
Berlin, BRD (Weltexpress). 1190, wahrscheinlich im September, wurde während des dritten Kreuzzuges (1096-1199) der Hospitalorden zur Pflege kranker Kreuzfahrer und Pilger vor Akkon in Palästina gegründet. 1198 wurde er von den dort weilenden deutschen Fürsten zum Ritterorden umgestaltet. Durch Päpste und Kaiser gleichermaßen begünstigt, widmeten sich die Mönchsritter mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Mantel bald ausschließlich irdischem Machtstreben. In der Christianisierung übernahmen sie die entscheidende Rolle, was bedeutete, dass sie die Gebiete der Heiden militärisch eroberten und die Bekehrten unterwarfen. Vergessen wurden die Worte Nikolaus I. (820-867, seit 858 Papst), dass man die Heiden „durch Ermahnungen, Ratschläge, Gründe und nicht durch Gewalt von der Nichtigkeit der Götzenbilder überzeugen“ sollte.
Taufe oder Schwert
Wer sich nicht taufen ließ, verfiel dem Schwert. Nach dieser bereits während des zweiten Kreuzzuges (1147-1149) verkündeten Regel ging der Orden vor und begründete damit seinen blutrünstigen Ruf. Vor allem die Niederwerfung und Eindeutschung der Pruzzen 1 wurde nach diesem Prinzip erbarmungslos betrieben. Binnen weniger Jahre verfügte der Orden über riesige Besitzungen, Rechte und Privilegien in Palästina, Spanien, im ungarischen Burzenland, in Liveland, Preußen und natürlich im römisch-deutschen Reich. Seine Niederlassungen reichten vom Süden Spaniens bis Narwa an der Grenze Russlands.
Im siebenbürgischen Burzenland erlitt der Orden den ersten Rückschlag. Aus dem Gebiet, das er 1211 mit päpstlicher Hilfe als Lehen erhielt, wurde er 1225 von König Andreas wieder verjagt, da er versucht hatte, das Gebiet aus dem ungarischen Reichsverband herauszulösen und auszudehnen. 17 Jahre später folgte die Niederlage gegen Alexander Newski, Fürst von Nowgorod, auf dem Peipussee, die das weitere Vordringen nach Russland stoppte.2 Zunächst gelang es dem Orden noch über ein Jahrhundert weiter nach Osten vorzudringen. 1230 nutzte er einen Hilferuf des polnischen Herzogs von Masowien und Kujawien zum Kampf gegen die Pruzzen aus, sich in Kurland festzusetzen. Papst und Kaiser segneten das weitere Vordringen ab.
Kulmer Handfeste, Grundgesetzes des Ordens
1233 ließ der Hochmeister Herrmann von Salza für die Siedlungen bei den Ordensfestungen Kulm und Alt-Thorn, den Kernländern des Deutschen Ordens, mit dem Erlass der Kulmer Handfeste, ein Grundgesetzes für das Territorium des Deutschen Ordens verkünden. Es wurde in der Folgezeit auf den größten Teil des Ordenslandes ausgedehnt, festigte die Ordensstruktur und verlieh ihr staatstragenden Charakter. In Neufassungen galt die Handfeste in Ostpreußen bis 1620, in Westpreußen bis 1794 und in Danzig sogar bis 1857. Kulm bildete bis 1466 faktisch die Hauptstadt des Ordensstaates.
Im Ergebnis der von Kaiser und Papst getragenen, vom europäischen Feudaladel unterstützten Expansion entstand 1309 in Preußen ein unabhängiger, nur der Kurie unterstellter Ordensstaat mit seinem Hauptsitz auf der Marienburg, die nach der Vertreibung der Kreuzfahrer aus Palästina 1291 und nach einer kurzen Zwischenstation in Venedig Zentrum des Ordens wurde. Mit dem Anschluss des 1202 gegründeten livländischen Schwertbrüderordens 1237 festigte der Orden seine Herrschaft in Livland und Kurland. 1346 wurde Estland einverleibt.
Bis Mitte des 14. Jahrhunderts wurde das Ordensterritorium durch weitere Besitzergreifungen im Baltikum und in Pomerellen erweitert. Der Orden war nunmehr einer der bedeutendsten Machtfaktoren in Mittel- und Osteuropa und bildete neben Burgund auch eine Bastion des spätmittelalterlichen Feudaladels. An der Spitze des Ordens stand der auf Lebenszeit gewählte Hochmeister. Er war nicht Reichsfürst, hatte jedoch dieselben Rechte (nicht Pflichten) und war gleichzeitig reichszugehörig.
