Diesmal trägt das zur Ehe zu bekehrende Gesicht das der Sandra Bullock. Sie spielt die New Yorker Lektorin Margaret Tate. In der Eröffnungsszene radelt Margaret auf ihrem Ergometer, während sie gleichzeitig Geschäftsunterlagen studiert. Für pointierte Bildsprache hat die Choreografin Fletcher in “Selbst ist die Braut” immerhin Gespür. Margaret strampelt sich buchstäblich ab, um sich in der Geschäftswelt zu behaupten. Besonders verhasst ist Margaret ihrem Assistenten Andrew Paxton (Ryan Reynolds). Auf Seiten des geplagten Andrew soll das Publikum stehen. Dabei hat der sich seine Handlangerposition selbst ausgesucht und plant, seine Stellung in einem Verlagshaus für eigene Buchpublikationen auszunutzen. Wie Andrew sich aus Karrieregründen bei Margaret anbiedert, lässt ihn berechnend und schleimig erscheinen. Aber Andrew ist ein Mann, Margaret eine Frau, und die Berufswelt in “Selbst ist die Braut” auf den Kopf gestellt, wenn sie ihm vorgesetzt ist. Als der Kanadierin Margaret die Ausweisung droht, überredet sie Andrew – “Selbst ist die Braut” – mit dem Versprechen einer Beförderung zu einer Scheinehe. Die Chefin und ihr Assistent müssen zum beidseitigen Missfallen ein Liebespaar spielen und das Wochenende bei Andrews Eltern (Mary Steenburg und Craig T. Nelson) den 90. Geburtstag von Andrews Großmutter (Betty White) feiern. Hinter der mühselig aufrecht gehaltenen Pärchenfassade wird nun reichlich gezankt. Doch von dem Spruch “Was sich liebt, dass neckt sich”, gilt auch der Umkehrschluss.
Gleiches gilt für “Des einen Freud ist des anderen Leid”. Margarets und Andrews gegenseitige Sticheleien in “Selbst ist die Braut” sind überraschend amüsant, was besonders dem komödiantischen Talent Sandra Bullocks zu verdanken ist. Sie soll als Unsympathieträgerin aufgebaut werden. Stattdessen tut sie einem leid. Ihre Kollegen hassen sie ohne ersichtlichen Grund. Bei Margarets Eintreten kuschen die anderen Angestellten wie Schüler vor der strengen Rektorin. Dabei ist Margaret weder unfreundlich noch heimtückisch. Sie ist kompetent und trägt ein streng geschnittenes Kostüm. Beides zusammen soll sie als skrupellose Karrierefrau ausweisen. Beruflicher Erfolg wirkt aus Fletchers Sicht unweiblich, folglich wird die “maskulinisierte” Margaret von ihren Mitarbeitern mit “es” tituliert, obwohl das zu der schönen Sandra Bullock gar nicht passen will. Ein Liebesleben hat Margaret nicht mehr, wie sie später gesteht. Karriere und Sexualität sind aus Fletchers Sicht für Frau unvereinbar. Romantik will sich allerdings in “Selbst ist die Braut” nicht einstellen. Als Streithähne besitzen Ryan Reynolds und Sandra Bullock Paardynamik, als Verliebte nicht. Dass die beiden sich schließlich aus Liebe das Ja-Wort geben, muss man als Hollywoodkonvention hinnehmen. Aus der Personenkonstellation ergibt es sich nicht logisch. Ehrlicher wäre, die beiden Bürofeinde Freunde werden zu lassen und jeden etwas Verständnis für die Probleme des anderen zu lehren.
Den sozialen Hintergrund der Konfliktbeziehung der Hauptfiguren ignoriert “Selbst ist die Braut”. Andrew, der aus einer reichen Familie stammt, dient die Berufstätigkeit lediglich der Selbstbestätigung. Margaret musste sich hocharbeiten. Doch in der schönen, reichen Romantikwelt Hollywoods haben solche komplexe Themen nichts zu suchen. “Selbst ist die Braut” ist wie “27 Dresses” eine gut besetzte Komödie, der man dank ihrer Darsteller einige Längen nachsieht. Unschmeichelhafter formuliert: Dutzendwahre. Anne Fletchers “Proposal” kann man getrost ablehnen.
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Originaltitel: The Proposal
Deutscher Titel: Selbst ist die Braut
Genre: Romantikkomödie
Land/Jahr: USA 2009
Kinostart: 30. Juli 2009
Regie: Anne Fletcher
Drehbuch: Peter Chiarelli
Darsteller: Sandra Bullock, Ryan Reynolds, Betty White, Craig T. Nelson, Malin Akerman
Verleih: Walt Disney
Laufzeit: 108 Minuten
FSK: Ohne Altersbeschränkung
Internet: www.selbst-ist-die-braut.de