„Whiskey Row“ wird sie liebevoll genannt. Jene Straßenzeile im Stadtzentrum von Prescott, die in ihrem formvollendeten Ambiente dem Bilderbuch des amerikanischen Südwestens entsprungen sein könnte. Und die sich selbst heute noch präsentiert als das südliche Eingangstor zum einstigen Wilden Westen mit Bars, Restaurants und Saloons in langer Reihe nebeneinander.
Und ist sie in solch pittoreskem Erscheinungsbild nicht sogar das historische Beweisstück für eine wilde und zugleich feuchtfröhliche Pionierzeit? Bereits in einer Ära, als Arizona erst spät als einer der letzten drei Bundesstaaten zur Union hinzu stieß. Mit Naturschätzen nicht gerade üppig ausgestattet. Aber doch immerhin gesegnet mit zunächst unterschätzten Gaben, die sich in ihrer herben Schönheit später dennoch als respektables Grundkapital herausstellen sollten.
Zufluchtsort für Durstige
Der Blick hinter die Kulissen des gepflegten Straßenzuges bestätigt den äußeren Eindruck. Denn eine hölzerne Schwingtür führt hinein in den Gastraum des „Historic Palace Restaurant & Saloon“. Für die Maßstäbe vergangener Zeiten glamourös ausgestattet und vor Selbstbewusstsein nur so strotzend. An der Längswand inmitten alter Ölgemälde eine in die Tage gekommene Flagge der Vereinigten Staaten. Jene legendären Stars and Stripes, die – offenbar mit bravouröser Vergangenheit – auch in einer Räumlichkeit wie dieser die nationale Identität eines jeden Amerikaners unmittelbar ansprechen.
Kurzum: Ein Zufluchtsort für alle Durstigen. Dekoriert mit einer hölzernen Theke, die sich in der Tat sehen lassen kann. Sie bietet all jenen Asyl, die sich außerhalb dieser sprudelnden Quelle keinen schöneren Ort vorstellen können. Wie Bob und Steve, die als stille Zecher auf ihren Barhockern festgewachsen zu sein scheinen. Ein Foto? Aber selbstverständlich! Und schon hat Bob seinen schwarzen Stetson parat, so wie sich das in diesen Breiten schickt. Nur lächeln wollen sie beide nicht. Denn das war in jener rauen Zeit auch nicht üblich, und so viel Seriosität muss sein!
Kupfer und Kunst
Wollen sie sich damit positiv abheben von den Minenarbeitern im benachbarten Jerome? Jenen rauen Burschen, denen ein noch erhaltenes Holzschild sicherlich nicht grundlos untersagte, Schuhe oder sonstige Kleidungsstücke einfach aus dem Fenster zu entsorgen. Doch in deren Augen waren das nur Kleinigkeiten. Ging es doch vor allem darum, Kupfererz aus 900 Metern Tiefe unter höchstem körperlichen Einsatz ans Tageslicht zu bringen und anschließend zum Schmelzofen ins Tal hinab zu befördern.
Heute sind es vor allem die Künstler, die nach dem Abebben des Kupfervorkommens auf dieser Erfolgswelle weiter surfen. So sprießen an jeder Ecke des riesigen Freilichtmuseums kaum zu überblickende Künstlerateliers hervor. Eines davon gehört Donna Chesler, die sich selbst erstaunt darüber zeigt, wie sehr sich das von den Künstlern hervor gerufene neue kulturelle Leben bereits im weiteren Umkreis Arizonas herumgesprochen hat.
Gruß aus dem Hause Krupp
Drunten im Talkessel ist noch heute die riesige Schmelzanlage auszumachen, in der das Kupfererz einst weiterverarbeitet wurde. Und daneben Clarkdale, jene Stadt aus der Retorte, in der die Kupferarbeiter ihre Unterkunft fanden. Heute ebenfalls künstlerisch überhöht durch die Existenz eines Kupfer-Kunstmuseums, für das Museumschef Drake Meinke zahllose Exponate aus aller Welt zusammen getragen hat. So auch die riesige zu einem kunstvollen Gefäß verzierte Patronenhülse der „Dicken Berta“ aus dem Hause Krupp.
Höhepunkt des Stadtlebens jedoch ist die zum Touristenzug umfunktionierte „Verde Canyon Railway“. Auf Hochglanz poliert wartet sie im Bahnhof von Clarkdale darauf, um Besucher dort hinauf zu transportieren, von wo aus sie früher das Kupfererz hinunter beförderte. Wobei sicherlich die Schönheit des Verde Canyon inmitten der umgebenden Wüstenlandschaft heute mehr ins Auge fällt als zu jener Zeit, als die Effektivität des Kupferabbaus auf der Prioritätenliste ganz oben stand.
Illustre Felssilhouetten
Mit einer Schönheit ganz anderer Art präsentiert sich die Stadt Sedona, in heutiger Zeit sprichwörtlich für gehobenes Wohnen und stilvolle Lebenskultur. Denn sie ist fast völlig umgeben von rotem Sandstein, der mancherorts Festungscharakter ausstrahlt. So gibt es im Zentrum von Sedona kaum einen Ausblick, der nicht auf anerkennende Begeisterung stieße. Besonders dann, wenn die angespannte Fantasie in den zerfurchten Felssilhouetten illustre Gestalten wie Snoopy oder das kantige Porträt eines Indianerhäuptlings erblicken will.
