Nadine Kessler führte Regie mit Augenmaß
In der ersten Halbzeit wirkte der ersatzgeschwächt angetretene FF USV wie gelähmt vor den großen Namen in Reihen des VfL, der von Beginn an die Parole „Alles auf Angriff“ umsetzte. Alexandra Popp wirbelte über links, die Ungarin Zsanett Jakabfi über rechts, Nadine Keßler führte im Mittelfeld mit viel Augenmaß Regie und bediente ihre Mitspielerinnen fast nach Belieben. Die Gäste, die neben den Langzeitverletzten Sabine Schmutzler und Laura Keller auch auf Amber Hearn, Ria Percival und Vivian Beil verzichten mussten, fanden in der Anfangsviertelstunde kaum Gelegenheit, sich offensiv einzubringen. Wolfsburg fing schon an der Mittellinie alle Versuche eines Jenaer Vorstoßes ab und setzte mit schnellen Kombinationen die USV-Defensive gehörig unter Druck.
Famose Einzelaktionen von Martina Müller
Die besten Möglichkeiten zur im Minutentakt in der Luft liegenden Führung vergaben Jakabfi mit einem Distanzschuss neben das linke Toreck und Verena Faißt, die einen Freistoß aus gut dreißig Metern Entfernung an die Unterkante der Latte setzte. Wie aus dem nichts eröffnete sich Mitte der ersten Halbzeit eine Chance für die Gäste. Susann Utes nahm aus zentraler Position Maß und verfehlte das Tor von Nationalkeeperin Almuth Schult nur knapp. Wolfsburg blieb spielbestimmend und fand nach einer halben Stunde erstmals ein probates Mittel, die Abwehr um Carolin Schiewe, Abby Erceg und Co. entscheidend zu knacken. Martina Müller nahm ein Anspiel über rechts auf, tankte sich in den Strafraum und vollendete aus Nahdistanz zum hoch verdienten 1:0. Auch der zweite Wolfsburger Treffer resultierte aus einer Einzelaktion der quirligen Offensivspezialistin. Erneut spielte Müller bei einem Angriff über rechts ihre Routine aus, passte auf Popp, die sich am linken Fünfmetereck unbedrängt die Ecke aussuchen konnte.
Urplötzlich frischer Wind in Jenas Offensive
Mit dem für die Gäste schmeichelhaften 2:0 ging es in die Pause. Nach dem Wechsel setzte der VfL sein druckvolles Offensivspiel fort. Für die Jena Frauen hatte so auch weiterhin das Verteidigen oberste Priorität. Allerdings zeigte sich Jenas Abwehr nach der Halbzeitansprache von Cheftrainer Daniel Kraus sichtlich stabiler, Zweikämpfe wurden konsequenter angenommen und zumindest ansatzweise war ein Spielaufbau zu erkennen. In der Folge sahen die fast 1000 Zuschauer vermehrt Jenaer Bemühungen in der gegnerischen Hälfte. In diese Phase der Besserung platzte zehn Minuten vor dem Ende das 3:0, das Lena Goeßling mit einem Sonntagsschuss markierte. Wer jetzt aber dachte, die Wölfinnen würden den sicheren Vorsprung leicht und locker über die Zeit bringen, hatte den FF USV nicht auf der Rechnung. Die für die angeschlagene Susan Urtes eingewechselte Vanessa Müller brachte frischen Wind in Jenas Offensive.
Gegen Ende Jenas Kombinationsfußball vom Feinsten
Nach einem Solo über links drang die 19-Jährige in den Strafraum ein und legte das Leer quer auf Christina Julien, die den Ball auf die besser postierte Julia Arnold verlängerte. Jenas Nummer 31 setzte die Kugel zum 1:3 ins Wolfsburger Netz. Plötzlich zeigten die Thüringerinnen Kombinationsfußball vom Feinsten. Wolfsburg schien vom Gegentreffer völlig aus dem Konzept gebracht, Unsicherheiten schlichen sich ein und ermöglichten weitere Jenaer Chancen. Carolin Schiewe nutzte kurz vor Ultimo eine dieser Gelegenheiten und hämmerte den Ball von der Strafraumgrenze zum 2:3 in die Maschen. Als sich Schiewe wenig später zu einem Kopfball hochschraubte, den aber nicht voll erwischte, herrschte für einen kurzen Moment absolute Stille im Stadionrund. Der Universitätssportverein Jena verkaufte sich trotz großer Personalsorgen mehr als achtbar gegen Europas erfolgreichste Vereinsmannschaft der letzten Saison.
Die Stimmen der beiden Cheftrainer
Daniel Kraus (FF USV Jena):
„Emotional war das heute eine bittere Niederlage. Nach einer solchen Aufholjagd hätten wir gerne einen Punkt mitgenommen. Die erste Halbzeit haben wir verschlafen und waren mit dem 0:2 noch gut bedient. Da hätten wir auch 0:5 zurückliegen können. Nach der Pause haben wir unsere Grundordnung wiedergefunden. Auf zu einfache Weise haben wir dann aber den dritten Treffer kassiert. Wenn man nach hinten heraus noch zwei Tore schießt, dann möchte schon man gern etwas mitnehmen. Allerdings ist Wolfsburg auch keine Mannschaft, gegen die man unbedingt mit einem Punktgewinn rechnet. Leider haben wir wie gegen Potsdam in der ersten Hälfte zu viel Respekt gezeigt. In der Pause habe ich an die Mannschaft appelliert: Was wollen wir hier eigentlich? Ist das ein Betriebsauflug oder wollen wir Punkte mitnehmen? Danach hat die Mannschaft Moral bewiesen. Deshalb ist es schade, dass uns der Ausgleich nicht gelang:“
Ralf Kellermann (VfL Wolfsburg):
„Über 80 Minuten haben wir ein richtig gutes Spiel hingelegt. Trotz klarer Überlegenheit waren wir zwar nicht konsequent genug, der letzte Pass hat manchmal nicht gestimmt. Auch haben wir vor allem in der ersten Halbzeit wieder viele Chancen liegen lassen. Dennoch hatten wir die Partie aber absolut im Griff. Man hat gemerkt, dass die Mannschaft genau wusste, worum es geht. Was nach dem 3:0 passiert ist, das ist eigentlich unerklärlich. Ein solches Spiel muss man unbedingt zu Null spielen. Unterm Strich stelle ich aber ganz klar das Positive heraus. Die Mannschaft hat nach der Niederlage in München die richtige Reaktion gezeigt. Auf dieser Leistung können wir aufbauen und nun mit einem positiven Erlebnis in die englische Woche gehen.“
So spielten sie im Stadion am Elsterweg in Wolfsburg:
VfL Wolfsburg vs. FF USV Jena 3:2 (2:0)
VfL Wolfsburg:
Schult – Wensing, Henning, Fischer, Bunte – Jakabfi, Keßler, Odebrecht (63. Goeßling), Faißt (62. Magull) – Popp, Müller (83. Damnjanovic) – Trainer Ralf Kellermann
FF USV Jena:
Michel – Brosius, Schiewe, Erceg, Seiler – Löser, Utes (74. Müller), Arnold, Lagaris – Landeka – Julien – Trainer Daniel Kraus
Tore: 1:0 Müller (28.), 2:0 Popp (35.), 3:0 Goeßling (80.), 3:1 Arnold (84.), 3:2 Schiewe (87.)
Gelbe Karte: Landeka
Zuschauer: 989
Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh (Potsdam)