Swinemünde, Polen; Malmö, Schweden; Berlin, Deutschland (Weltexpress). Im April wurden die Farben der Fähren, die im westpommerschen Swinemünde an- und ablegen, neu gemischt. Hinzugekommen sind Blau und Weiß, Markenzeichen der im Ostseeraum führenden Reederei Finnlines und Flaggenfarben des nordskandinavischen Landes. Wo bisher zwei polnische und eine deutsche Fährgesellschaft Platzhalter gewesen sind, hat sich das finnische Unternehmen dazugesellt. Denn die polnische Stadt Swinemünde mausert sich.

Nicht zu Unrecht ist sie sogar im NDR als „Boomtown“ betitelt worden. Die Autobahn 3 oder E 65 von Stettin wird, wenn sie komplett fertig ist, in der Stadt enden. Doch allein der Tunnel unter der Swine hat der Region nach nur einem Betriebsjahr schon einen mächtigen Schub beschert. Wir haben uns dazu auch auf Wollin umgesehen, der Nachbarinsel von Usedom. Was an Hotels und Gaststätten – empfehlenswert ist das „Port“, eine alte deutsche Seenotrettungsstation aus den zwanziger Jahren mit Sonnenterrasse am Strand und lokalen Spezialitäten zu moderaten Preisen – zum Beispiel im altbekannten Seebad Misdroy aus dem Boden geschossen ist, nötig dem Gast Respekt ab. Da wird nicht gekleckert, sondern mächtig geklotzt. Auf der gegenüber liegenden Seite sieht man diese Konkurrenz nicht ganz so freudig.

Typischer westpommerscher Fischkutter auf dem Strand von Misdroy. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Misdroy, 2024
Der weite Strand von Misdroy mit Steilküste am Nationalpark. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Misdroy, 2024
West-Einfahrt in den Swine-Tunnel . © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Swinemünde, 2024

Fan der neuen Linie

Mit neuen Ladungsströmen werden natürlich immer auch Touristen angezogen, die entweder im Land bleiben oder weiterreisen nach Schweden, Dänemark, Norwegen oder Finnland. Autofahrer aus dem Berliner Raum, vor allem südlich und östlich davon, profitieren ebenso wie die südost- und südeuropäischen Länder.

Gerhard Müller aus dem niederösterreichischen Sankt Pölten wartet gemeinsam in einer größeren PKW-Gruppe auf das Signal, an Bord der Fähre „Finnfellow“ rollen zu können. Er outet sich als Fan der neuen Linie: „Von Österreich hier herauf, das spart Zeit und Kosten. Die Autobahn wird einen zusätzlichen Anreiz bieten“.

Man muss allerdings bei der Zufahrt aufpassen, denn es gibt zwei Fährhäfen. Der von Finnlines liegt etwas weiter südlich an der ul. Jana Soltana 1. So sollte man es auch ins Navi eingeben, sonst irrt man unnötig in der Gegend herum.

Deutsche Touristen aus den Usedomer Kaiserbädern nutzen die neue Möglichkeit, um nicht nur günstig in Polen zu tanken oder Zigaretten zu kaufen, sondern auch um eine „richtige Seereise“ zu machen, wie einige von ihnen verraten, mit denen wir vor der Terminalschranke auf grünes Licht warten. „Aus Ahlbeck sind wir rübergekommen“, erzählt uns ein Karlsruher Paar, „in zwanzig Minuten sind wir hier gewesen“.

Der Lilla Torg im Zentrum von Gamla Staden der Altstadt von Malmö. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Malmö, 2024

Auf zum Gamla Staden!

Wir sind neugierig geworden und freuen uns auf eine „Minikreuzfahrt“ nach Malmö. Wir staunen, wie ausgelastet das Schiff mitten in der Woche ist. Nicht nur durch LKW, sondern auch durch PKW. Wir beziehen unsere kleine Kabine, gehen ins Restaurant (Buffet-Restaurant gegen Aufpreis von 22 ) und genießen das Essen mit Auslaufmanöver pünktlich um 21.30 Uhr. Übrigens sind die Softdrinks dazu frei, Alkoholika müssen dazu gekauft werden.

