Der „rote“ Nil oder Wieder eine schlimme, eine blutige Woche mit Dutzenden Toten und Dutzenden deutsche Journalisten – Serie: In Ägypten nichts Neues (Teil 1)

Nach dem Sturz des in der Geschichte Ägyptens ersten frei gewählten Präsidenten wird dieser in Gefangenschaft gehalten. Gleichgeschaltete Sicherheitskräfte aus Geheimdiensten, Polizei und Armee fallen in die Gotteshäuser, Parteizentralen und Verwaltungsbüros der Opposition ein. Selbst in den eigenen vier Wänden, in ihren Wohnungen, sind die Gegner des Regimes nicht mehr sicher. Eine Welle von Verhaftungen überzieht das Land. Ein Verbot folgt auf das nächste.

Nach dem Putsch der Generäle

Die Gefängnisse in Ägypten sind seit dem Putsch der Generäle überfüllt mit Oppositionellen. Schreckliche Bilder tauchen täglich in den sozialen und neuen Medien auf. Meldungen über Folterungen mehren sich. Mit Notstandsgesetzen und Ausnahmezuständen regieren die Herrschenden über Ägypten. Pardon wird nicht gegeben.

Nach der Konterrevolution, die auf den Sturz des langjährigen jegliche Opposition unterdrückenden Diktators Husni Mubarak folgte, sitzt das Militär wieder im Sattel. Der bereits wegen unzähliger Verbrechen in seiner fast 30 Jahre währenden Herrschaft, die auf Unterdrückung der Opposition, Überwachung des Volkes und Strafen gegen jeglichen Protest mit willkürlichen Verbringungen in die berüchtigten ägyptischen Foltergefängnisse beruhrte, zu lebenslanger Haft verurteilte Militär Mubarak, wurde nach dem Putsch der Generäle aus der Haft entlassen. Der vor zwei Jahren gestürzte Massenmörder, der sich wegen des Todes von mehr als 800 Demonstranten bei den damaligen Massenprotesten verantworten mußte, dieser alternde Despot ist wieder ein freier Mann.

Muslimbruder Mursi

Der gestürzte Präsident Mohammed Mursi. © dapdAlle Schrauben für innenpolitische Änderungen unter dem gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi, der sich mühte Macht und Herrschaft der Militärs und die Korruption der alten Eliten einzuschränken, sind zurückgedreht worden.

Selbst die außenpolitischen Weichenstellungen, die auf ein Ende der Rolle als US-amerikanischer Vasallenstaat am Suez-Kanal deuteten und auf eine Entwicklung weg vom "Westen" hin zu einer panarabischen Achse, wenn auch unter grünem Banner, wiesen, und den BRICS-Staaten, scheinen zurückgenommen. Auch in der Region eckte Mursi an, bot Israel hier und dort die Stirn. Unter dem Mann der Muslimbrüder, der mehr Islam und weniger "Westen" wollte, wurde zudem in einem Sportstadion in Kairo vor Tausenden Anhängern der Abbruch der Beziehungen zum laizistischen Assad-Regime in Syrien verkündet.

Innenpolitisch hörten die Schikanen gegen Andersgläubige, Schiiten und vor allem orthodoxe Christen im Vergleich zur den Jahren unter Diktator Mubarak nicht auf. Ausschreitungen bis hin zu Pogromen vermochte Mursi nicht in die Schranken zu weisen. Im Gegenteil: Der Vorwurf, der Staat stecke mit dem Mob unter einer Decke, wurde erhoben.

