Seinerzeit stellten die Palästinenser in diesem Teil des Osmanischen Reiches die Bevölkerungsmehrheit, der jüdische Anteil betrug weniger als zehn Prozent. Die Staatsgründung Israels 1948, der Sechs-Tage-Krieg 1967 und die 1. Intifada (1987-91) verschärften den Konflikt weiter. Nach dem Palästinenseraufstand redeten auf der Konferenz von Madrid 1991 erstmals israelische und palästinensische Politiker in aller Öffentlichkeit miteinander.
In diesen letzten 23 Jahren – das ist eine Generation in palästinensischen Zeitmaßstäben – hat sich das Leben der Palästinenser dramatisch verschlechtert. Israel hat das System der Passierscheine eingeführt, den Siedlungsbau beschleunigt und Tausenden von Palästinensern das Aufenthaltsrecht aberkannt – um nur drei Facetten des Besatzungsregimes zu nennen. Wegen des ungelösten Konflikts haben seit 1987 mit fast 8300 gegenüber knapp 1050 Israelis fast achtmal so viele Palästinenser ihr Leben gelassen.
Dass der gewaltlose Verhandlungsweg keine Lösung des Konflikts gebracht hat, hat gemäßigte Palästinenser geschwächt und einen Wasserfall auf die Mühlen der Hamas geleitet. Auch deshalb gewann sie 2006 völlig überraschend die Wahlen. Nach dreijähriger Eiszeit wurden im vergangenen Sommer die Verhandlungen wieder aufgenommen. Binnen neun Monaten wolle man ein Friedensabkommen schmieden, hieß es ehrgeizig; schon George W. Bush hatte ein solches bis zum Ende seiner Amtszeit versprochen. Trotz der regelmäßigen Pendeldiplomatie von US-Außenminister Kerry sind die Gespräche, auch wenn der Stichtag erst am 29. April ist, praktisch gescheitert. Woran lag es?
Während Palästinenser von Orangen reden, sprechen Israelis über Zitronen. Über vier Millionen Palästinenser leben seit dem Sechs-Tage-Krieg unter israelischer Besatzung. Nur wenige israelische Politiker geben daszu. So sagte der israelische Wirtschaftsminister Bennett, man könne sein eigenes Haus doch nicht besetzen. Diese dreiste Ignoranz, die in Israel weitverbreitet ist, grenzt schon an Autismus.
Zweitens: Anstatt, wie vereinbart, die vierte und letzte Gruppe an Häftlingen freizulassen, verkündete Israel kürzlich den Bau von neuen Wohneinheiten in den besetzten Gebieten. Damit erfüllt sich ein weiteres Mal, was Palästinenser gerne so umschreiben: Während wir über die Aufteilung der Pizza diskutieren, isst Israel die Pizza auf. Doch ist dies seit der Wiederaufnahme der Gespräche nicht das einzige Misstrauenssignal Israels an die Palästinenser: Die Zahl der Militärrazzien im West-Jordanland wurde beträchtlich erhöht und 2013 zerstörte Israel 98 palästinensische Häuser in Ost-Jerusalem – fast doppelt so viele wie in den beiden vorherigen Jahren zusammen.
Drittens: US-Präsident Obama hat offenbar ein Friedensabkommen ad acta gelegt. Er scheint sich für Israel und Palästina gar nicht mehr zu interessieren. Seinen Außenminister Kerry lässt er völlig im Stich. Kritische Töne an die Adresse von Netanyahu hört man von Obama seit Jahren nicht mehr. Obama ist für das israelische und palästinensische Friedenslager eine einzige Enttäuschung.
Viertens, und das ist das Wichtigste: Sicher wurde bei den nun abgestorbenen Gesprächen auch über Heikles wie Israels Grenzen, Wasserverteilung oder die Entschädigung der palästinensischen Flüchtlinge von 1947-1949 gesprochen. Eines jedoch geschah nicht: Man hat den vermeintlichen Feind nicht um Verzeihung gebeten. Das aber wäre der Eckstein aller ernsthaften und gutwilligen Gespräche: Dass nämlich Israelis die Palästinenser für die Nakba (arab. für Katastrophe), die Vertreibung und Flucht von einer drei Viertel Million Palästinenser zwischen 1947 und 1949 sowie für die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen um Verzeihung bitten; und Palästinenser ihrerseits die Israelis für das durch Entführungen, Geiselnahmen und Selbstmordattentate verursachte Leid. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ähnlich der in Südafrika ist zwischen Mittelmeer und Jordanfluss unabdingbar. Erst dann kann man in guter, ehrlicher Absicht verhandeln.