Monte Carlo, Monaco (Weltexpress). Richard Wagners fünfte Oper ‚Tannhäuser‘ wurde im Dezember 1845 in Dresden uraufgeführt, und er dirigierte selbst. Diese Phase im Leben des Komponisten zeichnete sich durch weniger Existenzkämpfe aus, wenngleich er schon 1849 wieder in die Schweiz flüchten musste, wegen einer angeblichen Teilnahme an der Revolution von 1848.
Somit wurde sein Überlebenskampf erneut beschwerlich, seine Werke waren selten auf die Bühnen zu bringen, eigentlich war er fast vergessen in der damaligen musikalischen Welt. Doch es gelang einer Prinzessin Pauline von Metternich, der Frau des Botschafters Österreichs in Paris, den Kaiser Napoleon III für den ‚Tannhäuser‘ so zu begeistern, dass dieser eine Aufführung in Paris anordnete.
Richard Wagner reiste sofort von Zürich nach Paris, doch dort hatte er kein leichtes Spiel, er selbst sprach von qualvollen Mühen. Das Libretto musste ins Französische übersetzt werden, fast der gesamte erste Akt wurde umgeschrieben, weil man in Paris eine große Ballettszene wünschte. Wagner gedachte seine Oper selbst zu dirigieren, doch der Dirigent der Pariser Oper Dietsch verweigerte dies. Hans von Bülow, den Wagner aus Berlin geholt hatte, um ihm zu beizustehen, schrieb an Freunde: „Wagner dirigiert nicht (…), Herr Dietsch, ein Greis ohne Intelligenz, ohne Gedächtnis, ohne Gehör, gänzlich erziehungsunfähig, wie aus den unzähligen Proben hervorgegangen ist, die eigentlich nur für seine Instruction abgehalten worden sind, wird dirigieren.“
Nach 163 Proben fand am 13. März 1861 die Premiere statt, anwesend war das Kaiserpaar, die Aufführung wurde zum Fiasko, schon im ersten Akt wurde mit Trillerpfeifen und Tumulten reagiert, alles wohl arrangiert vom berühmten Jokey-Club, dessen reiche männliche Mitglieder eigentlich das Ballett für den zweiten Akt gewünscht hatten, da man vor einer Aufführung genüsslich zu speisen pflegte und erst später die Oper aufsuchte, gerne bewunderte man dann die Balletteusen als visuelles Dessert. Nach nur drei Aufführungen zog Wagner seine Oper zurück, die französische Version des ‚Tannhäuser‘ wurde seit damals nie mehr aufgeführt. Doch nun wagte es die Opera de Monte Carlo diesen ‚Tannhäuser‘ wieder zu erwecken.
Jean-Luis Grinda, der Intendant der Oper, inszenierte selbst. Er brachte eine durchweg spannende und ausdrucksstarke Geschichte nahe am Libretto auf die Bühne. Nur im dritten Akt traute er dem Werk nicht so richtig und versuchte die transzendenten Vorgänge zu aktualisieren. So etwas geht zumeist schief und so konnte auch der Selbstmord Elisabeths – anhand von Pulsadern durchtrennen – nicht überzeugen. Dass dann Wolfram von Eschenbach mit den Freudenmädchen der Venus in deren Welt übersiedelte, wirkte etwas grotesk, ebenso die Hinrichtung Tannhäusers durch die anderen Minnesänger per Revolver, das raubte dem Schluss jegliche Poesie.
Das Bühnenbild (Laurent Castaingt) bestand aus einer scheibenartigen halbrunden Spielfläche, die von brillanten Video-Projektionen (Gabriel Grinda) im Hintergrund komplementiert wurde. Der erste Akt wirkte so am intensivsten, es gab kein Ballett, sondern Venus und Tannhäuser hatten im Drogenrausch kosmische Visionen. Auch die Szene im Wald bei der Wartburg konnte mit intensiver Wirkung gefallen. Hier war Freude und Hoffnung zu spüren, das Schlussbild zeigte eine Welt in Schnee und Eis, unterstrich die hoffnungslose Situation, die für Wagner eigentlich keine war, denn seine Werke basieren zumeist auf einer Erlösung im Jenseits.
Musikalisch darf von einem hohen Niveau gesprochen werden. Nathalie Stutzmann, vielen bekannt als Sängerin, dirigierte ein hoch motiviertes Orchestre philharmonique de Monte Carlo mit großer Hingabe aber auch mit Elan. Klangschönheit und ausgewogene Tempi kreierten durchgehend Spannung, ergänzt mit einer dynamischen Klangsprache. Doch auch hier fehlte leider dann ein Hauch von Transzendenz im dritten Akt, welcher nach einem stark pointierten, gefühlvollen Musizieren verlangt.
Die französische Sprache war durchaus gewöhnungsbedürftig, dennoch ein interessantes Experiment. Die gesamte Sängerriege agierte stimmlich meisterlich und mit einer großen sprachlichen Finesse. Mit José Cura hatte man einen idealen Titelhelden, der in seinem Debut in einer Wagneroper überzeugen konnte. Er sang jede Note, sang sie bravourös. Wagner forderte immer ‚Italianitá ‘ von seinen Sängern und das lieferte José Cura höchst beeindruckend mit einer flexiblen Stimme, die auch in der hohen Lage unangestrengt wirkte. Auch darstellerisch ein idealer Tannhäuser!
Das gilt auch für die wunderbar anrührende Elisabeth von Annemarie Kremer, die gänzlich ohne Probleme mit der französischen Sprache agierte. Wunderbar klar ihre modulationsfähige Stimme, bis hin zu den hohen Tönen. Auch sie eine Idealbesetzung.
Als Wolfram glänzte Jean-François Lapointe mit einem bewegenden Lied an den Abendstern zudem gab er der Partie große Noblesse und Präsenz. Steven Humes, der ideale Landgraf, wie auch William Joyner als Walter von der Vogelweide, eine Luxusbesetzung. Nicht vergessen werden sollten die durchweg überzeugend explosive Aude Extrémo als Venus und die subtil bewegende Anais Constans als Hirt. Hervorragend auch die Chöre unter der Leitung von Stefano Visconti.
Diese Aufführungsreihe darf als eine Hommage an Richard Wagner und an all die Menschen, die damals unter großen Mühen versucht haben, den ‚Tannhäuser‘ in Paris auf die Bühne zu bringen, bezeichnet werden. Durchaus ein künstlerisch wichtiges Projekt, das zudem viele große Sänger in einem Team vereinigte, welches so nicht immer zu erleben ist. Als DVD wird die Produktion bald auf dem Markt erscheinen.