Der „Lange Marsch“ der Volksbefreiungsarmee 1933-1935 quer durch China – Eine historisch einmalige Leistung – Der deutsche Kommunist Otto Braun nahm daran als Militärberater der Komintern teil

Der Lange Marsch 1934-1935. Grafik: Rowanwindwhistler, CC BY-SA 4.0

Berlin, BRD (Weltexpress). Anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China war auch an ein historisch einmaliges Ereignis zu erinnern: den „Langen Marsch“ der Volksbefreiungsarmee 1933-1935 quer durch China.

In China waren seit 1927 im Ergebnis des nationalen Befreiungskampfes unter Führung der KPCh ein zentrales Sowjetgebiet und danach weitere in Mittel- und Südchina entstanden. Das Tschiang Kai-schek-Regime ging mit Unterstützung imperialistischer Kräfte aus den USA, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands und Italiens mit überlegenen militärischen Kräften gegen die befreiten Gebiete vor. Umfangreiche Lieferungen an Flugzeugen, Panzern und Artillerie kamen, wie die „Rote Fahne“ der KPD am 6. Februar 1927 enthüllte, auch aus Deutschland.

Unter dem Druck der überlegenen gegnerischen Kräfte musste die zentrale Armeegruppe der Volksbefreiungsarmee, von der einige Verbände eingekreist waren, einen strategischen Rückzug, den „langen Marsch“, antreten. An dem legendären „Langen Marsch“ der Volksbefreiungsarmee quer durch China nahm der deutsche Kommunist Otto Braun als Militärberater der Komintern, von den chinesischen Genossen Li De („Li, der Deutsche“) genannt, teil.

Der am 28. September 1900 geborene Otto Braun kämpfte über 50 Jahre in den Reihen der revolutionären Partei der Arbeiterbewegung. Er stand in Deutschland 1919 auf den Barrikaden der Bayrischen Räterepublik und später an weiteren Brennpunkten bewaffneter revolutionärer Kämpfe. 1928 wurde er von der Klassenjustiz der Weimarer Republik in der berüchtigten Haftanstalt Moabit in Berlin eingekerkert. Dort wurde er im April 1928 von einer Gruppe von Kommunisten unter Leitung seiner damaligen Lebensgefährtin Olga Benario, der späteren Ehefrau des Generalsekretärs der KP Brasiliens, Carlos Prestos, die 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet wurde, befreit und floh danach in die Sowjetunion. Die Kommunistische Internationale delegierte den über militärische Erfahrungen verfügenden Kommunisten zum Studium an die Frunse-Militärakademie der Roten Armee. Nach dem Abschluss ging er 1932 im Auftrag der Komintern nach China, wo er über sieben Jahre als militärischer Berater beim Zentralkomitee der KP Chinas in Schanghai und in den Sowjetgebieten in Südchina arbeitete. Auf diesem Posten unterbreitete er auch den Plan für den legendären „Langen Marsch“, an dem er als einziger Ausländer teilnahm.

Bei der Volksbefreiungsarmee war Otto Braun auch Gegenspieler einer Gruppe von zirka 70 Militärberatern der Reichswehr, zu der zahlreiche weitere Techniker und Zivilisten gehörten, bei der Armee des konterrevolutionären Guomindang-Regimes unter Tschiang Kai-schek (Djiang Djia-schi). Die Gruppe aus der Weimarer Republik wurde mehrere Jahre von hochrangigen Militärs wie den Generälen Alexander von Falkenhausen und Hans von Seeckt, General im Ersten Weltkrieg und von 1920 bis 1926 Chef der Heeresleitung der Reichswehr, geleitet.

In seinen „Chinesischen Aufzeichnungen 1932-1939“ (Dietz Verlag, Berlin/DDR 1975) hat Otto Braun, ohne seine wichtige Rolle herauszustellen, ein anschauliches und sehr detailliertes Bild von diesem militärisch einmaligem Feldzug gezeichnet, das das Buch heute zu einer Rarität des Augenzeugen macht.

