Wer zu spät kommt, den belohnt in “Kleine Tricks” das Leben. Er kann trotzdem zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. In dem malerischen polnischen Ort, in dem Stefek langsam reifer wird und Streiche spielt, “Kleine Tricks”, welche er vielleicht zum letzten Mal als Glücksbeschwörung betrachtet. Das Glück lässt sich nicht kaufen, höchstens ein bisschen bestechen. Aber das Glücksbestechen muss der stille Junge, in dessen Kopf vieles vorgeht, erst einmal üben. Wie er das tut, spielt Hauptdarsteller Damian Ul gewitzt und lebensecht. Ihm und den anderen lebensechten Darstellern sind die zahlreichen Auszeichnungen, darunter eine Oscarnominierung, der unbeschwerten Familienkomödie zu verdanken. Dem zum Negativklischee gewordenen Bild der verarmten polnischen Kleinstadt mit Betonbauten und leer stehenden Backsteinhäusern, gibt Jakimowskis “Kleine Tricks” ein neues Gesicht. In seinem autobiografisch inspirierten Alltagsmärchen wohnt in den alten Gebäuden Heimeligkeit und Zusammenhalt. Grau in Grau ersetzen Licht und Farbigkeit, Blumen wachsen aus Betonspalten. Es tut gut, diese frische, hoffnungsvolle Version eines polnischen Dorfs zu sehen. Doch die Gemütlichkeit hat etwas Einlullendes. Einzig das Wissen um das Sozialgefüge in seinem Handlungsland bewahrt “Kleine Tricks” vor dem Kitschstempel.
Die große Schwester versäumt ein Vorstellungsgespräch nach dem anderen. Nachdem der italienische Bewerbungsprüfer, für den sie so hartnäckig Konversation und Vokabeln lernt, herausfindet, dass Stefek an seinen Wagen uriniert hat, tröpfeln auch ihre Einstellungschancen in den Gully. Federleicht geht Jakimowski darüber hinweg. So leicht, dass ihm die Benachteiligung Elkas gleichgültig scheint. Im Schatten türmen sich die Sorgen für die junge Frau. Stefek ist daran nicht unschuldig, doch auf ihn lässt Regisseur Jakimowskis nichts kommen. Stefek ist der Held der Komödie, ein Glückssuchender, ein liebenswerter Schelm. Das angepinkelte Auto war nur ein Versehen, weil er der großen Schwester die Daumen halten soll und daher nichts anderes halten kann. Das Elka die berufliche Aufstiegsmöglichkeit entgleitet, schrumpft in der Handlung zur Nebensächlichkeit. In dem kleinen Ort ist es ganz normal, gerade über die Runden zu kommen. Diese Selbstverständlichkeit der Armut wirft einen Schatten auf die sonnendurchtränkten Bildern. Der die Mülleimer nach Essensresten durchsuchende Obdachlose und der improvisierte Obsthändler werden für Stefek und Elka zur Figur in einem ihrer Spielchen. Glück wollen sie herbeilocken, ein Kinderspiel, aber insgeheim ein kaltherziges. Bei einem andern Glückslockungsversuch überrollt beinahe ein Zug einen angetrunkenen Reisenden. Doch keine Schrecksekunde lässt die Sonnigkeit gefrieren. Die Reflexion über das Tun Stefeks fehlt. Jakimowski mangelt es in diesen Szenen an Sensibilität bei der Umsetzung seines selbstverfassten Drehbuchs.
Die Sonne scheint, aber sie wärmt nicht. Und zu viele “Kleine Tricks” häufen sich zu fühlbaren inszenatorischen Misstönen. Eine Friedenstaube steigt vor dem Abspann über die Leinwand. Was beschwingen soll, wirkt flatterhaft. Die Taube ist einer der kleinen Tricks, welcher sich der Film bedient. Das Versöhnungssymbol rückt das erneute Zusammenfinden der Eltern gedanklich nahe. Zeigen will Jakimowski es nicht und so kann man ihm Schnulzigkeit nicht vorwerfen. Ohne Schwere, aber auch ohne Gewicht, verstreicht “Kleine Tricks” wie ein Kinderspiel. Solange man dabei ist amüsiert es, beginnt das nächste, vergisst man sofort.
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OriginaltTitel: Kleine Tricks
Originaltitel: Sztuczki
Genre: Komödie
Land/Jahr: Polen 2007
Kinostart: 23. Juli 2009
Regie und Drehbuch: Andrzej Jakimowski
Darsteller: Damian Ul, Ewelina Walendziak, Rafael Guzniczka, Iwona Fornalczyk
Verlieh: KOOL Filmdistribution
Internet: www.KleineTricks.de
Laufzeit: 95 Minuten