Berlin, BRD (Weltexpress). Bei einem Empfang durch den italienischen Staatschef, Sergio Mattarellla, auf dem Quirinale betonte Papst Leo XIV. „das starke Band, das den Stuhl Petri mit dem italienischen Volk verbindet“ und die „herzlichen bilateralen Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, die stets von aufrichtiger Freundschaft und wirksamer gegenseitiger Zusammenarbeit geprägt sind“, berichtete die Nachrichtenagentur „ANSA“ am 14. Oktober 2025. Es handele sich um „eine glückliche Verbindung, die ihre Wurzeln in der Geschichte dieser Halbinsel und in der langen religiösen und kulturellen Tradition dieses Landes hat“. Da betreibt das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates eine den Tatsachen gründlichst widersprechende Geschichtsklitterung. Lassen wir einfach die wichtigsten Fakten sprechen.
Gegen die Beseitigung seiner weltlichen Herrschaft und die Säkularisierung seiner Besitztümer hatte Papst Pius IX. 1870 auf das Schärfste protestiert, dem bürgerlichen Staat ewige Feindschaft geschworen, in feierlicher Form alle am „Raub des Patrimonium Petri“ beteiligten – das waren der König, seine Regierung und alle die ihnen irgendwie dienten – mit der höchsten ihm zur Verfügung stehenden Strafe belegt, der Exkommunizierung. Zwar nahm sein Nachfolger Leo XIII. (Namensgeber des heutigen Pontifex), der sein Pontifikat am 20. Februar 1878 antrat, die Verdammung nicht zurück, vollzog aber fast auf der Stelle stillschweigend einen Frontwechsel. Der Hauptfeind waren nunmehr die marxistische Arbeiterbewegung, ihre Partei und alle, die sich an ihre Seite stellten oder auch nur mit ihnen sympathisierten. Der Vatikan sicherte nun dem bürgerlichen Staat, nicht nur in Italien, sondern ebenso in Deutschland und Frankreich die Unterstützung der Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen – den Marxismus – gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zu.1 Die 1891 erlassene Enzyklika „Rerum Novarum“, welche die Grundlage der katholischen Soziallehre bildete, forderte, „der Staat muss sich zum unerbittlichen Hüter des Privateigentums machen“ und ihm durch „die öffentlichen Gesetze (…) Schirm und Schutz bieten“. Wer die Aufhebung des Privateigentums fordere, müsse „im Namen der Moral, deren Fundament er zerstört, als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt werden“. In scharfer Form machte „Rerum Novarum“ Front gegen die sozialistischen Arbeiterorganisationen: „Sollte eine Vereinigung einen Zweck verfolgen, der in flagrantem Gegensatz zur Rechtschaffenheit, zur Gerechtigkeit und zur Sicherheit des Staates steht, dann haben die öffentlichen Gewalten das Recht, deren Bildung zu verhindern oder, falls sie schon bestehen, sie aufzulösen.“ Die Enzyklika wandte sich gegen „jede Form des Sozialismus“, den sie als „Pest“ brandmarkte und forderte: „Wenn die Massen sich von üblen Doktrinen hinreißen lassen, darf der Staat nicht zögern, mit starker Hand zuzufassen“. Ignazio Silone charakterisierte die päpstliche Schrift als „konterrevolutionäre Waffe im Schoße der Massen“.
Um den Sozialisten eine Niederlage zu bereiten, sicherte Papst Pius X. der Regierung des Liberalen Giovanni Giolitti zu den Wahlen 1904 zu, die Regierungskandidaten zu unterstützen und hob das bis dahin bestehende Verbot der parlamentarischen Betätigung für Katholiken auf. 1912 wurde die Unterstützung erneuert, wofür die Liberalen die Ehescheidung ablehnten, in den öffentlichen Schulen den Religionsunterreicht zuließen und den katholischen Privatschulen sowie Organisationen und Orden staatliche Unterstützung gewährten.
