Wenn Gina Henkel zu Beginn ihres Soloabends die Nervosität vor ihrem Auftritt gestaltet und deutlich macht, dass sie lieber bei den beiden Musikern Christian Wisch und Stephan Zunhammer im Hintergrund bleiben würde, dann ist das mehr als ein hübscher Regieeinfall. Gina Henkel zeigt sich als sie selbst, eine von ihrer Berufung besessene Schauspielerin, die von Lampenfieber geschüttelt wird, bevor sie sich beherzt und beherrscht ins Rampenlicht hinaus wagt. Damit befindet sie sich auf einer Linie mit der Heldin Johanna, die ebenfalls nicht von Natur aus mutig war und mit diversen Ängsten zu kämpfen hatte.
Gina Henkel brilliert als Johanna in Auszügen aus den Dramen von Schiller über Shaw bis Anouilh, springt blitzschnell und mit nur wenigen, jedoch charakteristischen, Veränderungen in die Rollen von Johannas Dialogpartnern und steigt immer wieder ungläubig staunend oder verlegen lachend aus der Darstellung aus. Allein diese Präsentation von schauspielerischer Wandlungsfähigkeit und der Leichtigkeit, mit der Gina Henkel agiert und durch Tempoverschiebungen Spannung erzeugt, macht diesen Abend zu einem wundervollen Erlebnis.
Aber es geht um mehr als um die ganz uneitel dargebotenen komödiantischen Glanzleistungen. Die Pausen, die Anne Schneider in all ihren Inszenierungen so wirkungsvoll einzusetzen versteht, prägen auch ihre neue Regiearbeit, ziehen hier, wie schwarze Löcher, das Publikum in die fremde Dimension der Bühnenwirklichkeit hinein, die auf diese Weise nicht von außen betrachtet, sondern unmittelbar erlebt und erfahren wird.
Gina Henkel erkundet das Erfolgsgeheimnis berühmter Frauen. Bei Johanna lag es vielleicht in der Naivität, mit der sie ganz selbstverständlich anscheinend Unmögliches verlangte. Das verbindet sie mit der Schauspielerin Ingrid Bergman, die Johanna im Film verkörperte und die sich zu Beginn ihrer Karriere geweigert hatte, ihren Namen zu ändern und ihre Nase operieren zu lassen und so die erste „natürliche Schauspielerin“ in Hollywood wurde.
Anna Bergemann, verantwortlich für Bühne und Kostüme, hat die wenigen Ausstattungsstücke sorgfältig gewählt und arrangiert. Auf der Rückwand der Spielfläche vor der Zuschauertribüne erscheint mehrfach als Projektion ein stilisiertes Weizenfeld, einmal auch ein ebenso stilisierter Scheiterhaufen, Dekoration, die Gina Henkel einfordert, um Schauplätze nicht ausschließlich durch ihre Imagination entstehen zu lassen.
Um den Brustpanzer und den Helm, die, leicht angerostet, auf einem Stuhl links vorn liegen, schleicht Gina Henkel lange nur respektvoll herum. Am Anfang trägt sie ein schwarzes Trikot, einen Pullover und eine Wollmütze. Später zieht sie ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen im Stil der 1930er Jahre an und stöckelt in Sandalen zu ihrem Auftritt als Ingrid Bergman. Und dann kommt auch die Rüstung zum Einsatz, wie im Film beim Kniefall mit dem Brustpanzer. Am Helm allerdings holt die Protagonistin sich eine blutige Nase. Wer Krieg spielt, muss mit Verletzungen rechnen.
Auch der Ruhm hat seine Schattenseiten. Johanna wurde verbrannt und Ingrid Bergman zeitweilig geächtet, weil sie ihren ersten Ehemann und ihre Kinder verlassen hatte. Vielleicht ließe sich Erfolg geschickter planen, so wie Gina Henkel es mit Zitaten aus Ratgebern für Karrierefrauen demonstriert.
Christian Wisch und Stephan Zunhammer begleiten Gina Henkel einfühlsam als Musiker wie auch als gelegentliche Stichwortgeber, aber sie ist die einzige Frau auf der Bühne mit ihren Geschichten über brennende und verbrannte Frauen. Einmal klatscht sie Papierbogen mit unterschiedlichen Aufschriften an die Wand. Mutter ist darauf zu lesen, Frauen, Männer, Gott oder Feminismus. Alle Blätter fallen herunter, nur das Blatt mit der Aufschrift Ich bleibt haften.
Die Inszenierung ist zweifellos ein wertvoller Beitrag zu den derzeit grassierenden Diskussionen um das Vordringen von Frauen in Führungspositionen. Auch wenn die einstündige Vorstellung lediglich als anspruchsvolle Unterhaltung genossen wird, bleibt sicher etwas hängen, denn das Nachdenken über die dargestellten Probleme wird hier äußerst feinsinnig angeregt.
Das vorwiegend junge Publikum bei der Premiere im Ballhaus Ost reagierte mit Bravorufen und ausgiebigem, stürmischem Applaus.
„BRENNE! Men don’t protect you anymore“ von Anne Schneider und Gina Henkel hatte am 09.01. im Ballhaus Ost Premiere. Weitere Vorstellungen: 11., 17., 19. und 20. Januar.