
Berlin, BRD (Weltexpress). Er war einer der großen Dokumentarfilmern der DDR. Geachtet und geehrt – nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland: Studio H&S war weltweit ein Begriff. Es waren Filme, wie der „Lachende Mann“ (oder „Kongo-Müller“), die den Mörder von Patrice Lumumba, den ersten Premierminister der Demokratischen Republik Kongo, öffentlich anklagten. Natürlich gehört auch dazu: Der Krieg der Mumien über die revolutionären Veränderungen im Chile der 70er Jahre und den Putsch 1973.
Einer der großen Dokumentarfilme war: Piloten im Pyjama in denen abgeschossene US-amerikanische Piloten in vietnamesischen Gefangenenlagern interviewt wurden. Dessen Wirkung hielt Jahrzehnte an, so dass nach der „Wende“ eine Replik gestartet wurde: Abgeschossen lautete der Titel des Films von Hasso Bräuer. Hier kamen die Piloten noch einmal zu Wort, um ihre Schandtaten zu rechtfertigen. Sie stellten sich erneut bloß in ihrer Armseligkeit und politischen Unbedarftheit. Zwerge gegenüber der großartigen Haltung, Bildung, Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit eines Gerhard Scheumann!
Gerhard stellte sich zusammen mit dem Kameramann Peter Hellmich und dem weltberühmten Fotografen Thomas Billhardt diesem „Tribunal“. Sie gaben Antworten auf die gestellten Fragen, während Walter Heynowski sich ohne Erklärung nicht beteiligte. Gerhard verteidigte seine Arbeit und die seines Kollektivs und war schließlich derjenige, der erneut als Sieger – geschlagen zwar – aber nicht besiegt, da stand.
Ich hatte diesen Film gesehen und entschloss mich spontan, an Gerhard zu schreiben. Dadurch entstand ein kurzer Briefwechsel, der bedauerlicherweise durch seinen frühen Tod beendet wurde.
Gerhard stellte seinem Brief ein Gedicht von Pablo Neruda voran:
Wenn es so ist, daß
der Tag in die Nacht fällt,
muß es einen Brunnen geben,
der die Helle birgt.
Es bleibt, sich an den Rand
des dunklen Loches zu hocken
und gefallenes Licht zu fischen
mit Geduld.
Nach der „Wende“ wurde nicht nur das Studio H&S regelrecht auf dem Müll entsorgt, wo durch einen ansonsten eher furchtsamen Menschen, angetrieben durch Freunde, Teile gerettet und dem Deutschen Filmarchiv übergeben wurden.
Nicht genug dieser Kulturbarbarei, befassten sich neu geschaffene, von unseren Steuergeldern finanzierte Institutionen damit, das Werk des Studios H&S zu verleumden. Die Wirkung war der neuen Inquisition offenbar nicht ausreichend, so dass sie sich entschlossen, die Taktik des Totschweigens anzuwenden. Sie funktioniert, wenn auch eingeschränkt, bis heute.
Da meldete sich jüngst (anlässlich des Todes von Walter Heynowski) ein Mann, der in einer Leserzuschrift in der dkp-zeitung unsere zeit in einem Nachruf auf WH betont, dass dessen „Partner Scheumann […] nach dem 4. November 1989 über einen Artikel an der Studiowandzeitung im Berliner Betriebsteil“ seine Auszeichnung zurück gegeben, und sich „von der Auszeichnung und dem Staat DDR“ distanziert habe. Der Verfasser bestätigte auf Nachfrage ausdrücklich diese Darstellung.
In seinem Tagebuch vermerkte Scheumann, dass er an der Beriebswandzeitung seine zweiseitige Stellungnahme angeheftet habe: „Früh in das DEFA-Studio gefahren und zwei DIN A 4-Bögen neben das übervolle schwarze Brett geklebt. Ich gebe meinen Nationalpreis nicht zu¬rück, sondern verwende das mit ihm verbundene Geld.“ (TB 7.12.1989)
Was auch immer der damals junge Mann vorgibt dort gelesen zu haben, es entspricht nicht der Wahrheit. Scheumann hat sich in einem Leserbrief, der seinerzeit im ND veröffentlicht wurde, dazu eindeutig geäußert:
„Berlin (ND). Wie der Dokumentarist Gerhard Scheumann dem ND mitteilte, stellt er die 60 000 Mark, die er 1989 für den Nationalpreis 1. Klasse erhielt, zu gleichen Teilen dem Centrum Judaicum und einer zu gründenden Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus zur Verfügung. Er sehe keinen Grund, „dem Ministerpräsidenten. unseres Landes Orden und Ehrenzeichen vor die Füße zu werfen; eine inzwischen modisch gewordene Attitüde. Hans Modrow steht für mich für die Erneuerung. Wenn unter diesen Begriff nicht fallen sollten die internationale Solidarität, der Kampf gegen Neofaschismus und Neokolonialismus, dargestellt auf Schauplätzen wie Vietnam, der BRD, Chile und Kambodscha, so hätte ich umsonst gelebt“, erklärt der Dokumentarist.“ Eine eindeutige Stellungnahme, die selbst gegen eine dumme Frage, die mir gestellt wurde, „also Honecker hätte er sie vor die Füße geworfen?“ gefeit ist, ja er nahm Modrow hier sogar in die Pflicht. – Das Geld spendeten die Scheumanns schließlich für die Neue Synagoge in Berlin.
Zum Schluss noch eine erfreuliche Nachricht: Der Verlag Frölich & Kaufmann vertreibt eine Edition von sieben DVDs mit Filmen von Heynowski und Scheumann aus den Jahren 1964 -1989 unter dem Titel »Piloten im Pyjama« und »Studio H&S«. Es bleibt also immer noch etwas von H&S.
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