Während des am Abend des 16. Oktober 1933 beginnenden „langen Marsches“ legte die Armee 10.000 Kilometer zurück, durchquerte 12 Provinzen, überwand 18 Gebirgszüge, davon fünf mit ewigem Eis und Schnee, überquerte 24 breite Flüsse, mehrere gefährliche Sümpfe und bestand dabei unzählige, auch verlustreiche Gefechte mit den an Waffen und zahlenmäßig an Menschen überlegenen Kräften des Gegners. Die Truppen bewältigten oft täglich und das meist nachts Gewaltmärsche von 40 bis 50 Km. Die erste entscheidende Schlacht gewannen die Befreiungskämpfer, als sie Mitte Dezember 1933 die tiefgestaffelten Stellungen der Guomindang, die die deutschen Militär-Experten für „unüberwindlich hielten“, erfolgreich durchbrachen.

Beim Aufbruch zählte die Armee 75.000 bis 81.000 Mann, davon 57.000 bis 61.000 Kämpfer, die nur über etwa 42.000 Gewehre und 1.000 leichte und schwere Maschinengewehre verfügten. Es mangelte an Kleidung, Nahrung und Medikamenten. Als der „lange Marsch“ am 20. Oktober 1935 im nordwestlichen Wajaubau zu Ende ging, hatten 7.000 bis 8.000 Menschen, davon 5.000 bis 6.000 Soldaten, die Kämpfe überlebt. Das waren, wie Braun festhält „alles kampfgestählte Kader, die später im antijapanischen Krieg und im darauffolgenden Volksbefreiungskrieg das Rückgrat der Partei und der Armee bildeten“. Trotz der schweren Verluste war der lange Marsch „politisch betrachtet, dennoch ein Sieg der chinesischen Roten Armee“. Sie hatte „einer ungeheuren Übermacht feindlicher Truppen getrotzt, hatte ihre befestigten Stellungen und Einkreisungen durchbrochen, sie Dutzende Male geschlagen und Hunderte Male ausmanövriert“, so Braun weiter. Im Gebiet von Yanan (Jenan) konnte die KPCh eine neue Hauptbasis der revolutionären Kräfte errichten.

Mit dem „langen Marsch“ wurden die Pläne Tschiang Kai-scheks, die kommunistische Befreiungsbewegung zu zerschlagen, vereitelt. Patriotische Offiziere in seiner Armee, die den Bürgerkrieg ablehnten und für eine gemeinsame Front gegen die japanischen Aggressoren eintraten, erhielten im Gegenteil Auftrieb. Unter ihrem Druck musste Tschiang Kai-schek 1937 den gegen die Kommunisten geführten Bürgerkrieg einstellen und mit der KPch gemeinsam gegen Japan kämpfen. In dieser Zeit entstand in Huan Pei bei Kanton eine gemeinsam unterhaltene militärische Lehranstalt, an der sowjetische Militärs Offiziere der Volksbefreiungsarmee als auch Tschiang Kai-checks ausbildeten.

Während des „langen Marsches“ wurde Otto Braun auch Zeuge der parteiinternen Auseinandersetzung in der Führung der KP China, in denen sich Mao tse tung mit seinen kleinbürgerlichen Ansichten, in denen er die Bauernmassen als die entscheidende Triebkraft der Revolution sah, durchsetzte.

Im Herbst 1939 kehrte Otto Braun nach Moskau zurück. Der zweite Weltkrieg hatte begonnen und er brachte seine reichen militärischen Erfahrungen in die Rote Armee ein. Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR arbeitete er unter Kriegsgefangenen und lehrte an der zentralen Antifa-Schule in Krasnogorsk. Er übersetzte zahlreiche Bücher aus dem Russischen, darunter Scholochows „Ein Menschenschicksal“. In der DDR wirkte er von 1961 bis 1963 als Sekretär des Schriftstellerverbandes, war danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED verantwortlich für die 40-bändige Gesamtausgabe der Werke Lenins. Otto Braun verstarb am 15. August 1976 in Varna in Bulgarien.

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