Der blutige faschistische Terror, unter dem 1920 2.500 Italiener (Männer, Frauen, Kinder und Greise) unter den Kugeln der Faschisten starben, im ersten Halbjahr 1921 ungefähr 1.500 Menschen durch Kugeln Messer und Schlagstock der Faschisten getötet, 20.000 Bewohner der Städte fliehen mussten, 2 hinderte den im Februar 1922 neu gewählten Papst Pius XI nicht, zusammen mit seinem Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri offen Partei für die Faschisten zu ergreifen.3 Die von dem Priester Don Luigi Sturzo im Auftrag des Vatikans 1919 gegründete katholische Volkspartei trat in die Mussolini-Regierung ein und verdeckte ihren faschistischen Charakter.
Als 1924 angesichts antifaschistischer Proteste gegen die Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti der Sturz des Mussolini-Regimes drohte, rettete der Vatikan mit dem Industriellenverband Confindustria ihn davor. Sein Amtsblatt „Osservatore Romano“ lobte die „feste Haltung“ des Diktators und wandte sich gegen antifaschistische Aktionen.4 wofür sich der „Duce“ 1929 mit dem Abschluss der Lateranverträge, die die 1870 beseitigte weltliche Herrschaft errshcaftv des Papstesx wi3ederhestellten, des Papstes wiederherstellten, bedankte. In den Augen der katholischen Bevölkerung Italiens, aber auch der Christenheit in der ganzen Welt, wirkte das Konkordat als päpstlicher Segen für das faschistische Regime und erhob es zur von Gott gewollten Ordnung. In einer Rede an der katholischen Universität hob Pius XI. die persönlichen Verdienste des „Duce“ am Zustandekommen der Verträge ausdrücklich hervorhob und nannte ihn „einen Mann, mit dem uns die Vorsehung zusammenführte“.5 Ausdrücklich lobte er „der Name Mussolinis wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholisch en Kirche eingetragen“.
Nach der kolonialen Eroberung Äthiopiens 1935/36, bei der 275 .000 Einwohner durch Giftgaseinsatz umgebracht wurden, würdigte der römische Klerus Mussolini als „einen wunderbaren Duce, der das Kreuz Christi in alle Welt trägt“. Die katholische Kirche zwang den Äthiopiern auf den Trümmern ihrer koptischen Kirche eine ihnen fremde Religion auf. Der Mailänder Kardinal Ildefonso Schuster feierte im Dom der Stadt die Heldentaten des italienischen Heeres, das in seiner Pflichterfüllung das „Licht der Zivilisation nach Äthiopien getragen“, einen „Evangelisationsfeldzug“ geführt und „ein Werk der christlichen Zivilisation zum Wohle der äthiopischen Barbaren.“ vollbracht habe. Durch das Werk des „Duce“ habe „Gott vom Himmel geantwortet“. „Angesichts der schicksalhaften Verbundenheit Italiens und des Vatikans (komme) den Italienern der Ehrentitel ‚Mitarbeiter und Gehilfe Gottes zu.“6
Als nach dem Abzug der Internationalen Brigaden es den spanischen Faschisten, darunter italienische Verbände, am 28. März 1939 gelang in Madrid einzumarschieren, stellte sich Pius XII. der am 2. März gerade sein Pontifikat Angetreten hatte, wie sein Vorgänger an die Seite des Faschismus und übermittelte Franco eine Botschaft, in der es hieß: „Die von Gott als wichtigster Diener der Evangelisation der Neuen Welt und als uneinnehmbares Bollwerk des katholischen Glaubens auserwählte Nation hat soeben den Anhängern des materialistischen Atheismus unseres Jahrhunderts den erhabensten Beweis dafür geliefert, dass über allen Dingen die ewigen Werte der Religion und des Geistes stehen.“ 7
Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 ging es dem Vatikan mit den Palastverschwörern darum, sich „von Mussolini und die Deutschfreundlichen zu befreien, das System aber zu erhalten“ 8