Durch die Unterwerfung der heidnischen Preußen und ihre Missionierung schuf der Orden einen deutsch beherrschten polyethischen Staat (Preußen, Slawen, Deutsche) mit starken wirtschaftlichen und kulturellen Potenzen. Dieser Aspekt deutscher Nation-Werdung im Mittelalter – dass das deutsche Volk neben römischem Blut und lateinischer Bildung seit dem 12. Jahrhundert durch die Germanisierung Ostelbiens auch eine starke Zufuhr slawischen Blutes erhielt -, ist in der Geschichtsbetrachtung jedoch wenig beachtet worden.
Eroberte Ordens-Gebiete Eigentum der Kurie
Diese Potenzen wurden jedoch nicht für die Schaffung eines deutschen Zentralstaates genutzt. Die Ordensexpansion diente wesentlich dazu, Macht und Einfluss der Päpste, die seit dem 11. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit dem Kaiser mehr und mehr die alleinige Herrschaft über die Welt beanspruchten, zu festigen und auszudehnen. Die Eroberungen des Ordens wurden durch päpstliche Erlasse zum Eigentum der Kurie erklärt und unter ihren Schutz gestellt. Dazu hatte Gregor IX. (1145-1234, Papst seit 1227) 1234 eigens für den Orden die Bulle Rex pacificus 3 ausgestellt in der es hieß: „So wollen wir, dass euer Sinn zur Erwerbung des Landes umso mehr erstarke, als ihr und die dort lebenden Anhänger des katholischen Glaubens von uns eine besondere Gnade erlangen werdet: Deshalb nehmen wir, was von Euch mit Unterstützung des christlichen Heeres und durch Gottes Fügung bekanntermaßen erworben ist, in Recht und Eigen des Heiligen Petrus auf, und verordnen unverbrüchlich, dass es für ewige Zeiten unter dem besonderen Schutz und Schirm des Apostolischen Stuhls bleiben soll.“ Preußen war dementsprechend bis zu seiner Umwandlung 1525 in ein weltliches Herzogtum ein geistlicher und nur dem Heiligen Stuhl unterstellter Ordensstaat, der letzten Endes dem verhängnisvollen Partikularismus Vorschub leistete und die Herstellung eines deutschen Zentralstaates behinderte.
Der Orden selbst verfügte über keine feudalstaatliche Struktur. Er stieß auf seinem Territorium zunehmend auf den Widerstand des ständischen Landadels und der Städtebürger, die sich zeitweise mit Polen gegen ihn verbündeten. Mit der Christianisierung weit über seine östlichen Grenzen hinaus durch Polen selbst entfiel das Motiv der Heidenbekehrung als wichtigste politisch-ideologische Basis des Ordens.
Die Niederlage 1410 bei Grunwald
In Polen hatte dagegen bereits im 14. Jahrhundert der Vereinigungsprozess der Fürstentümer stattgefunden, der in der polnisch-litauischen Union 1386 unter König Jagiello II. seinen Höhepunkt fand. Am 15. Juli 1410 erlitt der Orden bei Tannenberg, das die Polen Grunwald nannten, in der Schlacht mit dem Heer König Jagiello II. und seinem verbündeten Heerführer, dem Großfürsten Witold von Litauen, eine Niederlage, mit der sein Untergang einsetzte. Ullrich von Jungingen und alle Ordensgebietiger 4 sowie etwa 200 Ritter fanden den Tod. 51 erbeutete Ordensbanner wurden als Siegeszeichen in die Stanislauskapelle des Krakauer Doms gebracht . Die Niederlage des Ordens war zwangsläufig nicht nur eine militärische, sondern mehr noch eine staatliche und auch politische. Dem Orden zugefügt, war sie zugleich eine schwere Abfuhr für die Papstherrschaft und ihren weltlichen Machtanspruch.
