Weil diese Geschmacklosigkeit auch in dem neuen Motel One am Berliner Hauptbahnhof, das einen ästhetischen Eindruck der Traurigkeit erzeugt, der Geschmacklosigkeit die Krone aufsetzt. Sie raten richtig: Das Hotel am Berliner Hauptbahnhof ist ansonsten alle Farben Grau. Für die Tristesse hatten die Verantwortlich, die auf der Pressekonferenz am Freitag, den 23. Juni 2011, vor versammelten Journalisten sprachen, jedoch nur einen Ausdruck parat: Design.
Dieter Müller, der als "CEO" vorgestellt wurde, was ausgeschrieben so viel wie Chief Executive Office heißt und hier offensichtlich zu bedeuten hat, daß der Mann Vorsitzender des Vorstands der One Hotels & Resorts AG ist, erwähnte außer "Design" noch den Begriff "Low Budget". Er meinte damit die Preise, welche laut Pressemitteilung für die "über 7490 Zimmer" (auf der Website ist aktuell von 6680 Zimmern die Rede) in "derzeit 36 Hotels" (bzw. 33 Hotels laut Website) aufgerufen werden. "Offensichtlich hält die für die Website verantwortliche Redaktion nicht mit dem Bauboom bei Motel One mit", merken wir an und bleiben beim Thema Low und Budget.
Low muß das Budget auch beim Bau dieses größten Hauses der "Low Budget Design Hotelkette", wie sie sich selber nennt, gewesen sein, daß der Architekt Gernot Nalbach, der seinem Namen mit dieser Erscheinung keine Ehre macht, dem Berliner da in den Sand gesetzt hat. Das Haus scheint so billig gebaut, daß mancher Journalist schon am Zustandekommen des wissenschaftlichen Titels des männlichen Parts der Baumeister Nalbach & Nalbach zweifelte. Wenig Geld für wenig Haus. "Muß man solche Aufträge annehmen?", fragen wir uns. Offensichtlich wird rund um den markanten, größten und modernsten Kreuzungsbahnhof Europas, den wir dem Architekten Meinhard von Gerkan vom Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner zu verdanken haben und der leider immer noch mit gekürztem Dach dahsteht, nur Mist gebaut.
Auch die Preise mit dem Label "Low Budget" halten beim genauen Hinsehen keiner Prüfung stand. Zwar werben die Münchener Motel One-Macher damit, daß die Zimmerpreise bei 49 Euro beginnen würden, doch das Motel One Berlin-Hauptbahnhof ruft für seine 505 Zimmer Preise ab 69 Euro auf. Wer – wie üblich – nicht nur übernachten sondern auch frühstücken will, der muß 7,50 Euro (und das ist ein sogenannter "ab"-Preis) hinzurechnen. Weil sich dieses Motel One laut Auskunft von Hotelmanager Miljan Draskovic vor allem an Geschäftsreisende richtet, dürfte bei 76,50 EUR noch nicht Schluß sein. Motel One nimmt Aufschläge. Auf deren Website heißt das "Eventzuschlag" und fühlt sich mit 20 bzw. 50 Euro auch so an. Hohe Extrakosten für Null Extraleistung werden immer dann verlangt, wenn Veranstaltungen Leute locken, sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu Lasten des Kunden verändert, der auch mit höheren Kosten, die dann auf ihn zukommen, bei Motel One kein König wird. Wie Bettelmänner wurden – nebenbei bemerkt – die geladenen Gäste bei der Eröffnungsfeier, die nach Pressekonferenz samt Zimmerbesichtigung und Dachterassenblick begann, abgespeist. Für eine Currywurst mit Pommes stand mancher Hungerleider Schlange. "Da bietet jede Berliner Tafel mehr", wußte wohl mancher Gourmand und verließ vorzeitig die Feier. Low war also auch das Budget für die Party.
Wir testen und tippen unter https://www.motel-one.com eine Buchungsanfrage ins Formular. Eine Nacht vom 2. auf den 3. September 2011 soll es sein. Diese Nacht von Freitag auf Samstag soll uns 119 Euro kosten. Das nennt Motel One "Bestpreis"? Addieren wir wieder die Kosten für ein Frühstück hinzu, dann kommen wir auf 126,50 Euro. W-Lan gibt es zudem kostenlos nur in der "’One Lounge‘, die Lobby, Frühstücksraum und Bar in einem ist". Welcher Geschäftsreisende aber will im Lärm lustiger Leute in einer Alles-in-einem-Lounge ernsthafterweise arbeiten? Da wird also noch der eine oder andere Euro zusätzlich für W-Lan auf dem Zimmer bezahlt werden müssen, wenn W-Lan denn dort technisch möglich sein sollte. Ich weiß nicht, wie sie das nennen, aber wir nennen das zu viel Geld für zu wenig Zimmer.
Ja, zu wenig Zimmer. Bei der Besichtigung eines Motel One-Zimmers kommt das Wort "Großzügigkeit" nicht ins Großhirn. Im Gegenteil: mit "klein", "eng" und ähnlichen Adjektiven assozierten manche der Menschen in Medien, die wie wir vom WELTEXPRESS ungern länger in dieser Zelle bleiben wollten als nötig, die dreiste Kleinigkeit. Daß die Glotze ein Flachbildschirm ist, das erwähnen wir nur, weil eine althergebrachte Wuchtbrumme von Röhren-TV nicht reingepaßt hätte, und also spaßeshalber.
Schön ist im Grunde nur der Blick über Berlin – weg vom Motel One -, den die Dachterasse im obersten Stockwerk bietet.