Genau der richtige Rahmen für eine „Pink Jeep Tour“ durch das holprige Gelände. Fahrer Roger wird bei dieser Hindernisrallye über steile Hügel und durch tiefe Schluchten nicht müde, die erdgeschichtlichen Vorgänge zu erklären, die zu diesen eigenartigen Felskonstellationen führten. Wobei es bei der künstlerischen Feinarbeit natürlich stets die unglaublich kreative Erosion war, die mit Wind und Wasser über Jahrmillionen hinweg letzte Hand anlegte.
Meterhoch durch die Luft
Weniger holprig geht es zu auf der legendären „Route 66“, die in Flagstaff zum ersten Mal als schwarzes Asphaltband begegnet. Jene legendäre „Mother Road USA“, die die Menschen des mittleren Westens einst vor den vom Wind aufgewühlten Staubmassen der Bodenerosion zur rettenden Flucht in den Westen verhalf. An diese schwierige Zeit erinnern noch heute liebevoll gepflegte Einkehrlokale mit Museumswert und betagte Zapfsäulen an historischen Tankstellen.
Wer allerdings heute das Abenteuer sucht, den zieht es an den Stadtrand von Flagstaff in den Fort Tuthill County Park. Denn hier wartet in den Baumkronen der mächtigen Ponderosa-Pinien ein Extremabenteuer der besonderen Art. Nicht nur beim Surfen in dreißig Metern Höhe auf wackligen Brettern, sondern auch beim rasanten hinab Gleiten an einem straff gespannten Stahlseil. Als Belohnung für den Mut bei diesen sportlichen Herausforderungen dient die Show im angrenzenden Bike Park, wo trainierende Fahrradakrobaten in wildem Schwung mitten im Grünen meterhoch durch die Luft fliegen.
Warenaustausch mit den Navajos
Demgegenüber ist auf dem weiteren Weg in Richtung Norden Wüste angesagt. Eine Landschaft, die sich im Licht des späten Nachmittags jedoch aus eintönigem Grau immer stärker in einen Malkasten aus den unterschiedlichsten Rottönen verfärbt. Bis hin zum Little Colorado River, an dessen Ufer die „Cameron Trading Station“ bei einsetzendem Sonnenuntergang das Ende der Tagestour ankündigt.
Ein bereits seit mehreren Generationen bestehendes Familienunternehmen, wie General Manager Josh Atkinson erklärt, das ursprünglich dem Warenaustausch mit den in der näheren Umgebung angesiedelten Navajo-Indianern diente. Als Beweis für die Qualität der einstigen Handelsbeziehungen dient eine Galerie ausgesuchter Kunstgegenstände, in der sich auch Exponate der berühmten Navajo-Teppichweberin Elsie Glander finden, die man sogar bei der Herstellung dieser Prachtstücke beobachten kann.
Spiel der Formen und Farben
Und dann ist es schließlich über seinen Südeingang erreicht, jenes unbeschreibliche Grand Canyon, das der Colorado River viele Millionen Jahre lang durch mehrere Erdschichten hindurch in die Kruste des Colorado-Plateaus hinein gesägt hat. In einem Spiel der Formen und Farben, das zunächst sprachlos macht. Und den überwältigten Besucher schließlich vor die Frage stellt, wie man sich diesem grandiosen Naturphänomen am besten annähert. Vielleicht zu Fuß entlang dem Bright Angel Trail hinunter zu den Indian Gardens? Oder sogar auf dem Rücken eines geduldigen Maultieres noch weiter hinab bis in die Talsohle des Colorado River?
Oder doch lieber oben bleiben und von der Abbruchkante des Canyons aus die Eindrücke in sich aufsaugen? Ein Netz von Fahrradwegen macht’s möglich, an dem sich, wie sich schnell zeigt, die schönsten Aussichtspunkte wie die Perlen an einer langen Kette aneinander reihen. Unter der Führung der Bikerinnen Neoma und Courtney in weitem Bogen bis hinüber zum Yaki-Aussichtspunkt, von dem aus man ohne Anstrengung allein mit den Augen den Bright Angel Trail hinunter und den noch steileren Kaibab Trail wieder hinauf steigen kann.
„Grand Canyon State“
„Das Grand Canyon mit Wasser volllaufen lassen?“ Bei dieser einstmals ernst gemeinten Idee schüttelt es Bruce Brossman vom El Tovar Hotel an der Südkante des Canyons noch heute. „Statt des Grand Canyons ein Stausee mit Motorbooten und Wasserski?“ Zum Glück haben sich die Naturschützer dann doch noch durchgesetzt und Arizona als dem „Grand Canyon State“ zu seinem heutigen Ehrennamen verholfen.
Reiseinformationen “Arizona Parks”
Anreise: Günstig mit US Airways / American Airlines nach Phoenix über Charlotte bzw. Philadelphia; Rail und Fly-Programm; www.usairways.com; www.americanairlines.de
Einreise: Mit Reisepass und Teilnahme am US Visa Waiver Programm für eine elektronische Einreiseerlaubnis (“ESTA”), https://esta.cbp.dhs.gov
Reisezeit: Ganzjährig bei über 300 Sonnentagen; wegen der trockenen Luft ist die Hitze auch in den Sommermonaten erträglich.