Landpartie am Gardasee: Sehnsucht nach der Signora

Lazise am Ostufer des Gardasees hat neben der komplett erhaltenen Stadtmauer eine schön gestaltete Seepromenade, den Wellen des Wassers nachgearbeitet. © Foto: Elke Backert

Mit dem Gardasee, den sich die Regionen Trentino, Lombardei und Venetien teilen, beginnt für die Deutschen das sonnige Italien, was viele mit Urlaub schlechthin gleichsetzen. Glaubt man dem Macher der „Zeitung für die elegante Welt“ Heinrich Laube (1806-1884), ist der See feminin, eine Signora Garda. „Er ist die erste italische Jungfrau, welche dem…blonden Germanen, der von den Alpen heruntersteigt, mit dunklem südlichem Zauberblicke ins Herz hineinsieht.“ Selbst in der Erinnerung, „wende sich das Herz noch um vor süßem Schmerz“. Daher, meint er, stamme die „teutsche Sehnsucht nach Italien“.

Riva del Garda (Start): Die Anreise vergessen macht das Vier-Sterne Grand Resort du Lac et du Parc. Wie einst Anno 1880 den Philosophen Friedrich Nietzsche erwartet auch heute, komfortabel modernisiert, ein stilvoll klassisches Ambiente den Gast. Im sieben Hektar riesigen Park am See laden neben 159 Hotelzimmern nicht nur 33 Bungalows, „La Villa“ und der Murialdo-Neubau, beide mit Luxus-Suiten zum Wohnen wie im Eigenheim. Bäche, Teiche, Fontänen und mediterrane Flora, zwei Pools draußen, einer im Wellness- und Beauty Center und der direkte Zugang zum Strand sorgen für prompte Entspannung.

Ein mondäner Kurort im 19. Jahrhundert, begeisterten Rivas venezianische Paläste, die achteckige barocke Kirche dell`Inviolata, die von Wasser umspülte Skaligerburg Rocca (1124), die Piazza Tre Novembre am alten Hafen, die Bogengänge aus dem 14. Jahrhundert und der Apponale-Turm, Rivas Wahrzeichen, die geistige Elite von Heinrich und Thomas Mann über Rilke bis Schopenhauer. D. H. Lawrence (1885-1930) ließ sich mit noch nicht Ehefrau Frieda von Richthofen nieder. Franz Kafka (1883-1924) benutzte allmorgendlich sein rotes Haus als Sprungbrett ins blaue Nass.

Nach steilem Aufstieg zur Bastione, dem venezianischen Wachturm von 1508, hat man einen Super-Ausblick auf Ort und See. Die Rivaner selbst wandern noch höher zur 560 Meter hoch an den Fels geschmiegten Kapelle Santa Barbara.

In seiner bizarren Schönheit zeigt sich der von Felswänden gesäumte fjordartige obere Teil des Sees erst so richtig vom Wasser aus. Deshalb ist eine Schifffahrt mit einem Linienschiff unumgänglich. Limone (10 km): Dank der 130 Kilometer langen Gardesana Occidentale, der westlichen Uferstraße, ist auch das bis 1913 nur vom Meer her zugängliche und bis dahin ärmste Dorf mit dem Auto erreichbar. 70 Tunnels und Galerien mit Ausguck machen sie zu einer der spektakulärsten Panoramastraßen Italiens. Von den terrassenartig angelegten ehemaligen Zitronengewächshäusern, den limonae, könnte der Ortsname stammen. Er kommt aber von limes, Grenze. Unrentabel zu Ruinen geworden, stehen sie jetzt unter Denkmalschutz. Wie ein Schwalbennest klebt der 1000 Jahre alte Ort mit seinen engen steilen Gässchen und hohen wild bewachsenen Mauern am Fuß des schroffen Bergs Dosso die Roveri, ein Malerwinkel. Nur im Winter, Frühjahr und Herbst drängeln sich die Urlauber nicht.

