Porträtskizzen: Wallenstein, der Richelieu Deutschlands – Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (1583-1634)

Wallenstein, genauer: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein. Bild: unbekannter Autor

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Ermordung des Feldherrn Albrecht Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg am 25. Februar 1634 ist in der Fachpresse schlicht übergangen worden. Dabei wurde beim Eingehen auf die Ereignisse zum 175. Jahrestag der deutschen Revolution 1848/49 gerade sichtbar, dass der Kompromiss der deutschen Bourgeoisie mit der Feudalreaktion und ihr Verrat am historischen Fortschritt historische Wurzeln hat, die bis in den Dreißigjährigen Krieg zurückgehen. 1 Das wird am Schicksal Wallensteins sichtbar, der, wie schon Friedrich Schiller in seinem großartigen gleichnamigen Drama herausarbeitete, im Dreißigjährigem Krieg „die progressivste Gestalt der Ereignisse“ war.

Der protestantische Adlige stand seit 1604 in Habsburgischen Dienste und war zum Katholizismus übergetreten. Durch Heirat mit Lucretia von Vickov war er ein einflussreicher Großgrundbesitzer in Ostmähren. Nach dem Tod seiner ersten Frau (1614) heiratete er 1623 Gräfin Isabella Katharina von Harrach.

Während des Krieges stellte er für den Habsburger Ferdinand II. (1578-1637), seit 1619 bis zu seinem Tod Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation), ein eigenes 40.000 Mann zählendes Heer auf, worauf dieser ihn den Oberbefehl über aller Kaiserlichen Truppen übertrug und ihn 1625 zum Herzog von Friedland ernannte.

Als eine Armee König Christian IV. von Dänemark in Deutschland einfiel, wurde sie in mehreren Schlachten von Wallenstein und dem Feldherrn der katholischen Liga Johann von Tilly geschlagen, darunter fiel 1626 der Sieg Wallensteins bei Dessau über die von Frankreich, England und Dänemark finanzierten Truppen des Söldnerführers Ernst von Mansfeld. Zusammen mit Tilly vertrieb Wallenstein danach die dänischen Truppen aus Deutschland. 1629 musste Christian IV. im Frieden von Lübeck zusagen, sich nicht mehr in deutsche Angelegenheiten einzumischen. Wallenstein hatte Ferdinand einen vollständigen Sieg verschafft. Der Kaiser belohnte ihn dafür mit dem Herzogtum von Mecklenburg und dem Fürstentum von Sagan.

Mit der Verabschiedung des Restitutionsedikts am 6. März 1629 festigt der Kaiser zwar seine Macht, brachte aber damit auch die protestantischen Fürsten noch mehr gegen sich auf. Denn die gewachsene Macht des Kaisers brachte die Fürsten wieder zusammen. Auf dem Kurfürstentag in Regensburg 1630 zwangen sie Ferdinand, Wallenstein zu entlassen und sein Heer zu verringern. Der Rest der Truppen wurde Tilly unterstellt, was die Position der katholischen Fürsten stärkte.

Der religiöse Rahmen der Auseinandersetzungen (Katholiken gegen Protestanten) war nicht der entscheidende, wie das Bündnis des katholischen Frankreich mit dem protestantischen Schweden gegen das katholische Oberhaupt des Reiches zeigte. Zentrales Thema wurde der Kampf zwischen der kaiserlichen Zentralgewalt und den partikularistischen Bestrebungen der Fürsten, in deren Ergebnis die ohnehin labile Zentralgewalt weiter geschwächt wurde.

Nachdem die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen auf die Seite Gustav Adolfs wechselten, gelang es diesem Tillys Heer am 17. September 1631 in der Schlacht bei Breitenfeld vernichtend zu schlagen. Norddeutschland fiel in schwedische Hand, Gustav Adolf drang nach Süddeutschland bis Bayern vor und verwüstete ganze Landstriche. Angesichts dieser Bedrohung setzte der Kaiser Wallenstein wieder als Generalissimus ein. Der stellte ein neues Heer auf und vertrieb den Schweden aus Süddeutschland nach Sachsen zurück, wo er am 16. November 1632 in der Schlacht bei Lützen geschlagen wurde und den Tod fand.

Der Drahtzieher der Ermordung Wallensteins 1634 war der kaiserliche Hof. Ferdinand II. fürchtete die zunehmende Machtfülle des erfolgreichen Heerführers, dessen pro-bonapartistische Haltung nicht ausschloss, dass er angesichts der Schwäche des Kaisers selbst danach hätte streben können, Herrscher Deutschlands zu werden.

