Herr Xi Jinping
Einen Tag nach seiner Ankunft am Mittwoch betonte Biden bei den Verhandlungen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping, wie wichtig engere Beziehungen zu China seien. Der designierte Staatschef Chinas sagte, dass die beiden führenden Wirtschaftsmächte gemeinsam größere Verantwortung übernehmen müssten.
Angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise sagte Jinping, dass die wirtschaftliche Stabilität der Welt von der Zusammenarbeit zwischen den USA und China abhängt.
Biden und Jinping wollen gemeinsam die chinesische Provinz Sichuan besuchen. In deren Provinzhauptstadt Chengdu hält Biden an einer Universität eine Rede über die Beziehungen zwischen Washington und Peking. Jinping will am Jahresende Washington einen ähnlichen Besuch abstatten.
2012 wird es in vielen Staaten voraussichtlich zu einem Machtwechsel kommen. In China ist einigermaßen klar, wer die politischen Geschicke des Landes leiten wird. In den USA sieht die Situation nicht so eindeutig aus.
Xi Jinping unterscheidet sich sehr stark vom zurückhaltenden und etwas staksigen Hu Jintao. Er ist ein guter Manager, der Probleme schnellstmöglich vom Tisch haben will. Xi Jinping bevorzugt klare Worte. In seiner Amtszeit als Gouverneur der Provinz Zhejiang schrieb er in einem Lokalblatt unter einem Pseudonym Artikel. Viele Kontakte mit US-Spitzenpolitikern hatte er bisher noch nicht.
Neue Beziehungsformel gesucht
Biden ist für die strategischen Entscheidungen in der Außenpolitik verantwortlich. Die USA brauchen dringend eine neue China-Politik.
Obama wollte China zu Beginn seiner Amtszeit ins Boot holen, um die Geschicke der Welt lenken. Nachdem Peking den Vorschlag abgelehnt hatte, verschärfte Washington seine China- Politik. Die USA stärkten die Militärbeziehungen zu ihren alten und neuen Verbündeten vor der Küste Chinas.
Zu Beginn dieses Jahres schlugen die Seiten einen versöhnlicheren Ton an und verfolgten einen ruhigeren Kurs bei der Entwicklung der Beziehungen. Bidens will während seines China-Besuchs ausloten, wie die künftigen Beziehungen gestaltet werden können.
Große Erwartungen sollten an Bidens Rede vor den chinesischen Studenten nicht gestellt werden, womöglich ist sie mehr an die US-Wähler gerichtet. Die US-Administration hat mit China dieselben Probleme wie mit Russland: Viele Konflikte erinnern in ihrer Rhetorik an längst vergangene Zeiten. Häufig ist es schwierig, zu unterscheiden, ob es sich bei der US-Außenpolitik um Rhetorik oder konkrete Ziele handelt.
Es geht weder um Obamas Entscheidung, keine Kampfjets an Taiwan zu liefern und auch nicht um Chinas ehrgeizige Flugzeugträgerpläne, sondern darum, dass Biden die Chinesen wegen der Kreditwürdigkeit der USA beruhigen will. Kurz vor seiner Abreise nach Peking sickerte durch, dass vor allem die Finanzen im Vordergrund der Verhandlungen stehen werden ist.
USA müssen Abstand nehmen
Bei Bidens Ankunft in Peking veröffentlichten die chinesischen Medien überraschende Fakten. China hatte im April, Mai und Juni weiter US-Staatsanleihen kaufte – im Wert von jeweils 7,6, 7,3 und 5,7 Milliarden US-Dollar. Jetzt schulden die USA China 1,17 Billionen US-Dollar.
Zu Jahresbeginn hatten sich die beiden Staaten bereits über dieses Thema gestritten. Peking betonte, dass das Monopol des US-Dollars im Währungssystem beendet werden soll. Doch es kaufte weiter die US-Staatsanleihen.
Im August kam es in den USA zum Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze. Obama und Republikaner schrammten nur knapp an einer zweiten Krisenwelle vorbei.
Zudem spricht man jetzt in den USA über den Start des dritten QE-Programms (Quantitative easing), eine Geldpolitik, bei der die US-Notenbank durch den Aufkauf von Staatspapieren weiterhin die Wirtschaft mit Geld zu versorgen versucht.
China befürchtet, dass dadurch die Rohstoff- und Warenpreise steigen und der US-Dollar entwertet wird. „Die USA müssen auf das QE verzichten und die Geldpolitik verschärfen, um den Glauben an den Dollar zu stärken“, sagte Chinas Zentralbankchef Zhou Xiaochuan. Verzichten?! Anders geht es nicht – in diesem Fall muss Biden Rede und Antwort stehen.