Bei Kriegsende 1945 fügte der Vatikan seiner Politik des Bündnisses mit dem Faschismus eine neue Seite hinzu. Für Tausende und Abertausende führende Faschisten organisierte er unter Pius XII. die Flucht über die im Geheimdienstjargon „Rattenlinie“ genannte Route nach Südamerika oder beteiligte sich aktiv daran. Dazu gehörten neben international gesuchten Kriegsverbrechern wie Adolf Eichmann, der KZ-Arzt von Auschwitz Josef Mengele, der Kommandant der Vernichtungslager von Sobibor und Treblinka, Franz Sprangl, und der des Ghettos in Przemysl, Josef Schwammberger, der Führer der Ustascha-Faschisten und Chef des unter der Okkupation Hitlerdeutschlands proklamierten „Unabhängigen Staates Kroatien“, Ante Pavelic, mit fast seinem gesamten Kabinett. Wie der argentinische Historiker Uki Goni in seinem Buch „Odessa“ 9 recherchierte, waren wenigstens 300 der ausgeschleusten Faschisten bereits in Europa abgeurteilte oder angeklagte Kriegsverbrecher. Der österreichische Bischof Alois Hudal, der einen christlichen Nationalsozialismus („Für Kirche und Nation“) vertreten hatte, rühmte sich in seiner Autobiographie mit den Dankschreiben Dutzender Nazis, die er „mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen“ habe. Die so ihrer gerechten Strafe Entkommenen prahlten damit, wie es in einem Dankschreiben hieß, „bis 1945 im Kampf gegen den Bolschewismus, für Europa“ gestanden und „während dieser gewaltigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus“ an der Front und in der Heimat „unbeugsam und kompromisslos“ ihre Pflicht erfüllt zu haben.10
Im Staatssekretariat des Vatikan leitete die Rettungsaktion Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI. Zu seinen Helfern gehörte der SS-Sturmbannführer Karl Hass, der zusammen mit dem SS-Chef von Rom, Herbert Kappler, und dessen Stellvertreter Erich Priebke u. a. an der Ermordung der 335 Geiseln im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt war. Als Ressortleiter gehörte Montini zur Spitze des 1943/44 gebildeten vatikanischen Geheimdienstes Pro Deo, der eng mit dem Office of strategic Service (OSS) und später mit seinem Nachfolger, der CIA, zusammenarbeitete. Montini stellte OSS/CIA die Akten über politisch aktive Priester zur Verfügung, von denen viele als Agenten angeworben wurden. Um die Verbindungen zum Vatikan zu festigen traten führende CIA-Leute wie James Angleton, Chef des OSS in Rom, die langjährigen CIA-Direktoren John McCon und William Casey in den Orden der Malteserritter ein. Laut 1975 in Washington freigegebenen Aufzeichnungen von Beamten des Finanzministeriums habe der Vatikan bei Kriegsende vom faschistischen Ustascha-Regime in Kroatien Gold im Werte von 250 Millionen Schweizer Franken „in Verwahrung“ genommen. Das wurde durch Unterlagen des OSS belegt. Die 250 Millionen stammten aus dem Vermögen von insgesamt 350 Millionen Schweizer Franken von mehreren Hunderttausend Serben, Juden, Sinti und Roma sowie oppositionellen Kroaten, die das Ustascha-Regime von 1941 bis 1945 umbrachte. 100 Millionen hatten britische Truppen an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz bei Kriegsende sichergestellt. Battista Montini hatte während der Rettungsaktionen für die Ustascha-Faschisten mit dem Pavelic-Vertrauten Krunoslav Draganovic im Kloster San Girolamo in Rom extra für diese eine „kroatische Sektion“ gebildet.11