Der erfolgreiche Heerführer verkörperte die Hoffnungen der nationalen Kräfte, die Einheit des Reiches herzustellen. „Wallenstein verfolgte“, schrieb Franz Mehring, „in Deutschland dasselbe Ziel, das Richelieu 2 in Frankreich gleichzeitig verfolgte: Die Herstellung einer rein weltlichen Monarchie, die sich frei von allen konfessionellen Gegensätzen über die hadernden Fürsten erheben, die Klassengegensätze im Inneren mildern und die gesamte Kraft der Nation nach Außen kehren sollte. (…) Er hatte ein sehr klares Ziel, das, wie das französische Beispiel zeigte, nicht nur erreichbar war, sondern auch im Sinne des historischen Fortschritts lag.“ 3
Zum Scheitern Wallensteins trug der Widerstand der Fürsten, katholischer wie protestantischer, aber auch des Bürgertums der Städte (der Hansestädte Hamburg, Bremen, Lübeck und weiterer) bei. Sie weigerten sich, ihre Schiffe für die Herrschaft über die Ostsee zur Verfügung zu stellen. Mehring erwähnt, dass sich Wallenstein mit weitreichenden Plänen trug, Konstantinopel zu erobern und die Türken aus Europa zu vertreiben, während ihm Stralsund, als er von ihm die Aufnahme einer kaiserlichen Besatzung verlangte, Widerstand. leistete 4

In Frankreich dagegen war Richelieu erfolgreich. Nach vierzehnmonatiger Belagerung eroberte er La Rochelle, den Hauptsitz der französischen Protestanten (Hugenotten). Danach machte er Front gegen Habsburg, um Frankreich die Vorherrschaft in Europa zu sichern. Richelieu, der, wie Wallenstein auch, Katholik und sogar Kardinal der katholischen Kirche war, vermied konfessionelle Bindungen. Er hetzte nicht nur die katholischen Fürsten in Deutschland gegen den Kaiser auf, sondern auch den protestantischen König von Schweden zum Einfall in Deutschland. Als Gustav Adolf nach langem Zögern schließlich 1630 mit seinem Heer an der pommerschen Küste landete, wollte auch er eine kaiserliche Herrschaft über die Ostsee verhindern. Magdeburg wurde von Tilly eingenommen, das der schwedische Oberst Falkenstein, der bei der Erstürmung der Stadt fiel, angezündet und völlig zerstört hatte. Um die Allianz zu festigen, schloss Frankreich am 23. Januar 1631 in Bärwalde einen Subsidienvertrag mit Schweden, in dem es sich verpflichtete, jährlich 400.000 Taler als Beihilfe für den Unterhalt einer schwedischen Armee von 36.000 Mann zu zahlen.

Die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen wechselten nun auf die Seite Gustav Adolfs, dem es so gelang, Tillys Heer am 17. September 1631 in der Schlacht bei Breitenfeld vernichtend zu schlagen. Urban VIII. (1568 -1644, Papst seit 1623) feierte Gustav Adolf, der ja der herrschenden Meinung der Kurie nach als Protestant ein Ketzer war, dennoch als seinen von „Gott gesandten Erretter“. 5

Aber auch Wallenstein fiel nun den kaiserlichen Mördern zum Opfer. Einzig Frankreich ging gestärkt aus den kriegerischen Auseinandersetzungen hervor. Es machte die Hoffnung, mit dem Frieden von Prag am 30. Mai 1635 zwischen dem Kaiser und Sachsen, den fast alle Reichsstände billigten, den Krieg zu beenden, zunichte.

Die Bauern, denen alle Lasten dieser Kriege erbarmungslos aufgebürdet wurden, leisteten oft Widerstand. Im Winter 1633/34 brach in Südbayern zwischen Isar und Inn der größte Bauernaufstand während des Dreißigjährigen Krieges aus. Die Bauern wandten sich gegen die Kontributionen, Truppen-Einquartierungen und Frondienste. Ihre Forderungen gingen soweit, ihnen die Feudalgüter zu übereignen. Sie setzten mehrfach die Obrigkeit in den Dörfern ab und riefen auf, sie überall zu stürzen. Den bewaffneten Haufen schlossen sich über 10.000 Bauern an. Sie überfielen selbst Kolonnen der Soldaten. Kurfürst Maximilian machte zunächst einige Zugeständnisse, ließ aber dann die Erhebung bei Ebersburg, das die Bauern angegriffen hatten, blutig niederschlagen. Damit ging der auf Bayern beschränkte Aufstand zu Ende.

