Die nervenstarke Sarholz stoppte Olympique Lyon
Nur beim DFB-Hallenpokal 2013, bei dem sie zur besten Torhüterin gekürt wurde, war sie für einen Tag wieder aufgetaucht. Wir erinnern uns: Turbine Potsdam siegte mit Elfmeterkrimi gegen Olympique Lyon. Die nervenstarke Sarholz stoppte Lyon im Finale, indem sie zwei Elfmeter hielt. Neun Stunden nach dem packenden Champions League-Finale sitzt die zweifache Torverhinderin Anna Felicitas Sarholz, vermummt wie ein Hollywoodstar mit Sonnenbrille, Kapuze und Boardkarte mit ihrem übergroßen Laptop auf dem Steinboden des Wartebereiches im Madrider Flughafen.
Ein scheinbar tot geglaubtes Spiel wurde gewendet
Kein Fluggast erkennt die Heldin, die die Fußball- Legionärinnen aus Lyon stoppte. Als Sarholz – übermüdet vom gemeinsamen Feiern im Restaurant Halifax bis 4 Uhr morgens – gegen 9 Uhr die Spanair-Maschine nach Frankfurt betritt, ahnt keiner der Mitreisenden, mit welch herausragender Leistung diese unbekannte groß gewachsene Frau zuvor vor 10.372 Zuschauern im Coliseum Alfonso Pérez im spanischen Getafe nahe Madrid in einem 7:6 Elfmeterschießen nach 120 Minuten Torlosigkeit mit geradezu tollkühner Virtuosität ein schon scheinbar verloren geglaubtes Fußballspiel der Königsklasse gewendet hatte.
Das Sarholz Duell mit Sarah Bouhaddi
Olympique Lyon glaubte wirklich schon den Sieg in der Tasche zu haben, bis zu dem historischen Zeitpunkt als die nervenstarke Heldin Anna Felicitas Sarholz trotz vorangegangener Schussfehler ihrer erfahrenen Team-Gefährtinnen, Jennifer Zietz und Anja Mittag, mit zwei sicheren Paraden die Elfmeter-Schüsse von Amandine Henry und der frisch eingewechselten norwegischen Stürmerin Isabell Lehn Herlovsen (90.) hintereinander in die richtige linke Ecke flog und hielt. Danach steigerte die tollkühne 17-jährige U17 und U19 DFB-Nationalspielerin mit pokerhafter Berechnung die Dramaturgie, indem sie selbst gegen ihre französische Konkurrentin im Lyoner Tor, Sarah Bouhaddi, zum Schuss antrat und sicher traf. Sarah Bouhaddi, wohl mit dem kabylischen, matrilinearen Temperament ihrer algerischen Vorfahren ausgestattet, reagierte im Gegenzug eiskalt und konterte den frechen Angriff der Potsdamerin Sarholz mit einem unhaltbaren Schuss.
Sekunden der Entscheidung
Die zahlreichen Fans aus dem Rhonetal waren hin und her gerissen zwischen enthusiastischer Freude und gespannter Resignation. Denn nach der Papierform waren Lyons Fußballlegionärinnen mit blonden und rothaarigen Skandinavierinnen aus Schweden und Norwegen, Brasilianerinnen, einer Schweizerin und einer Stürmerin aus Costa Rica wesentlich stärker einzustufen als die junge international unerfahrene Potsdamer Mannschaft mit einem Altersdurchschnitt von 20 Jahren. Als dann die neunte Lyoner Spielerin, die dunkelhäutige Stürmerin Élodie Thomis, an der Reihe war und beim 6:7 Spielstand für Potsdam zum Elfmeter antrat, hatte Potsdam mehr Glück als Verstand.
