WM in Polen: Eine endlos gedehntes Volleyball-Netz – 103 Spiele binnen 21 Tagen

Gastgeber Polen verlor in Wroclaw 1:3 vor mehr als 10 600 Zuschauern gegen den Weltligagewinner USA. Ein Dämpfer für die hochfliegenden Hoffnungen der großen Anhängerschar im Lande.

Die Deutschen dagegen wahrten nach dem missratenen 0:3-Auftakt gegen Brasilien im ersten Zwischenrundenspiel gegen China ihre Ambitionen. Dominierten mit ihrer Wucht und Athletik die Partie gegen den 19. der Weltrangliste (Deutschland 10.).

Und besiegten am Donnerstagabend nach einer eindrucksvollen Vorstellung den Olympiavierten Bulgarien 3:1. Bundestrainer Vital Heynen sprach danach davon, die ersten beiden Sätze seien da "die besten gewesen seit meinem Amtsantritt 2012." Mit dem sechsten Erfolg im siebenten WM-Auftritt festigten die Männer um Kapitän Jochen Schöps ihren dritten Rang hinter Brasilien und Russland, was zum Einzug in die Runde der besten Sechs reichen würde.

Gegen Bulgarien gönnte Heynen wie schon gegen China den Wechselspielern kurzzeitige Einsätze. Das hebt die Laune der Beteiligten und erhöht in der Statistik deren Länderspiel-Berufungen.

Daneben ist die Verteilung der Belastungen eine immens wichtige Sache. Topangreifer Georg Grozer – Spitze bei Aufschlägen um die 128 km/h, ein Weltklassewert: "Nach sieben WM-Spielen seit dem ersten September merkt man das schon. Es kommt im weiteren Turnierverlauf darauf an, schlau seine Kräfte einzusetzen. Auch mal einen Punkt nicht mit vollem Krafteinsatz zu machen."

Denn die besten vier Teams werden bis zum Finale am 21. September in der Finalarena Spodek (Untertasse) 13 Spiele binnen drei Wochen in den Knochen haben!

Die Fußballer hatten in Brasilien über fünf Wochen inklusive des WM-Finals sieben Auftritte. Auch wenn deren Laufkilometer von Volleyballern in einer Partie unerreichbar sind – die Gegenüberstellung spricht Bände. Zumal den Kickern reichlich Ruhm und Ehre, sechsstellige Prämien und millionenschwere Werbeverträge winken! Die deutschen Volleyballer dagegen gehen leer aus, was Heynen schon mehrfach moniert hat.

Der vom Weltverband FIVB verordnete Modus – insgesamt 103 Spiele nach Vorrunde, zwei Zwischen- und der Finalrunde – zielt auf möglichst hohe Einnahmen. Durch Fernsehen und bei Sponsoren.

Trainer und Spieler sind dagegen machtlos. Versuchen sich halt durch lange Vorbereitung darauf einzustellen. Der Belgier – im Winterhalbjahr Klubtrainer in Bydgoszcz – siebte und testete den deutschen Kader in der Weltliga ab Mai teilweise ohne die als Profis in den nationalen Liga hochbeanspruchten Leistungsträger. Dann folgte die unmittelbare WM-Vorbereitung über acht Wochen mit dem Basislager im Bundesleistungszentrum Kienbaum. Zwischendurch mit Doppel-Testspielen in Polen und Italien sowie direkt vor dem WM-Start gegen die USA in Dessau/Nordhausen.

Weil Heynen glaubt, "dass die Breite des Kaders in einem so langen WM-Turnier entscheidend sein kann. Die Anforderungen mentaler und körperlicher Art sind groß. Mich würde nicht überraschen, wenn selbst Brasilien und Russland noch vor der Finalrunde verlieren."

Nach fünf WM-Siegen in Folge ist das Selbstvertrauen der Deutschen gewachsen. Körperlich sind sie noch gut beisammen. Haben noch keine Verletzungsausfälle wichtiger Akteure wie Polen, Frankreich oder Bulgarien zu verkraften. Der Zusammenhalt stimmt. Es gibt keine Neiderscheinungen, wenn einer nicht die erhofften Einsätze bekommt. Von der Altersstruktur (27,6 im Schnitt) und der Körpergröße  (2,00 m) sind sie auf einer Ebene mit den Favoriten. In punkto internationaler Erfahrung liegt das Aufgebot mit 112 Berufungen sogar mit ganz vorn.

Die offensichtlichen Schwächen von Medaillenanwärtern wie Kuba, Italien, Bulgarien und auch USA (bereits zwei Niederlagen gegen Iran und Frankreich) haben die Mannen um den deutschen Kapitän und Mannschafts-Rekordhalter (vor der WM  282 Länderspiele) Jochen Schöps in ihrer Zuversicht  bestärkt, 44 Jahre nach dem sensationellen WM-Triumph der DDR-Volleyblaler wieder  auf dem WM-Podest zu landen. Wenngleich speziell Schöps mahnt: "Die schweren Gegner kommen erst noch." Am Samstag beispielsweise Russland.

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