Nachdem Frankreich und Schweden ihr Bündnis erneuert hatten, begann der nach ihnen benannte Krieg, dem sich die Niederlande, Mantua, Savoyen und Venedig anschlossen. Zur Durchsetzung seiner Hegemonie setzte Frankreich auf die Föderalisierung Deutschlands und auf die finanzielle Abhängigkeit möglichst vieler deutscher Fürsten. „Unter solchen Gesichtspunkten zog sich der Krieg in dem erschöpften Deutschland ohne entscheidende Schlachten, aber in blutigen, an Raub und Plünderungen reichen Feldzügen hin, wobei Frankreich-Schweden langsam das Übergewicht gewannen und die Partei des Kaisers diese in Brandenburg und Bayern einbüßte.“ 6

Die zunehmende Erschöpfung führte zu Verhandlungen, um die kriegerischen Auseinandersetzungen zu beenden, bei denen es den Siegern vor allem darum ging, ihre Eroberungen und Herrschaftsansprüche zu sichern. Ab 1643 führten die kriegführenden Parteien – das Reich, Frankreich und Schweden – in Münster und Osnabrück erste Friedensverhandlungen, in denen über territoriale Forderungen, Konfessions- und Restitutionsansprüche und andere Fragen gestritten wurde. 1645 schloss Sachsen mit Schweden den Waffenstillstand von Kötschenbroda und schied aus dem Krieg aus. Über den Frieden mit Spanien am 30. Januar 1648 kam es dann nach Vorverhandlungen in Osnabrück, am 24. Oktober 1648 in Münster (Westfalen) zum Westfälischen Frieden des Kaisers mit Frankreich und Schweden. Alle Reichsstände schlossen sich dem Vertrag an.

Deutschland, das Hauptkriegsschauplatz war, erlitt in einer bis dahin nicht gekannten Weise furchtbarste Verwüstungen und Verluste an Menschenleben. Seine materiellen Produktivkräfte wurden in großem Ausmaß vernichtet, die Leibeigenschaft vertieft. Der mordenden und brandschatzenden Soldateska sowie Hunger, Kälte und Seuchen fielen in Ost-, Mittel- und Südwestdeutschland, wo die meisten Kriegshandlungen stattfanden, 60 bis 70 Prozent der Einwohner zum Opfer. Bezogen auf ganz Deutschland raffte der Krieg die Hälfte der 16 bis 18 Millionen der Bevölkerung dahin. 7 Gravierende Folgen hatte das Scheitern der deutschen Kaiserherrschaft.

370 Jahre nach dem Westfälischen Frieden hieß, es auf dem Webauftritt der Stadt Münster, dass es sich bei dem Vertrag um einen Frieden gehandelt habe, „der Prinzipien des modernen Völkerrechts prägte“. Lassen wir eine Interpretation dieser seltsamen Auffassung von „modernem Völkerrechts“ dahingestellt und den Vertrag für sich sprechen.8 Sein Inhalt verdeutlicht, es war kein Vertrag des Friedens, sondern, wie Friedrich Engels einschätzte, „der Erniedrigung“ Deutschlands. Er stellte den Augsburger Religionsfrieden von 1555 wieder her, dehnte ihn auf die Kalvinisten aus und schrieb damit die freie Kirchenwahl fest. Dem deutschen Kaiser wurden wesentliche Souveränitätsrechte entzogen und auf den Reichstag 9 übertragen.

Frankreich raffte „die reichsten Striche des westlichen Deutschland an sich“ (Mehring). Ihm wurde der Besitz von Metz, Toul und Verdun zuerkannt, Habsburg musste ihm u. a. Ober- und Unterelsass mit zehn Städten (ausgenommen Straburg) überlassen. Schweden raubte Vorpommern mit Stettin, die Inseln Rügen, Usedom und Wollin, die Stadt Wismar. Die Stifte Verden und Bremen bekam es als Reichslehen. Brandenburg wurde Hinterpommern, die Bistümer Cammin, Halberstadt, Minden und die Anwartschaft auf das Fürstentum Magdeburg zugesprochen. Mecklenburg wurden die Bistümer Schwerin und Ratzeburg zugeschlagen. Sachsen wurde der Besitz der Lausitz bestätigt. Bayern erhielt die Kurfürstenwürde und die Oberpfalz. Den Niederlanden und der Schweiz wurde ihre endgültige Unabhängigkeit bestätigt. Die Hauptsieger des 30jährigen Krieges – Frankreich und Schweden – wurden als Garanten des Westfälischen Friedens eingesetzt. Sie erhielten ein Mitspracherecht in den Angelegenheiten des Besiegten. In Deutschland wurde gleichzeitig mit dem wachsenden Absolutismus die Kleinstaaterei vertieft. 10
„Eine ähnliche Zerstörung hat ein großes Kulturvolk niemals zu erdulden gehabt. Um 200 Jahre wurde Deutschland in seiner Entwicklung zurückgeworfen. 200 Jahre hat es gebraucht, bis es wieder auf die ökonomische Höhe gelangte, die es bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges behauptete“, urteilte Franz Mehring. „Die letzte Autorität von Kaiser und Reich war unwiederbringlich dahin. Die ökonomischen Ursachen der deutschen Reformation wirkten fort und fort. Die ‚Libertät‘ der Stände, das heißt, die Souveränität der Landesobrigkeiten, siegte auf der ganzen Linie, selbst das Recht, Bündnisse mit dem Ausland zu schließen, wurde ihnen durch den Westfälischen Frieden verbürgt.“ 11

