaft und verängstigte Menschen hinterließ. In diesem Umfeld versucht ein prahlerischer und aufschneiderischer „Kriegsheld namens Horribilis von Huckevoll“ (grandios gespielt wie immer von Michael Quast) nebst einem kongenialen Adjutanten (Matthias Scheuring) sich dauerhaft durch eine reiche Heirat zu sanieren und zugleich als Stadthauptmann vorgeblich Frankfurt gegen „den Schweden“ zu verteidigen. Das es mit seiner Tapferkeit nicht weit her ist, merkt nicht nur das Publikum sehr schnell, aber gerade das ausersehene Opfer des (Heirats-)Schwindels, die junge Selene Fleischbein (Pirkko Cremer) bleibt verblendet fast bis zum Schluss und ersehnt sich nur einen Helden zum Bewundern. Nur das listige Eingreifen ihrer Freunde und (zunächst verschmähten) Anbeter bewahren sie vor dem Irrtum ihres Lebens.
Die Inszenierung ist immer auch ein optisches Vergnügen
Was die Truppe da unter der Regie von Sarah Gross mit ungebremster Spielfreude auf die Bühne bringt ist stimmig: Perfekt funktionierende Abgänge und Auftritte, ironische Zitate gängiger Fernsehklischees und auch in diesem Jahr wieder das ironische Spiel mit scheinbaren „Hängern“, die von der Souffleuse in der ersten Reihe repariert werden. Kostüme und Maske waren all die Jahre hervorragend, in diesem Jahr verdienen sie aber besonders hervorgehoben zu werden. Die jeweilige Kleidung charakterisiert ideal die Typen, und wie zum Schluß zwei der Akteure mittels blauer Plastikfolie und gelbem Klebeband in„erschröckliche Schweden“ verwandelt wurden, verdient einen eigenen Preis. Bühne und Kostüme: Anna Sophia Blersch, Maske: Katja Reich.
Auch die Infrasstruktur der Spielstätte wurde verbessert
Aus der letzten Saison hat das Team eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen mitgenommen und umgesetzt. Die Sichtverhältnisse in den ersten Reihen wurden verbessert und ein großer Teil des Gastronomiebereiches wurde überdacht, so dass die Besucher auch an weniger sonnigen Tagen ihren Apfelwein im Trockenen genießen können.
Weitere Aufführungen gibt es bis zum 24. Juni, dann weicht das Theater dem Fußball. Karten und Information unter www.barock.am-main.com.