Liberale haben Erfahrung beim Kanzlersturz

Helmut Schmidt (SPD) im Kanzleramt in Bonn, 1976. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048808-0033, Ulrich Wienke, CC-BY-SA 3.0

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das Ende dieser SPD-geführten Regierung ist Ausdruck der sich vertiefenden Krise des kapitalistischen Herrschaftssystems, in dem die Vertreter der bürgerlichen Parteien miteinander konkurrieren, um sich als seine besseren Sachwalter anzubieten. Dabei haben die wendefähigen Liberalen ein historisches Vorbild, denn sie stürzten schon einmal einen SPD-Kanzler, um danach zur Union zu wechseln und Helmut Kohl den Weg ins Bundeskanzleramt zu ebnen.

Das war 1982 als sie in der sozialliberalen Koalition Helmut Schmidt stürzten. Die Koalition war 1980 zur Verhinderung einer Wahl von Franz Josef Strauß zustande gekommen, zerstritt sich aber schon bald über den Nato-Doppelbeschluss, atomar bestückte Raketen vom Typ Pershing 2 und Cruise Missile in der BRD zu stationieren, was Schmidt ohne Wenn und Aber vertrat. Im Kern ging es aber auch damals um Wirtschaftsfragen. Der Sturz des Schah 1979 in Iran hatte die Ölkrise ausgelöst, der Ölpreis vervielfachte sich weltweit, was besonders die schon damals exportabhängige Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) hart traf. Die BRD musste 1981 rund 75 Milliarden D-Mark mehr für Energieeinfuhren (Erdöl und Erdgas) ausgeben, das Defizit in der Energiehandelsbilanz machte allein 1981 knapp fünf Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

Die FDP unter Führung von Otto Graf Lambsdorff stritt mit der SPD über Einschnitte ins soziale Netz, darunter Kürzungen beim Kinder- und Arbeitslosengeld, was die SPD, um nicht Wähler zu verlieren, in dem geforderten Umfang ablehnte und der FDP vorwarf, nur noch die Interessen der Wirtschaft zu vertreten.
Am 9. September 1982 präsentierte Lambsdorff in einem so genannten „Wende-Papier“ entsprechende Vorschläge zur „Reform“ der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nach Ablehnung durch den Kanzler brachten CDU-CSU und FDP in einem gemeinsamen konstruktiven Mißtrauensvotum Schmidt eine Niederlage bei. Danach traten die Liberalen in die Regierung der CDU-CSU unter Kohl ein.

Lindners Ankündigung, er wolle in einer neuen Regierung, gleich welcher, wieder Finanzminister werden, zeigt, dass er denselben Weg gehen will. Denn da ihn ein SPD-Kanzler kaum wieder nehmen würde, kann es sich nur um einen Wechsel zur CDU handeln.

Anmerkung:

Siehe die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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