Der Abschluss des zweiwöchigen Festivals hätte wohl kaum geschichtsträchtiger gewählt sein können: Als letzte Band trat ausgerechnet Deep Purple auf und spielte den Erfolgshit “Smoke on the Water”, der vor 40 Jahren Montreux weltbekannt gemacht hatte. Als 1971 beim Konzert von Frank Zappa das Kasino von Montreux abbrannte, verfolgten die Mitglieder von Deep Purple das Feuer von ihrem Hotelbalkon aus und komponierten ihren legendären Song.
Inzwischen ist das Kasino wieder aufgebaut. In Montreux brennt nur noch die Luft in den Konzerthallen, wenn sich dort Hunderte dicht an dicht während des Festivals drängeln.
Großer Auftritt von Sting in kleinem Rahmen
Neben Deep Purple gaben sich weitere Weltstars die Ehre. So präsentierte Pop-Legende Sing seine bekanntesten Songs in der für seine Verhältnisse eher kleinen Strawinski-Hall. Sie hat Platz für gerade mal 4.000 Zuschauer. Normalerweise singt Sting nur in ausverkauften Stadien oder riesigen Multifunktions-Hallen.
Ebenso ließen sich Alt-Stars wie Paul Simon und George Benson in der schweizerischen Kurstadt blicken. Dabei gab es sogar die eine oder andere Weltpremiere. Die beiden Alt-Gitarristen Carlos Santana und John McLaughlin traten erstmals gemeinsam auf – und spielten Stücke ihres vor 40 Jahren in Montreux aufgenommenen Albums "Love, Devotion, Surrender". “Das war eine echte Herausforderung”, schwärmt Festival-Macher Claude Nobs, der mit 75 Jahren immer noch die Strippen des Events zieht.
Für ein weiteres Novum sorgte Hollywood-Schauspielerin Liza Minelli. Sie kam erstmals zum Festival nach Montreux, um vor allem leise Jazz-Songs zu singen.
Natalie Cole gibt Hommage an ihren Vater
Zu den Highlights zählte auch zweifellos der Auftritt von Natalie Cole. Zahlreiche Fans standen in der Nacht zum Montag dicht an dicht gedrängt in der Miles-Davis-Hall, um die Tochter des legendären Nat King Cole zu erleben. Sie wurden nicht enttäuscht. Natalie Cole gab eine Hommage an ihren Vater und sang unter anderem “Unforgettable” im Duo mit ihm per eingespielter Videoaufnahme.
Auf nicht so ganz große Resonanz stieß der Piano-Abend mit dem Alfredo Rodriguez Trio, Harold Lopez Nussa Trio sowie Tigran Hamaysan mit dem bekannten Trilok Gurtu. Nur eingefleischte Jazz-Fans wollten sich die Top-Pianisten anhören, die mitunter etwas verspielt und selbstverliebt wirkten. Als Hamaysan und Percusionnist Trilok Gurtu minutenlang sich mit Klangspielen "duellierten", leerte sich allmählich der Saal.
Musik fast aller Stilrichtungen
18 Konzerte waren ausverkauft. Die Mehrheit der 240.000 Besucher strömten freilich zu den Gratis-Konzerten in Zelten oder im Montreux Café, wo junge Talente auftraten. Hier war Jazz in der Minderheit. HipHop, Elektro, Alternative und Rock überwogen.
Wer richtigen Jazz hören wollte, musste in den Park Vernex oder ins Kongresszentrum gehen oder aber den Zug nehmen. Vier Mal während des Festivals keuchte ein "Jazz-Bähnchen" hinauf nach Rochers-de Naye sowie Gstaad. Im Zug wurde New Orleans gespielt.
Schlägereien im Jazz Café
Überschattet wurde das Festival von gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Festival-Gelände. Jugendliche lieferten sich im Jazz Café mit den Sicherheitskräften Schlägereien. Das hatte es in der 45-jährigen Geschichte des exklusiven Montreux-Festivals noch nie geben.
Trotzdem zog Festival-Macher Claude Nobs ein positives Fazit der zweiwöchigen Mammut-Events. Im Vergleich zum Vorjahr kamen noch mehr Besucher zum Festival, 87 Prozent der Tickets seien verkauft worden, und die Essens- und Getränkestände verzeichneten zehn Prozent mehr Umsatz. Von den 18 Tagen war nur ein Tag verregnet.
Zu großer Ansturm am Wochenende?
Mitunter fragt man sich jedoch, ob das Festival inzwischen nicht Opfer seines Erfolgs geworden ist. An Wochenenden ist der Ansturm so groß, dass man sich schon wie auf einem riesigen Rockkonzert fühlt. Von der familiären Atmosphäre, die Montreux jahrelang auszeichnete, ist da nichts mehr zu spüren.
Die Festival-Organisatoren wollen jedoch nicht an ihrem Konzept der breiten Musik-Mischung und des Nebeneinanders von kostenlosen und kostenpflichtigen Konzerten rütteln. Sie arbeiten gar an einer Expansion des Festivals. Im November soll erstmals ein Mini-Montreux-Festival in Japan in Kawasaki stattfinden. Und für 2013 ist eine Londoner Version des Festivals vorgesehen. Die weltweite Werbetrommel soll in den Montreux Jazz Cafés gerührt werden, die an Flughäfen entstehen (Genf, Sydney und bald auch in Paris und Zürich). Angeblich ist auch eines am künftigen Flughafen von Berlin geplant.
Info: Das Montreux Jazz Festival wurde 1967 von Claude Nobs gegründet. Es findet alljährlich im Juli statt und versammelt Musik-Größen aus Jazz, Pop, Rock, Funk, HipHop, Alternative und Elektro in der Stadt am Genfer See. Rund 100 kostenpflichtige Konzerte und 250 Gratis-Konzerte locken Tausende Besucher an.
Internet: http://www.montreuxjazz.com/2011