Tremósine (10 km): Mutige Autofahrer wagen einen Abstecher auf die Hochebene mit 17 kleinen Dörfern – über eine kühne Bergstraße, die sich serpentinenartig durch einen kurzen Tunnel in die Steilwände 2000 Meter hinauf windet. Mit Blumenbalkonen entzückt das 100-Seelen-Nest Pieve. Dort macht Rast, wer Nervenkitzel pur sucht. Von der „Schauderterrasse“ des Restaurants Miralago – und noch schauriger vom Toilettenfenster – geht`s 400 Meter schroff in die Tiefe.

Madonna di Monte Castello (15 km): Hinter Campione del Garda liegt das Hochplateau von Tignale. Nach einem engen letzten Straßenstück mit 25 Prozent Steigung erreicht man die spektakulär auf steilem Fels (691 m) thronende Wallfahrtskirche mit dem Giotto-Fresko „Krönung der hl. Maria“ und dem prunkvoll vergoldeten Hochaltar.

Gargnano (13 km): Außer Relikten von Zitrusgärten am Berghang gibt’s einen in Stein zu bewundern: den spitzbogigen Kreuzgang des Klosters San Francesco (1289). In die Säulenkapitelle sind – wohl einmalig – Zitronen und Orangen eingemeißelt.

Von 1943 bis 1945 diente der neoklassizistische Palazzo Feltrinelli – neben Saló selbst – der faschistischen „Republik von Saló“ als Amtssitz. Die Villa Feltrinelli des 1972 verstorbenen Verleger-Millionärs, reich geworden durch Limonen, in den letzten beiden Kriegsjahren Mussolinis Hauptquartier, ist heute ein Fünf-Sterne-Grandhotel und nur vom See her so richtig zu bewundern.

Gardone Riviera (10 km): Mit eleganter autofreier Seepromenade und abendlicher Orchestermusik lockt die „Gartenstadt”. Ihren Namen verdankt sie dem vom Arzt Arthur Hruska 1910 angelegten botanischen Garten, unter neuem Besitzer Fondazione André Heller genannt. Mit irrem Park- und Wohnkomplex des exzentrischen italienischen Dichters und Kriegshelden Gabriele d`Annuncio (1863-1938) wartet das „Siegesdenkmal der Italiener“ „Vittoriale degli Italiani“ auf Schaulustige. D`Annuncios Palast wurde zum Kunsttempel, der Park strotzt vor Kuriosem wie dem begehbaren Bug des Schlachtschiffs „Puglia“, das er 1919 befehligte, einem Torpedoboot, seinem Oldtimer-Fiat und seinem überdimensionalen Mausoleum. D`Annuncio setzte sich erfolgreich für den Bau der Uferstraße ein und gab den Tunnels Namen aus der Mythologie.

Saló (3 km): Einen satten Blick auf die schöne Bucht des nach dem Erdbeben von 1901 wieder aufgebauten Ortes und den breiter werdenden See gestattet die Gardesana. Sehenswert ist der spätgotische Dom mit dem Renaissance-Portal aus weißem Marmor. Schicke, aber teure Boutiquen verführen zum Kaufen.

Nach Süden hin zwischen San Felice und Manerba erstrecken sich feine lange Kiesstrände. Oberhalb der Küste lädt die hügelige Valtenési-Weinregion zum Wandern.

Desenzano (15 km): Mediterranes Flair, quirliges Dolce farniente strahlt die quicklebendige größte Stadt am See aus. Kunstfreunden seien Tiepolos „Letztes Abendmahl“ in der Pfarrkirche empfohlen sowie die lustigen aus blauen und grünen Steinen und Glasscherben gepuzzelten Mosaikböden der Villa Romana aus dem 3. Jahrhundert. Die Lebendigkeit der dargestellten Szenen verblüfft.

