Im Bezirk Pankow soll eine ganze Reihe kultureller Einrichtungen den Sparvorhaben zum Opfer fallen. Darunter auch das Theater unterm Dach, das seit dem 1. Februar keine Fördermittel mehr erhält und von Schließung bedroht ist.
Im Zuge der Proteste gegen diese Planung lud das Deutsche Theater das Theater unterm Dach zu einem Gastspiel ein, dem eine Podiumsdiskussion folgte.
In der voll besetzten Box war die Inszenierung "DER UNTERTAN – wir sind dein Volk" nach dem Roman von Heinrich Mann zu erleben. Unter der Regie von Anja Gronau, deren Inszenierung ?Grete? mit dem Friedrich-Luft-Preis als beste Theaterinszenierung 2004 ausgezeichnet wurde, spielt Alexander Schröder, in Berlin bestens bekannt als Schauspieler, Tänzer und Regisseur durch seine Arbeiten an der Schaubühne, Volksbühne, am Hebbeltheater, in den Sophiensälen und am Renaissancetheater.
Alexander Schröder lässt Heinrich Manns Romanfigur, über die zu lesen ist: ?Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt?, eindrucksvoll und erschreckend lebendig werden. Der Fabrikantensohn lernt früh, väterliche Prügel einzustecken und sich heimtückisch Vorteile zu verschaffen.
Mit ausdrucksvoller Mimik und exzellenter Körperbeherrschung präsentiert Schröder diesen kleinen Jungen, der zuerst noch staunend und arglos dreinschaut, um sich dann erkennbar in einen bösartigen Duckmäuser zu verwandeln, der sein weiteres Leben hervorragend meistert, indem er nach oben buckelt und nach unten tritt.
Das Erwachsenwerden demonstriert Alexander Schröder, indem er lange Hosen über seine kurzen Jungenhosen zieht. Er scheint sich aber auch zu häuten, tatsächlich Gestalt und Aussehen zu verändern. Zugleich distanziert Schröder sich von seiner Rolle, wenn er vom Monolog in den beschreibenden Text wechselt oder auch treffsicher andere handelnde Personen charakterisiert.
Das Theater unterm Dach hat sich die Förderung junger RegisseurInnen zum Ziel gesetzt und mit seiner Arbeit über Berlin hinaus, auch international, Anerkennung erworben. Auch das Gastspiel im DT wurde mit großem Applaus honoriert. Inhaltliche Gründe dafür, diesem Unternehmen die Förderung zu entziehen, dürften sich nur schwer finden lassen.
Um Inhalte ging es aber auch weniger bei der Podiumsdiskussion, die im Anschluss an die Vorstellung im Saal des DT stattfand. Initiiert war die Diskussion zum Thema ?Kulturabbau in Pankow? vom Deutschen Theater und dem Rat für die Künste Berlin. Auf dem Podium waren: Professor Jens Becker, Vertreter des Aktionsbündnisses Berliner Künstler, Dr. Frank Keding, Vertreter der Künstler, Stéphane Bauer, Rat für die Künste, Leonie Baumann, Sprecherin des Rates für die Künste, Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters und, als einziger Vertreter der Politik, der Pankower Bezirksstadtrat Dr. Torsten Kühne, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice.
Matthias Köhne, Bezirksbürgermeister von Pankow, hatte seine Teilnahme an der Diskussionsrunde kurzfristig abgesagt. Staatssekretär für Kultur, André Schmitz, hatte zwar nach Bekanntgabe der Pankower Sparpläne den Bezirk aufgefordert, von den geplanten Schließungen kultureller Einrichtungen abzusehen, aber weder er noch ein anderer Vertreter des Senats hatte der Einladung zur Diskussion im DT Folge geleistet.
Zweifellos hatte Torsten Kühne keinen leichten Stand in der Diskussionsrunde, obwohl er auch nicht allzu heftig angegriffen wurde. Mit der Vorgabe, dass der Bezirk Pankow allein für das Jahr 2012 gut 1 Million ? einsparen soll, sind schmerzliche Einschnitte unvermeidbar. Kühne erklärte, da es sich bei Kultur und Bildung um freiwillige Leistungen handle, könne dort eher gespart werden als z.B. bei den Lebensmittelkontrollen.
Kühne wies außerdem nahezu anklagend darauf hin, dass es in keinem anderen Bezirk eine mit dem Theater unterm Dach vergleichbare Einrichtung gebe, woraufhin Leonie Baumann bemerkte, dass dies eher Grund für Stolz als für Bedauern sei.
Ulrich Khuon empfahl, im Verwaltungsbereich nach Einsparmöglichkeiten zu suchen, ehe auf den gesamten Inhalt, nämlich die Künstlerinnen und Künstler, verzichtet werde und keinesfalls Schließungen und Verkäufe vorzunehmen, bevor der Doppelhaushalt endgültig beschlossen sei.
Jens Becker erklärte, wie sich aufgrund der Kosten- Leistungsrechnung eine zu geringe Auslastung der Theaterräume nachweisen lässt. Hierbei werden lediglich die Vorstellungszeiten aufgelistet. Die Zeit von der Öffnung des Theaters bis zum Vorstellungsbeginn wie auch die Publikumsgespräche nach der Vorstellung bleiben unberücksichtigt, und nicht einmal die wochenlangen Proben finden Erwähnung.
Der Verdacht, dass Einsparungen und Schließungen im Bereich Theater nicht selten auf Unkenntnis der Verantwortlichen zurückzuführen sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat dies offenbar als Misstand erkannt und beschlossen, dem entgegen zu wirken. In Zusammenarbeit mit den Berliner Festspielen/Theatertreffen bietet die Heinrich-Böll-Stiftung erstmals ein viertägiges Seminar für KulturpolitikerInnen beim diesjährigen Theatertreffen an.
Neben dem Besuch von Theaterveranstaltungen beinhaltet das Seminar u.a. Gespräche mit TheaterleiterInnen und stellt diverse Modelle der Kulturpolitik vor unter besonderer Berücksichtigung von Migration und Partizipation.
Leider können nur zehn KulturpolitikerInnen an diesem Seminar teilnehmen. Die Zahl derer, die so einen Nachhilfeunterricht dringend nötig hätten, ist gewiss unvergleichlich viel höher. Auch bei Torsten Kühne könnte sich hinter den vorgeschobenen Sachzwängen ein Mangel an Sachkenntnis im kulturellen Bereich verbergen.