Doch die Idee hatten eben viele, und viel gab es nicht zu erleben. Die wenigen Restaurants waren überfüllt und selten von bemerkenswerter Qualität. Der lecker Eisbecher reduzierte sich mangels Sitzplatz im Café zumeist auf eine Waffeltüte mit zwei Kugeln Eis „auf die Hand“. Wer Glück hatte und die Türen offen fand, konnte die gut erhaltenen Kirchen aus vergangenen Jahrhunderten besichtigen. Und wer großes Glück und nur eine kleine Warteschlange hatte, konnte mit der Familie das Meeresmuseum besuchen – das war unbedingt zu empfehlen.
Heute hat sich die Lage in jeder Hinsicht entspannt. Da es damals zu wenig Geld für einen Abriss historischer Gebäude gab, konnten viele von ihnen nach der Wende restauriert und neuen Bestimmungen zugeführt werden. Straßen wurden erweitert, saniert oder neu gebaut, interessante Neubauten entstanden, farbenfrohe Fassaden und ein ebensolches Straßenbild veränderten die Stadt zusehends. Stralsund ist wieder eine Reise wert und hat vorgesorgt: Es gibt eine ganze Reihe guter Hotels, Restaurants und Cafés. Für Unterhaltung und kulturelle Angebote ist gesorgt – sommers wie winters. Und die neue Rügenbrücke bringt die Urlauber schnell von Stralsund auf die Insel.
Und über die Brücke sind die Urlauber auch schnell wieder in Stralsund, wenn gerade mal kein Strandwetter ist. Sie bummeln dann durch die schöne Altstadt, die seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Der Papa trinkt vielleicht eines der preisgekrönten Biere der Stralsunder Brauerei, die Mama schaut sich vielleicht lieber nach maritimem Bernsteinschmuck um, und die Kinder finden an fast jeder Straßenecke eine Eis- oder Pommes-Bude. Doch irgendwann geht es dann bestimmt in das Museum, für das Stralsund auch heute bekannt ist: das Meeresmuseum mit dem aus DDR-Zeiten erhaltenen Haupthaus in der ehemaligen Katharinenkirche und dem neu erbauten Ozeaneum auf der Hafeninsel, das seit seiner Eröffnung im Jahre 2008 bereits über vier Millionen Besucher gezählt hat.
Das Ozeaneum ist eigentlich ein Naturkundemuseum, in dem Flora und Fauna rund ums Meer gezeigt und beleuchtet werden. Auf einer Ausstellungsfläche von 8700 Quadratmetern werden verschiedene Dauerausstellungen gezeigt. Die Aquarien – das größte fasst 2,6 Millionen Liter Wasser – präsentieren verschiedene Wasser- und Lebenswelten aus Ostsee, Nordsee und dem Nordatlantik. Zahlreiche Schaugläser mit Präparaten, unter ihnen ein drei Meter langer, im Jahr 2007 vor der Insel Rügen gestrandeter Schwertfisch sowie ein präparierter Eisbär zeigen die Vielfalt des Lebens am und im Wasser.
In einer der Dauerausstellungen werden Wale und andere Riesen der Meere in ihrer originalen Größe gezeigt. Dazu gehören ein 26 Meter langer Blauwal, ein 16 Meter langes Buckelwalweibchen mit einem fünf Meter langen Jungtier, ein zehn Meter langer Schwertwal, ein 15 Meter langer Pottwal im Kampf mit einem Riesenkalmar, ein vier Meter langer Mantarochen und ein drei Meter langer Mondfisch. In einer Multimedia-Inszenierung werden die Wal-Arten mit ihren Gesängen und Lauten vorgestellt – das können die Besucher im abgedunkelten Raum – dem Ozean nachempfunden – auf bequemen Liegen erleben.
Die Aquarien führen die Besucher vom Stralsunder Hafenbecken über die Nordsee bis ins Nordpolarmeer. Sie zeigen die maritimen Lebensräume vom Bodden bis zum offenen Atlantik. So tummeln sich im Aquarium „Stralsunder Hafenbecken“ die typischen Bewohner des nur wenige Meter entfernten Hafens der Stadt: Flussbarsche und Flussaale, Plötzen und Rotfedern. Aber auch anderes ist hier zu sehen, was nichts im Meer zu suchen hat: ein verrostetes Fahrrad und ein rostiger Einkaufswagen – beides wurde im Hafenbecken gefunden. Das Becken „Greifswalder Bodden“ beherbergt Flundern, Hechte, Quappen, Zander und Strandkrabben. Auf der „Seegraswiese“ sind unter anderem Stichlinge, Garnelen und Seesterne zu sehen. Das große „Kattegat-Aquarium“ bietet eine acht Meter lange Felskulisse für Seesterne, Seedahlien und Kraken.
Weiter geht es zum Nordsee-Nordatlantik-Aquarium. In einem drei Meter langen Becken sowie verschiedenen kleineren Einzelbecken wird das Wattenmeer nachgestellt, und die Gezeiten werden imitiert. Hier sind Petermännchen und Plattfische, Drachenköpfe und Seepferdchen zu Hause. Das Becken „Schottische Küstenhöhle“ ist von Europäischen Langusten und der Toten Mannshand besiedelt, die in den nördlichen Meeren auf felsigen Untergründen leben. Am größten ist das Becken „Offener Atlantik“, in dem Makrelen, verschiedene Rochenarten und Bonitos sowie ein Sandtigerhai leben.
Kinder wie Erwachsene sind von der Pinguin-Anlage auf der Dachterrasse des Ozeaneums begeistert. Putzige Humboldt-Pinguine leben dort und fühlen sich augenscheinlich pudelwohl. Die Kinder können aber auch spielen im Museum. So ist der Außenbereich mit seiner überdimensionalen Seegraswiese als Spielplatz gestaltet. Die Dauerausstellung „Meer für Kinder“, die sich vor allem an Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren wendet, bietet die Möglichkeit, sich spielerisch mit dem Thema Meer zu beschäftigen. In einem Demonstrationsbecken können Fische „hautnah“ erlebt werden, im Erlebnistunnel wird die Tiefsee wie in einem U-Boot erfahrbar. Auf der Forschungsstation darüber können Meerestiere unter dem Mikroskop betrachtet werden.
Nach dem Rundgang durch die interessanten Ausstellungen gibt es im hauseigenen Restaurant auch etwas für den kleinen Hunger und den großen Durst. Alles ein gelungener Ausflug – vor allem für diejenigen, die zu Fuß zum Ozeaneum gekommen sind. Wer mit dem Auto da war und einen der weniger Parkplätze ergattert hatte, musste nun auch noch Glück haben – denn die Parkzeit ist eng begrenzt, und die Politessen sind offenbar allgegenwärtig und streng. Ich hatte kein Glück: Zehn Minuten Überziehungszeit kosteten zehn Euro Strafe für den Gast der Stadt. Die hätte ich lieber für einen guten Zweck gespendet.