Sirmione (7 km): „Ich habe große Sehnsucht nach Sirmione“, verriet die Sopransängerin Maria Callas kurz vor ihrem Tod einem Freund. Ihr Ehemann Meneghini besaß auf der Halbinsel eine herrschaftliche Villa. Meist saß sie mit ihren Pudeln im 100 Jahre alten Caffè Grande Italia bei Campari/Soda oder studierte in der Küche die Rezepte. Durstige trinken heute eine Cedrata, den Saft der Zitrusfrucht Cedro im XXL-Format. Von der Wasserburg der Skaliger bis zu den „Grotten des Catull“, den heiteren Ruinen einer altrömischen Villa, findet der Gast Romantik pur, aber auch Menschenströme.

Peschiera (9 km): Massive venetianisch-österreichische Festungen umgürten die Stadt. Hier bildet der Fluss Mincio nicht nur die Grenze zwischen Venetien und der Lombardei, er bettet sich auch malerisch ein.

Lazise, Bardolino, Garda, Punta San Vigilio (16 km):

Beliebte Ziele deutscher Urlauber an der „Olivenriviera”: Lazise mit Stadtmauer und Kastell, Bardolino mit Öl- und Weinmuseum und Garda mit venezianischen Palästen. Hier sitzt man idyllisch an der Hafenpromenade vor dem Palazzo del Capitano mit den gotischen Spitzbogenfenstern.

In der exklusiven Locanda San Vigilio auf der pittoresken abgeschiedenen Landzunge nächtigte Prominenz: Zar Alexander, Winston Churchill, Vivian Leigh und zweimal Prinz Charles, einmal mit Lady Di, das zweite Mal mit Camilla.

Wer als Normalverdiener absolute Ruhe in schönem Ambiente sucht, wählt als Bleibe das „Boffenigo Small & Beautiful Hotel“ in Costermano mit Blick auf Garda und See.

Malcésine (32 km): Goethe erlag 1786 dem Zauber des Gassenlabyrinths. Beim Zeichnen der imposanten Skaligerburg (13./14. Jh.) wollte man ihn als Spion verhaften. Hinauf auf das Wander- und Bikerparadies Monte Baldo (2000 m) bringt einen die Seilbahn.

Tórbole (16 km): Einerseits wünschte sich Goethe bei seiner „Italienischen Reise“ 1786 seine Freunde herbei, „dass sie sich der Aussicht freuen könnten“. Andererseits wunderte er sich über „ein nachlässiges Schlaraffenleben“ der Bewohner und dass „die Türen keine Schlösser“ haben. Heutige Bewohner samt Touristen betätigen sich vornehmlich im Windsurfen, Vergnügen, aber auch harte Arbeit. Ungezählte weiße Segel verschleiern das Blau des Wassers.

Info:

Anreise: Auto: Autobahn A22, Brennerausfahrt Rovereto Süd (ca. 15 Min. bis Riva), Bahn: Bahnhof Rovereto (23 km/ca. 20 Min. bis Riva), Flugzeug: Verona-Villafranca (80 km) und Brescia (120 km).

Hoteltipp Riva: Du Lac et Du Parc Grand Resort, I-38066 Riva del Garda (Tn), Viale Rovereto, 44, Tel. (0039/0464)566600, Fax (0039/0464)566566, info@dulacetduparc.com, www.dulacetduparc.com

1 Ü/F im DZ ab 115 (zu speziellen Terminen 80) Euro pro Person.

Das Fremdenverkehrsamt von Riva offeriert kostenlose Stadtführungen.

Hoteltipp Costermano: Boffenigo Small & Beautiful Hotel in I-37010 Loc. Costermano/Garda, Tel. (0039/045)7200178, Fax (0039/045)6201247, info@boffenigo.it, www.boffenigo.it, DZ/F ab 170 Euro.

Reiseführer: z. B. Dumont direkt „Gardasee“, 7,95 Euro.

Auskunft: Italienisches Verkehrsamt ENIT in Frankfurt, Tel. (069)237434, E-Mail: enit.ffm@t-online.de; www.gardasee-italien.de; www.lagodigarda.it

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