Wer jedoch dem wenn auch knapp aber zumindest demokratisch gewählten Präsidenten Mursi unterstellt, dass die Wirtschaft unter ihm den Bach runtergegangen sei, der möge sich die Zahlen nehmen und sich an die Fakten halten. Die Abwärtsbewegung erfolgte bereits unter Mubarak. Die Produktivität nahm stetig ab, neue Arbeitsplätze wurden trotz steilem Anstieg der Bevölkerungszahl nicht geschaffen. Unter Mubarak wuchs eine Jugend ohne Perspektive heran. Millionen Menschen starker Protest und Widerstand der Belogenen und Betrogenen waren anfangs Hungeraufstände. Doch die Wut wuchs und die Forderungen nach mehr Lohn und Brot, die erst im Internet gezwitschert, gebloggt und dann auf den Straßen gerufen wurden, garnierten die Aufständischen mit Forderungen nach politischen Freiheitsrechten.

Weniger Handels- aber mehr Hochseekreuzfahrt- und Kriegsschiffe passieren den Suez Kanal in Ägypten. © U.S. NavyZudem schwanden an der Hauptquelle Ägyptens, am Suez-Kanal, mit schwindender Weltwirtschaft die Einnahmen und auch die Gewinne aus dem Geschäft mit den Reisenden schrumpften rapide. Wurden 2010 noch annähernd 15 Millionen Touristen gezählt sackte die Zahl zwei Jahre später auf unter 10 Millionen.

Nach der Revolution genannten Revolte mit Personalwechseln an einigen, aber längst nicht allen, entscheidenden Schaltstellen im Staat und ersten freien Wahlen, verließen viele Millionäre und Milliardäre Hals über Kopf das Land und nahmen Koffer voller Gold mit. Das ägyptische Pfund fand sich im freien Fall. Die Schulden des Staates explodierten. Unter den Pyramiden stiegen die Preise für Brot und Benzin trotz staatlicher Subventionen weiter.

Schuld daran waren nicht Mursi und die Muslimbrüder sondern die kapitalistische Clique, die mit dem, was sie hatte, mit ihren gigantischen Bergen voller Geld, gegen den neuen Präsidenten vorging. Mursi mußte bei "seinen arabischen Brüdern" in den Palästen betteln wie die Unterschichten seines Staatsvolkes auf der Straße. Die sunnitischen Herrscherfamilien in Saudi-Arabien und vor allem in Katar ermöglichten Mursi in Kairo kurz Luft zu holen. Doch mit einer vitalen Finanzspritze erwies sich der demokratisch gewählte Präsident im Amt nicht als Demokrat.

Ping Pong zwischen Naguib Sawiris, Mahmud Badr und Abdel Fattah al-Sisi

Al-Sisi mit seinen Putsch-Generälen samt dem mittlerweile fahnenflüchtigen ElBaradei. © WELTEXPRESS (Screenshot von Al Jazeera TV)Das Despotische kam in der sunnitisch-islamischen Welt zwar gut an, Geld wurde gegeben, doch der Karren fuhr weiter und immer tiefer in den Dreck, dorthin, wo ihn die alten Eliten, die diesen Weg unter Mubarak eingeschlagen hatten, haben wollten. Gleichzeitig planten sie den Putsch der Generäle unter Armeechef Abdel Fattah al-Sisi planten und bauten "Tamarud" als politischen Arm auf der Straße zu ihrer Sturmabteilung gegen die Moslimbrüder.

Kapitalisten und Großbeourgoisie – allen voran Naguib Sawiris, der nicht nur als reichster Mann Ägyptens sondern gleich ganz Afrikas gilt, ziehen die Fäden und überweisen Millionen aus ihren Palästen in die Hütten der Straßenkämpfer, an deren Händen Blut klebt.

Ein Putsch mit Ansage oder Halb zog sie ihn, halb sank er hin

Muslimbrüder und Anhänger von Mursi demonstrieren in Kairo (Archivbild 2013). © dapdMahmud Badr, der Koordinator der Tamarud-Bewegung, rief mit prallem Portemonnaie auf, sich gegen Mursi und die Muslimbrüder zu wenden und zu wehren. Er bildete Bürgerwehren. Die von Tamarud ver- und geführten Massen gingen gegen Mursi auf den Tahrir Platz und spielten ihren Part in einer Schmierenkomödie, die unter der Rubrik Revolte abgehakt wurde. Al-Sisi verkündete seine Solidarität. Finale und fertig war der Putsch mit Ansage.