Im Ersten 1411 im polnischen Torun (Thorn) 5 geschlossenen Frieden konnte der Orden sein Gebiet gegen die Zahlung hoher Kriegsentschädigungen und Auslösungen für die Gefangenen weitgehend behaupten. Lediglich das Dobrzyner Gebiet erhielt Polen zurück. Erneute Niedelagen, in von dem Orden angezettelten Kriegen, führten 1466 zum 2. Thorner Frieden. Danach war es mit der Großmachtstellung des Ordens endgültig vorbei. Er verlor alle Gebiete außer denen, die das spätere Ostpreußen bildeten. Aber selbst dort wurde der Hochmeister von der polnischen Krone lehnsabhängig, hatte dem König den Treueid zu schwören und ihm Heeresfolge zu leisten.
Wiege des Junkertums
Nach Grunwald und dem 2. Thorner Frieden begann im 15. und 16. Jahrhundert der Niedergang des Ordens, auf den die Krise der katholischen Kirche, die Reformation und die frühbürgerlichen Revolutionen in Europa einwirkten. Um den Zerfallserscheinungen entgegenzuwirken und die Verhandlungsposition gegenüber Polen zu stärken, suchte sich der Orden einen Hochmeister aus einer der mächtigsten deutschen Fürstenfamilien. 1511 trat Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus dem fränkischen Zweig des Hauses Hohenzollern an seine Spitze. 14 Jahre später verwandelte er den geistlichen Ordensstaat in das weltliche und erbliche Herzogtum Preußen und führte gleichzeitig die Reformation durch. Bei ausdrücklicher Anerkennung seiner Oberhoheit stimmte der polnische König zu. Die immer noch riesigen Ländereien des Ordens in Preußen wurden Privatbesitz des Herzogs und der Ritter, womit die ökonomische Grundlage des künftigen Junkertums entstand.
1525 verlegte der Hoch- und Deutschmeister – so der nunmehrige volle Titel des Ordensführers – seinen Sitz nach der heutigen Bäderstadt Mergentheim im Taubergau, wo er bis zur Auflösung des Ordens in den Ländern des Rheinbundes durch Napoleon 1809 residierte.
In seiner Mergentheimer Zeit widmete sich der jetzt trikonfessionelle Orden zwar stärker karikativen Diensten, verzichtete jedoch nicht auf militärische Aktivitäten. Bis ins 18. Jahrhundert hinein nahm er an den Auseinandersetzungen mit dem türkischen „Reichsfeind“ teil. 1590 übernahm kein geringerer als Erzherzog Maximilian, ein Bruder des Kaisers, das Amt des Hochmeisters. Als kaiserlicher Oberbefehlshaber führte er mehrere Feldzüge gegen die Türken. 1688 beteiligte sich ein Ordensaufgebot an der Rückeroberung Budapests.
Wandel zum Priesterorden
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ging die Habsburger Monarchie und mit ihr der Ritterorden unter, der sich zum reinen Priesterorden erklärte. 1923 wurde mit einem Bischof der erste Priesterhochmeister gewählt. Hitler löste den Orden, der bei seinem Engagement als klerikaler Einrichtung verblieb, 1938 auf. Nach 1945 entstand er in Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und in Südtirol wieder.
Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß Ehrenmitglieder
Mitte der fünfziger Jahre wurden die Ehrenmitgliedschaft und die Familiaren wieder eingeführt. Ehrenritter wurden Kardinäle, Angehörige von Fürstenhäusern, der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer und der bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zählte der Orden etwa 70 größtenteils im Priesterstand befindliche Brüder, 300 Ordensschwestern und 500 Familiaren.
Eine Betrachtung zur Deutschordensgeschichte kann man nicht abschließen, ohne eine Bemerkung zu seiner verhängnisvolle Züge tragenden Einordnung in reaktionäre Geschichtsbilder. Bis Tannenberg/Grunwald lässt sich seine Geschichte noch, wenn auch unter einigen spezifischen Gesichtspunkten, der feudalstaatlichen Entwicklung im europäischen Mittelalter zuordnen, in der militärische Expansion der Stärksten zur Normalität gehörte.