Zu den schwerwiegenden Folgen (darunter Nachwirkung in Österreich bis 1866), gehörte, dass die Formierung eines deutschen Nationalstaates als Grundlage der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung aufgehalten und „Deutschland für 200 Jahre aus der Reihe der politisch tätigen Nationen Europas gestrichen wurde“. 12

Anmerkungen:

1 Siehe Beitrag des Autors « Mit dem Fall der Festung Rastatt am 23. Juli 1849 endete die deutsche Revolution von 1848/49 – Die Niederlage war nicht unausweichlich“, Weltexpress, 12. Jul 2024.

2 Richelieu (1585-1642), Armand Jean du Plessis, Herzog. 1607 in Rom zum Bischof geweiht, Mitglied der Generalstände. Protegiert von der Königin-Mutter Maria von Medici. 1622 zum Kardinal ernannt. 1624 Erster Minister.

3 Franz Mehring: „Der dreißigjährige Krieg“ in: Zur deutschen Geschichte, Gesammelte Werke, Bd. 5, Dietz Verlag Berlin/DDR 1964, S. 47.

4 Ebd., S. 47 f.

5 Zit. nach Mehring, Ebd., S. 50.

6 Wilhelm Treue: „Das konfessionelle Zeitalter und die Glaubenskämpfe“ in: Deutsche Geschichte. Von den Germanen bis zu Napoleon. Augsburg 1990, Bd. I, S. 316. Treue ist nach Franz Mehring zu den Historikern zu zählen, die eine realistische Abhandlung bieten und nicht den gängigen Klisches von den Religionskriegen verfallen.

7 Kleine Enzyklopädie „Deutsche Geschichte“, Leipzig 1965, S. 162. f.

8 Zum Text siehe Deutsche Friedensverträge aus vier Jahrhunderten, Berlin/DDR 1962, S. 17-48.

9 Der Reichstag war bis 1806 die Versammlung der Reichsstände bestehend aus: den geistlichen: Kurfürsten, Erzbischöfen und Bischöfen, Vorstehern der Reichsabteien, dem Hoch- und Deutschmeister, dem Johannitermeister, und den weltlichen: Kurfürsten, Herzöge, Fürsten, Land- und Markgrafen, einigen Grafen und Freiherren sowie den Vertretern der Reichsstädte.

10 In Deutschland existierten im 16./17. Jahrhundert mit Grafschaften, Fürsten- und Herzogtümern, unabhängigen Städten und sonstigen kleinsten Besitztümern wie der Freiherren ungefähr 300 Kleinstaaten. Etwa 200 löste der 1803 verabschiedete Reichsdeputationsausschuss auf und beseitigte damit die schlimmsten Auswüchse der politischen Zersplitterung.

11 Mehring, a. a. O., S. 51.

12 Friedrich Engels: Einleitung zur englischen Ausgabe der „Entwicklung des Sozialismus“. MEW, Bd. 22, Dietz Verlag Berlin/DDR 1963, S. 300.

Anzeige:

Reisen aller Art, aber nicht von der Stange, sondern maßgeschneidert und mit Persönlichkeiten – auch Polit-, Bildungs- und Studienreisen durch ehemalige und noch deutsche Lande –, bietet Retroreisen an. Bei Retroreisen wird kein Etikettenschwindel betrieben, sondern die Begriffe Sustainability, Fair Travel und Slow Food werden großgeschrieben.

Vorheriger ArtikelÜber 30 demokratische Abgeordnete fordern Biden auf, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen
Nächster ArtikelFrankreich sperrt einige russische Journalisten „vorsichtshalber“ von den Olympischen Spielen aus – Minister