Mit Ausnahme von Johannes XXIII. und Franziskus standen Pius XII. und alle seine Nachfolger grundsätzlich an der Seite der faschistischen Regimes der italienischen Nachkriegszeit, die auch mit der wiedergegründeten Mussolinipartei Movimento Sociale Italiano (MSI) paktierten. Pius XII. ließ „zur Kontrolle der innenpolitischen Entwicklung und des Kampfes gegen den Kommunismus in Italien“ im Vatikan ein Sonderbüro bilden, das Batista Montini leitete. Zu den im April 1948 anstehenden ersten Parlamentswahlen nach Kriegsende fürchteten die USA und die italienischen Rechtskräfte einen Wahlsieg der auf einer Einheitsliste antretenden Kommunisten und Sozialisten. Erzbischof Flannally hetzte in Anwesenheit von Kardinal Francis Spellmann in der St. Patrick’s Cathedral von New York: „Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf“. Pius XII. rief öffentlich auf, die Democrazia Cristiana (DC) zu wählen. Durch einen Erlass des Heiligen Officiums ließ er massenweise Kommunisten und Sozialisten exkommunizieren, um von der Wahl der Arbeiterparteien abzuschrecken. Die von den USA finanzierte klerikale „Azione Cattolica“ bildete 20.000 Bürgerkomitees, die in hasserfüllten Losungen verkündeten, bei der Wahl gehe es um Christ oder Antichrist, Gläubige oder Gottlose, Rom oder Moskau. Der Komitee-Vorsitzende, Luigi Gedda, forderte, die Mussolini-Nachfolgerpartei MSI in ein „nationales Bündnis“ einzuschließen. Der Faschismus, so Gedda, sei lediglich „ein Exzess großherziger und gesunder Ideale von Patriotismus und Autoritätsgläubigkeit“ gewesen. Die Pfarrer schrieen von den Kanzeln herab von „mongolischen Lagern im Schatten des Kolosseums“. Der General der Jesuiten, Giovanni Batista Jansen, setzte sich dafür ein, die Wahlkampagne des MSI auch finanziell zu unterstützen. Im Ergebnis der vom Vatikan aktiv unterstützten Hetzkampagne erreichte die DC 48,5 %, während Kommunisten und Sozialisten dennoch 37 % errangen.
Der einflussreiche Kleriker Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die „rote Machtübernahme“ zu bilden.12 Als sich mit Beginn der 50er Jahre die Forderungen verstärkten, das MSI als Nachfolger der Mussolinipartei zu verbieten, wandten sich Vatikankreise dagegen. „Civiltà Catolica“ verurteilte es am 18. März 1953, „die 20 Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten“ und nannte das „eine Verleumdung des Vaterlandes“.
Schließen wir die ohnehin unvollständige Liste ab und halten fest, dass die Erklärung des Papstes gegenüber Staatspräsident Mattarella, der im Grunde die Regierung Giorgia Melonis toleriert, auch eine entsprechende eher wohlwollende Zustimmung seinerseits zu ihr ist Dabei hat der führende kommunistische Philosoph Luciano Canfora erst unlängst an Hand der Herkunft ihrer Partei der »Brüder Italiens« aus der im Dezember 1946 von dem Staatssekretär Mussolinis, Giorgio Almirante, wiedergegründeten Nachfolgeorganisation der faschistischen Partei des„ Duce“ in Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI) klar aufgezeigt, dass Meloni zu dessen Erben gehört, die »nicht abschwören«.
Anmerkungen:
Siehe zum Thema das Buch Luciano Canfora: Der untote Faschismus. Mussolini und der fruchtbare Schoß der »freien Welt«, Papyrossa, Köln 2025.
1 Brief Leo XIII. An den Erzbischof von Köln. In: Ignazio Silone: Der Faschismus, Frankfurt/Main 1984.
2 Antonio Gramsci: Zu Politik, Geschichte und Kultur, Frankfurt/Main 1986, S. 101 ff.
3 Angelo Tasca: Der Aufstieg des Faschismus in Italien, Wien. O. J., S. 336 f.
4 Dietmar Stübler: Geschichte Italiens, Berlin 1987, S. 124 ff.
5 Marco Palla: Mussolini e il Fascismo, Florenz 1993, S. 60.
6 Ebd., S. 88,
7 Stübler, S. 156.
8 „Life“, 14. Dezember 1943.
9 Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher, , Berlin/Hamburg, 2006.
10 Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe, Frankfurt/Main 1990, S. 32.
11 Uli Weyland: Strafsache Vatikan, München 1994, S. 452 ff.
12 I Giorni della Storia, Cronaca quotidiana dal 1815, Novarra 1991, S. 555.
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