Die Entscheidung durch die Querlatte
Thomis traf nur die Querlatte. Die glückselige Anna Felicitas riss vor Freude die Arme hoch, tänzelte im Sekundenbruchteil auf der Stelle, um dann schnell laufend in die Mitte des Platzes, jubelnd verfolgt von ihrer gesamten Mannschaft, in den Mittelkreis zu rennen. „Das war wohl der Anfang einer großen Karriere“, bemerkte der französische UEFA Präsident Michel Platini gegenüber dem DFB Präsidenten Dr. Theo Zwanziger. Deutschlands Frauenfußballförderer Nummer 1 „Theo überall“ noch ganz perplex: „Das wird nix mehr, dachte ich.“ Turbine-Ehrenmitglied Zwanziger sprang mit einem Jubelschrei hoch, umarmte UEFA-Präsident Platini und herzte jede Spielerin im Konfettiregen der Siegerehrung.
Ana hat sich in den letzten Wochen sehr gut entwickelt
Und weiter: „So was habe ich lange nicht mehr gesehen. Es war unglaublich, einfach fantastisch, so nervenaufreibend. Ich bin extrem stolz auf alle.“ . „Ich bin eben eine coole Sau", meinte Torfrau “Felix“ Sarholz, nachdem sie für Turbine den Sieg in der Champions League gesichert, dabei zwei Elfmeter gehalten und noch einen selbst im Elfmeterschießen verwandelt hatte Im heutigen Mega Spiel gegen den VfL Wolfsburg werden die Turbinen des Jahres 2014 eine Revanche für das Ausscheiden gegen die Grün-Weißen im Halbfinale der UEFA Women ´s Champion League liefern. Im Auswärtsspiel bei der SGS Essen saß die Heldin von Madrid erstmals wieder auf der Turbine Ersatzbank. „Ana hat sich in den letzten Wochen sehr gut entwickelt. Gegen Essen kam ein Einsatz aber noch zu früh", bemerkte Potsdams Cheftrainer Bernd Schröder im direkten Anschluss an die Partie gegen die SGS Essen.
Potsdam möchte die offene Rechnung begleichen
Schon mit einem Remis würde Turbine Potsdam die Bundesliga-Tabellenführung vom 1. FFC Frankfurt übernehmen, sondern den Abstand zum VfL Wolfsburg weiterhin auf vier Punkte Distanz halten. Bei einem Sieg mit drei Punkten wären es sogar sieben Zähler. Damit stünde das große Saisonziel Champions League Qualifikation so gut wie in trockenen Tüchern. Ebenso bliebe der Meistertitel weiterhin in greifbarer Nähe. Die Wolfsburgerinnen werden versuchen es zu verhindern. Nach 28 Ligapflichtspielen ohne Niederlage im eigenen Stadion hoffen die Wölfinnen darauf, weiterhin ungeschoren davon zu kommen. Ausgerechnet gegen den großen Kontrahenten im Kampf um die ersten beiden Plätze möchten die Grün-Weißen nicht verlieren. Potsdam dagegen aber möchte die offene Rechnung heute Abend begleichen – mit der Heldin von Madrid im Tor. Die damaligen Turbinen, die mit Sarholz die Königsklasse gewannen, Nadine Keßler und Josephine Henning, und heute Schlüsselspielerinnen bei den Grün-Weißen geworden sind, stehen dem VfL Wolfsburg nicht zur Verfügung. Sie sind verletzt. Spannender geht es nicht.
Schröder: Wir funktionieren als Mannschaft
„Wolfsburg hat gute Einzelspielerinnen, die vom Niveau her besser sind als unsere“, so Schröder. „Doch wir funktionieren als Mannschaft und müssen über den Zusammenhalt Spielerinnen wie Alexandra Popp, Martina Müller oder Conny Pohlers ausschalten. Turbine Nationalspielerin Tabea Kemme meint: „Wir haben nach dem Champions-League-Aus gegen Wolfsburg noch eine Rechnung offen. Wir müssen hinten souveräner stehen, Druck nach vorne machen und die Lücken nicht zu groß werden lassen. Dann wird Wolfsburg an uns zu knabbern haben.“