Die Nacht an Usedom, Rügen und Mön vorüber verläuft ruhig. Der 188 Meter lange 34.000-Tonner wiegt einen in einen kuschligen Schlaf, bis morgens voraus die knapp acht Kilometer lange Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö auftaucht. Noch ganz klein duckt sich dahinter das 190 Meter hohe „gedrehte“ Wahrzeichen der Sundstadt: der „Turning Tower“. Es wird Zeit zum Aufstehen. Für 12 Euro gibt´s ein reichliches Frühstück, das bis zum Abendessen locker vorhält.

Blick ins Restaurant auf Deck 7 im Vorschiff. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Ostsee, Schweden, 2024
Kapitän (rechts) und Erster Offizier auf der Brücke. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Ostsee, 2024
Der gedrehte Turm, das Wahrzeichen von Malmö, achterau. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Malmö, 2024

Im Nordhafen, dem Norra Hamnen auf Schwedisch, legt Kapitän Björn Kassten sein Schiff sanft an die Pier. Wir sind froh, ein Auto dabei zu haben, denn man ist hier draußen weitab vom Schuss. Außerdem wollen wir die Zeit bis zur Rückfahrt um 10.15 Uhr für eine Stadtrundfahrt nutzen. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, kommt einem bei fast leeren morgendlichen Straßen in den Sinn. Glück für uns, so dass wir die Gamla Staden oder Altstadt in einer Viertelstunde erreicht haben. Dazu Parkplätze im Überfluss. Selbst am Radhus und bei König Gustav X. hat man freie Auswahl. Links und rechts der kleinen Gasse Lilla torg ziehen sich niedrige Fachwerkhäuser mit idyllischen Innenhöfen hin. Restaurants aller Art verlocken hier zum längeren Bleiben. Die Zeit reicht auch noch für einen Blick in die Sankt Petri-Kirche im Backsteingotik-Stil aus dem 14./15. Jahrhundert. Ihre Strebebögen sind sehenswert.

In wenigen Minuten ist man am bekannten Schloss Malmöhus mit seinem Museum. Dies und das schräg gegenüber liegende Seefahrtsmuseum sparen wir uns für die nächste Minikreuzfahrt auf.

Am Check-in (fürs Navi: Malmö, Lappögatan 38) hat sich bereits wieder ein internationaler PKW-Pulk angesammelt. Auch von einigen dieser Fahrern hört man, wenn man sie danach fragt, die Meinung, dass man von Malmö mit „Finnfellow“ günstig über die Ostsee nach Süden springen könne. Aus der Deutschland-Zentrale in Lübeck ist die erfreuliche Nachricht zu erfahren, dass eine Ausweitung des Verkehrs angedacht sei, also dann zwei Schiffe eingesetzt werden sollen. Dann kann man in beiden Häfen wählen zwischen jeweils einer Tages- oder Nachtabfahrt und hat für ein ausgiebiges Sightseeing genügend Zeit.

Dr. Peer Schmidt-Walther an Bord der MS „Finnfellow“ vor Öresundbrücke. © Foto/ BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Ort und Datum der Aufnahme: Ostsee Dänemark/ Schweden, 2024

Infos:

MS “Finnfellow“; Typ: Ro-Ro-Passagierfähre; Baujahr: 2000; Werft: AESA Puerto Real, Spanien; Länge: 188,30 m; Breite: 28,70 m; Tiefgang (max.): 6,3 m; BRZ: 33.724; Antrieb: 4 x Sulzer8ZAL40S je 6000 kW; Bugstrahlruder: 2 x 1500 kW; Geschwindigkeit (max.): 19 kn; Crew: 40 Pers.; Ladestrecke: 3100 m; Eigner: Finnlines Plc, Helsinki; Reederei: Rederi AB Nordö-Link, Malmö; Heimathafen: Malmö; Flagge: Schweden

Anmerkung:

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