Anschließend hielt al-Sisi, der seine Männer gerne mal "Jungfräulichkeitstests" durchführen lässt und durchblicken ließ, daß der Putsch von langer Hand, die bis in die USA und zur CIA reiche, nicht nur mit “dem Druck der Straße” – Halb zog sie ihn, halb sank er hin – zu begründen sei, eine Rede an der Militärakademie in Kairo. Er rief nach dem Militärputsch zu Massendemonstrationen auf – unter Führung der Tamarud. Das Volk solle "auf die Straße gehen, um mir das Mandat und die Vollmacht zu geben, Gewalt und Terrorismus zu beenden".

Wenn der Pharao mein Herr, befiehlt, werde ich, sein Knecht, befolgen, sprach der Mob. Im Zusammenspiel der gesellschaftlichen und staatlichen Kräfte übernahm al-Sisi zusätzlich zum Verteidigungsressort auch den Posten eines ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten. Al-Sisi hat als vorgeschobener Führer, der sich hinter seinen Marionetten hält und mitunter kleiner macht, als er ist, hunderte Tote und tausende Verletzte nach dem Putsch der Generäle zu verantworten.

Damit die neue Dikatur einen demokratischen Anstrich bekommt, schickte der Soldat al-Sisi mit Adli Mansur einen Zivilisten als "Übergangspräsidenten" und mit ihm eine "Übergangsregierung" vor die Augen und Ohren der Welt, vor Mikrofone und Kameras.

Was folgte waren Beteuerungen und Beschwichtigungen. Milch und Honig sollten wieder fließen und nicht nur der Nil. Neuwahlen noch in diesem Jahr wurden versprochen. Gehalten wurde das Gegenteil.

Vor der häßlichen Fratze der Diktatur soll es so "demokratisch" wie möglich aussehen. Die eigenen Hofberichterstatter und Lohnschreiber sowie die aus dem "Westen" sollen diese Inszenierung von Politik hinaus in die Welt tragen, damit die Milliarden weiter aus den USA und wieder aus dem gesamten "Westen" fließen, denn Katar stellte seine Unterstützung nach dem Putsch umgehend ein und fordert seitdem sein Geld zurück.

Ägypten – abhängig von Amerika

© dapdÄgypten hängt unter den herrschenden Militärs mit ihrer "Übergangsregierung" tituliertem Marionettenkabinett wie eh und je am Sternenbanner-Tropf. Die USA leisten Ägypten weiter militärische Hilfe. Jährlich fließen rund 1,5 Milliarden US-Dollar an Putsch-General al-Sisi "and his friends", die auch schon unter Mubarak hohe Posten bekleideten und in erster Linie für ihre wirtschaftlichen Interessen kämpfen, nicht für Ägypten.

Al-Sisi und die Seinen posauenen zwar unisono, dass Volk und Militär eine Hand seien, doch die von der korrupten Clique am Nil, die den militärisch-industriellen Komplex beherrscht, ins Leben gerufene und in Szene gesetzte Tamarud macht nicht nur den Mursi-Anhängern und den Muslimbrüdern das Leben schwer, sondern auch liberalen und fortschrittlichen Kräften. Dort, wo Tamarud nicht weiter weiß, greifen die gleichgeschalteten Sicherheitskräfte der Militärdiktatur ein.

Die Hand, die mich füttert, gegen die schreibe ich nicht

Blutüberströmter Demonstrant (Archivbild). © dapdIn der Gesellschaft wird der Kampf um Ägypten ausgetragen. Interessen konfligieren zur Krise bis Blut strömt. Organisierte Arbeiter und ihre Gewerkschaften werden unter Druck gesetzt und vor die Wahl gestellt: sich anzupassen und für Hungerlöhne zu arbeiten oder mit leerem Magen Moral zu zeigen. Die Presse in der aktuellen kapitalistischen Klassengesellschaft Ägyptens wird wieder gleichgeschaltet. Journalisten müssen Mursi und alles, was in seiner kurzen Amtszeit geschah, schlechtschreiben, den blutigen Militärputsch als "neue Revolution" und den Neusprech von der Einheit von Volk und Armee preisen. Wer statt vom Hof zu berichten über diesen aufklären will, wird nicht nur schikaniert und vor die Tür gesetzt, dem droht Haft, der verschwindet von der Bildfläche.

