Dietrich W. Hilsdorf weiß in seiner Bonner „Aida“-Inszenierung um die Wirkung eines solchen Bittrituals und kostet es wirkungsvoll aus. Mit einem archaisch anmutenden Menschenopfer, durch das vor der Schlacht der Sieg des ägyptischen Feldherrn Radames (George Oniani) über die angreifenden Äthiopier suggestiv beschworen wird.
Militärische Siegesrituale
Der ersehnte militärische Erfolg bleibt nicht aus. Doch Hilsdorfs Inszenierung beschränkt sich vor dem Hintergrund von Verdis triumphaler Musik nicht auf die prunkvolle Ausgestaltung einer pompös zelebrierten Heimkehr des siegreichen ägyptischen Heeres. Vielmehr reiht er nicht ohne humorvollen Hintergedanken ein militärisches Siegesritual an das andere, um dieses durch augenzwinkernde Übertreibung im selben Augenblick gleich wieder der Lächerlichkeit preiszugeben.
Wenn beispielsweise, politisch völlig unkorrekt, die abgehackten Arme der besiegten Gegner triumphierend in Körben durch die Menge getragen werden. Und Uralt-Veteranen längst geschlagener Schlachten dem Pharao (Priit Volmer) in Erinnerungen schwelgend ihre Reverenz erweisen. Auch wenn Söhne und Töchter gefallener Soldaten jubelnd den König grüßen und Kriegerwitwen ihre Kinder dem nächsten Krieg weihen.
Eleganter Rundumschlag
Bei seinem gekonnt eleganten Rundumschlag gegen den Wahnsinn des Krieges versteht es Hilsdorf vortrefflich, mit ausgefallenen Überraschungen den gesamten Theaterraum in das Geschehen einzubeziehen. Indem er beispielsweise während der Triumphfeierlichkeiten das gesamte Orchester mitten auf der Bühne platziert und mit dem Auftritt von Chor (Volkmar Olbrich) und Statisterie in den Zuschauerrängen eine allgegenwärtige Volksfeststimmung erzeugt.
Bis hinaus ins Foyer, in dem sich – als besonderer Gag – beim Herausströmen des Publikums nach dem 2. Akt das Reinigungspersonal des Hauses bereits betriebsam mit rauschenden Staubsaugern der Beseitigung des Sieges-Konfettiregens annimmt. Bei einer ans Karnevalistische grenzenden Heiterkeit, die durch mehrsprachige Ansagen des Siegesfeier-Festkomitees noch unterstützt wird. Ist dies einer der Gründe, warum Hilsdorf das Geschehen an den Rhein bei Bonn mit seinem schräg gegenüber liegenden Siebengebirge verlegt?
Innere Zerrissenheit
Die von Hilsdorf im zentralen Teil der Oper in Szene gesetzte aufgelockerte Atmosphäre kann jedoch nicht hinwegtäuschen über die Dramatik und Ernsthaftigkeit der Rahmenhandlung, die sich in großen Gefühlen offenbart. Vor allem in der inneren Zerrissenheit der äthiopischen Prinzessin Aida (Yannick-Muriel Noah), die sich als Sklavin am ägyptischen Hof in ihrer Liebe zu Hauptmann Radames dem beißenden Spott ihrer Rivalin, der Königstochter Amneris (Chariklia Mavropoulo), ausgesetzt sieht.
Zerrissen auch von der Spannung zwischen dem Gehorsam zu ihrem Vater, dem äthiopischen König Amonasro (Mark Morouse) und der Loyalität zu ihrem Geliebten Radames. Zwei in der Person der Aida sich kreuzende Konfliktlinien, die diese aus einer anfänglichen Position der Schwäche heraus mit bewundernswerter Ausstrahlung und Souveränität in ihrem Sinne zu beeinflussen versteht. Ohne sich dabei von Drahtziehern wie dem Hohepriester Ramfis (Rolf Broman) in ihren Gefühlen vereinnahmen zu lassen.
Bemerkenswerte Frische
So ist es nicht nur die originelle und zugleich wunderbar einfühlsame Inszenierung Dietrich W. Hilsdorfs, die das Publikum in Begeisterung versetzt. Auch das Beethoven-Orchester Bonn unter der musikalischen Leitung von Will Humburg begibt sich trittsicher auf die von Verdi vorgegebene musikalische Fährte. Und nicht zuletzt ist es das junge Ensemble von Sängerinnen und Sängern, das mit bemerkenswerter Frische den Bonner „Aida“-Opernabend zu einem außergewöhnlichen Erlebnis werden lässt.
Weitere Aufführungen: 4., 20., 30. April, 17., 25., 31. Mai, 15., 18., 21., 29. Juni 2014