In der Tradition der Revanche
Folgenschwer wirkte sich aus, dass die Nachfahren der Kreuzritter sich nicht mit dem Scheitern ihrer Expansionspolitik abfinden wollten und mit dem Anspruch auf die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete den Gedanken der Revanche nährten. Als Ursprung Preußens wurde später in der Geschichtsbetrachtung nicht die Mark gesehen, sondern der deutsche Ordensstaat. Noch nach einem halben Jahrtausend glaubte der Generalstabschef der 8. Armee des kaiserlichen Heeres, General Erich Ludendorff, mit dem Sieg bei den Masurischen Seen im September 1914 die Schmach von Grunwald/Tannenberg löschen zu können, in dem er die Kämpfe, die weit nördlicher stattfanden, als „Schlacht von Tannenberg“ bezeichnete. Wilhelm II. verstieg sich zu der chauvinistischen Behauptung, der Deutsche Orden habe ein Vorbild dafür gegeben, wie man mit östlichen Völkern umgehen musste. Unter Hitler wurde die frühe Ordensgeschichte, die mythologische Glorifizierung der Ritter des einstigen Ordenslandes Preußen und ihre Expansion für die Blut- und Bodenideologie (vom Land mit deutschem Gesicht, vom mit deutschem Blut getränkten Boden, der nicht schweigt) zur Rechtfertigung der eigenen Aggressionen genutzt.
Man kommt nicht umhin, festzuhalten, dass diese Ideologie der einstigen Ostlandreiter heute im deutschen Denken, auch von Regierungsvertretern lebendig ist. So wenn die frühere Außenministerin Annalena Baerbock einige Monate vor ihrem Amtsantritt in einem Interview mit der US-amerikanischen Denkfabrik „Atlantic Council“ den Endkampf ihres Großvaters in Hitlers Wehrmacht gegen die heranrückende Rote Armee als „wertvollen Beitrag für ein geeintes Europa“ lobpreiste, und das auch für Olaf Scholz kein Hindernis war, sie dann zur Chefdiplomatin der BRD zu berufen. Oder wenn im deutschen Bundestag Vertreter der Ukraine, wie in den USA und anderen EU-Ländern auch, die die Waffen-SS-Division »Galizien« und die Angehörigen dieser berüchtigtsten Massenmörderorganisation des »Dritten Reichs« verehren, auftreten können und unwidersprochen den Faschistengruß »Slawa Ukraini!«, der ukrainischen Variante des deutschen »Sieg Heil!«, aussprechen können. Welches Ausmaß der in der BRD verfolgte „Russenhass“ wieder angenommen hat, verdeutlichte auch ein Interview der ZDF-Journalistin Anna Loll, die prorussische Bewohner des Donbass vor laufender Kamera als »Untermenschen« bezeichnete. Diese Aussage wurde dann zwar nicht ausgestrahlt, aber von Unbekannten in den sozialen Netzwerken verbreitet. Von einer lebendig gebliebenen chauvinistischen Pervertierung zeugte auch, was die Münchner Politikwissenschaftlerin Florence Gaub in einer Markus-Lanz-Talkshow erklärte: „Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind, im kulturellen Sinne.“
Anmerkungen:
Zum Thema siehe auch
Gerhard Feldbauer: Die Kreuzritter in: Der Heilige Vater. Benedikt XVI. – Ein Papst und seine Tradition, PapyRossa Verlag, Köln 2010
1 Pruzzen, baltischer Volksstamm, im Ergebnis der Christianisierung ausgerottet oder germanisiert. Der Name des Stammes ging als Preußen auf alle Landesbewohner, 1701 auf den Staat über.
2 Die Bedeutung des Ausganges der Schlacht wird unterschiedlich gesehen. Der Sieg auf dem Peipussee festigte, nach dem 1240 bereits die Schweden an der Newa (daher Alexanders Beiname) geschlagen worden waren, die Position Russlands im Kampf gegen die Mongolo-Tataren (Goldene Horde) und gab der weiteren Gestaltung des russischen Reiches Auftrieb. Dementsprechend nimmt das Ereigís in der russischen Geschichtsbetrachtung einen herausragenden Platz ein. Eine entscheidende militärische Schwächung des Deutschen Ordens war die Niederlage nicht, da sie vor allem von einem Aufgebot des 1237 eingegliederten Livländischen Schwertbrüderordens ausgetragen wurde.
3 In der Festschreibung der Eroberungen nannte sich dieser Pontifex übersetzt heuchlerisch „Frieden stiftender König“.
4 Auch Formularende
Großwürdenträger, waren sie die obersten Vertreter einer Hierarchie (Staat oder Organisation), der Katholischen Kirche, wie auch Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, und so auch der Ritterorden.
5 Thorn, Torun, polnische Stadt in der Woiwodschaft Bydgoszcz an der Wisla (Weichsel), slawische Siedlung, 1231 vom Deutschen Orden als Stadt gegründet.