Schlimmer noch: Eines der noch unabhängigen ägyptischen Infoportale namens "Rassd News Network" (www.rassd.com) veröffentlichte eine Aufnahme, in denen Diktator al-Sisi vor Armeeangehörigen über seine Visionen von Ägypten redet. Darüber informiert Fabian Köhler am 08.10.2013 in "Neues Deutschland" unter dem Titel "Gewalt in Ägypten: »Wir müssen die Ketten erneuern«". Wahrhaftig, der Diktator bedauert, dass der Sturz von Mubarak im Januar 2011 zu mehr Medienfreiheit geführt habe: "Vor dem 25. Januar hatte niemand das Recht, irgendetwas über die Armee zu veröffentlichen, ohne es an den Militärgeheimdienst weiterzuleiten." Seine Generäle, Offiziere, Soldaten hetzt er auf, fordert Geschlossenheit beim Unterdrücken: "Wir müssen die Situation soweit wie möglich unter Kontrolle bringen, indem wir die Ketten erneuern und die Herausforderung gemeinsam annehmen."

Seinen Soldaten sicherte der skrupellose Diktator Straffreiheit zu: "Die Armee hat Angst vor Verhaftungen und Gerichtsprozessen, wenn sie mit Gas schießen oder Demonstranten verwunden. Aber ich sage euch: Das ist jetzt anders. Niemand wird vor Gericht gestellt werden, weil er Demonstranten verletzt und die Demonstranten wissen das.“

Menschenrechte werden in Ägypten mit Füßen getreten

Die ägyptische Armee hat Blut an den Händen. © dapdHunderte Tote, tausende Verletzte, tausende Oppositionelle in den Gefängnissen des Regimes. Schikanen, Repressionen, Unterdrückung. Menschenrechte stehen in Ägypten nach dem Putsch der Generäle nur auf dem Papier. Sie werden wie Menschen mit Füßen getreten. Den Regierenden der heimlichen Herrscher am Nil ist jedes Mittel recht, nach dem Sturz von Mursi der brutalen, blutigen Unterdrückung von Millionen von Ägyptern durch das Militär ein Feigenblatt vorzuhalten, damit die Stimmung in und um Ägypten steigt. Die Reiselaune bei den Touristen soll erneut entfacht werden, Millionen fließen in neue PR-Projekte und Werbe-Kampagnen, auf dass die Geber des Geldes wieder einfliegen an den “roten" Nil und das Rote Meer, so dass die Quellen für die Millionäre und Milliardäre wieder sprudeln.

Im "Haus der chemischen Kriegsführung" redete al-Sisi weiter und sagte zum Verhältnis von Militär und Medien: "Wir müssen uns gegenüber den Medien auf andere Weise präsentieren. Wir müssen überall im Land neue Bündnisse errichten und die Zeit, die uns zur Verfügung steht, nutzen, um Menschen zu beeinflussen und bessere Ergebnisse zu erreichen.“

Da kommen Dutzende "Journalisten" aus Deutschland, die der Diktator eingeladen hatte, gerade recht und billig sind die scheinbar auch. Während Dutzende Demonstranten mit Wut im Bauch und heißen Herzens für den gestürzten Präsidenten Mursi demonstrierend von den Soldaten des Diktators al-Sisi erschossen wurden und in Blut badeten, fuhren die deutschen "Journalisten" mit den Vertretern der Junta auf einem luxuriösen Kreuzfahrtschiff auf dem Nil, planschten im Pool und tranken kühle Cocktails.

– Fortsetzung folgt –

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