Berlin, Deutschland (Weltexpress). Ein Abhörskandals bisher nicht bekannten Ausmaßes löst in der Republik Italien eine Welle der Empörung aus. Wie jetzt durch Enthüllungen der internationalen Organisation für die Rechte und Sicherheit von Journalisten „Reporter ohne Grenzen“, französisch Reporters sans frontières, RSF, bekannt wurde, ist der Chefredakteur des Online-Nachrichtenportals „Fanpage.it“, Francesco Cancellato, von der Meloni-Regierung mit der Spionagesoftware Graphite des VS-israelischen Unternehmens Paragon Solutions, die offiziell für Regierungszwecke entwickelt wurde, seit langem überwacht worden. Die Überwachung erfolgte über einen in WhatsApp installierten Trojaner, über den die Messengerplattform nach Aufdeckung den Journalisten informierte.
Der Journalist ist für seine investigativen Recherchen über Korruption, organisiertes Verbrechen und Rechtsextremismus, darunter in der Jugendorganisation der Regierungspartei, der faschistischen Brüder Italiens (FdI), von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bekannt. So hatte er im Juni 2024 enthüllt, dass es in der Jugendgruppe eine Fülle rassistischer und antisemitischer Äußerungen gab und sich Mitglieder offen als Faschisten bezeichneten.
„Was wir aktuell in Italien beobachten, scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Wir rechnen mit weiteren Fällen“, sagte Helene Hahn, Referentin für Internetfreiheit bei RSF. Denn laut WhatsApp ist Cancellato nicht der einzige betroffene Journalist. Die Plattform nimmt an, dass insgesamt europaweit mindestens 90 Personen, darunter in Belgien, Dänemark, Griechenland, Österreich, Portugal, Schweden und auch Deutschland, ausgespäht werde, darunter auch italienischev Aktivisten, welche die Meloni-Regierung wegen ihrer Politik gegenüber Geflüchteten kritisieren.
In Italien wurden diese kriminellen Aktivitäten bisher verschwiegen, obwohl der britische „Guardian“ bereits am 1. Februar 2025 berichtet hatte, dass Francesco Cancellato durch die Spionagesoftware Graphite überwacht wird. Einfallstor für den Trojaner war die Messenger-Plattform WhatsApp gewesen. Das Citizen Lab an der Toronto-Universität habe die Fälle unabhängig forensisch analysiert, wonach die Betroffenen ohne ihre Zustimmung zu WhatsApp-Chatgruppen hinzugefügt und ihre Geräte über eine PDF-Datei mit der Überwachungssoftware infiziert wurden. Es habe sich offenbar um einen sogenannten Zero-Click-Angriff gehandelt, bei dem keine Aktion von Seiten der Opfer ausgeführt werden muss, da das übermitteln einer infizierten Nachricht bereits ausreicht, um ein Gerät digital zu infiltrieren.
RSF fordert die italienischen Behörden auf, umfassend aufzuklären, wer für diesen Angriff verantwortlich ist und betont, daß „der Schutz journalistischer Quellen … ein Grundpfeiler des Journalismus und seit Inkrafttreten der Europäischen Verordnung zur Medienfreiheit (EMFA) in der EU besonders geschützt“ sei – „zumindest auf dem Papier“.
Wie „Rai News“ berichtete, hat die Jounalistengewerkschaft Federazione Nazionale Stampa Italiana (FNSI) am 19. Februar 2025 eine Klage wegen Abhörens und unrechtmäßigen Zugriffs auf personenbezogene Daten von Francesco Cancellato eingereicht. Der Chefredakteur hatte bereits eine Woche zuvor bei der Staatsanwaltschaft von Palermo Anzeige erstattet. Whatsapp hat Paragon eine Unterlassungsaufforderung zugestellt und behält sich weitere juristische Schritte vor,
Die Meloni-Regierung versucht abzuwiegeln. Staatssekretär Alfredo Mantovano bestritt, dass es eine Überwachung von Medienschaffenden gibt und weigerte sich, Fragen von Abgeordneten zur Verwendung von Graphiten durch italienische Behörden zu beantworten, und bezog sich dabei auf die staatliche Geheimhaltung. Justizminister Carlo Nordio behauptete, im Jahr 2024 sei niemand von Einrichtungen abgehört worden, die vom Justizministerium finanziert werden. Die Spyware-Firma Paragon ihrerseits gab an, sie habe ihren Geschäftsvertrag mit dem italienischen Staat gekündigt, was die Regierung zunächst dementierte, später bestätigte.
Anmerkung:
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