Berlin, Deutschland (Weltexpress). Je älter der Mensch wird, umso stärker und intensiver scheint er sich an die frühen Phasen seines Lebens zu erinnern. Eine seltsame, aber wahrscheinlich auch eine ganz natürliche Erscheinung. Denn das Kurzzeitgedächtnis wird immer weniger gebraucht, es „verkalkt“ und legt deshalb viele alte, oft jedoch sehr gut gespeicherte „Fakten“ der frühen Kindheit und Jugend in unserem Gehirn wieder frei. Ohne Zweifel können sich bei der zeitlichen und inhaltlichen Zuordnung derartiger Erinnerungen an die frühe Kindheit auch Irrtümer und Fehler einschleichen. An den grundsätzlichen Aussagen und Schlussfolgerungen der Erinnerungen eines gewissen Herrn …, der im nachstehenden Text über seine frühe Kindheit spricht, ändern derartige Ausrutscher de facto nichts. Genau genommen gar nichts!
Alles begann zunächst mit einer sehr absurden und hitzigen Diskussion über die Spezielle Militärische Operation Russlands in der Ukraine (SMOR). Es stellte sich heraus, dass Herr … im Jahre 1942, d.h. im Dritten Deutschen Reich geboren wurde. Als Zeitzeuge erzählte er mir viele interessante Details über sein Leben, die ich nicht kannte und deshalb an dieser Stelle mit seiner Zustimmung zum Teil gern wiedergebe.
Besonders faszinierten mich seine dramatischen „Erinnerungen“, Kenntnisse und Beschreibungen über Bombenangriffe der Angelsachsen auf die Stadt Leipzig in den Jahren 1943 bis 1945. Angesichts seines damaligen Alters drängte sich bei mir natürlich sofort der Gedanke auf, dass er sein Wissen über die Luftangriffe der Briten und Amerikaner auf die Stadt Leipzig erst viel später erhalten hat, d.h. letztendlich nur aus Büchern und entsprechenden Zeitdokumenten kennt [1]. Besonders beeindruckend und sehr plastisch waren für mich jedoch bestimmte Aussagen, die ohne Zweifel als Beweis seiner unmittelbaren Betroffenheit von dem Flächenbombardement am 10. und 11. April 1945 dienen können.
So erzählte er mir: „Ich saß mit meiner Schwester – geboren 1941 – im Luftschutzkeller eines Mehrfamilien-hauses in Leipzig-Gohlis, als dort eine Bombe einschlug. Nach unserer hektischen Flucht aus dem Keller auf die Straße blickten wir damals mit Entsetzen auf das in Flammen stehende Haus. Besonders beeindruckte uns ein brennender Flügel in der oberen Etage, der scheinbar frei in der Luft schwebend irgendwelche seltsamen Töne von sich gab. …“.
„Natürlich wussten wir damals nicht, dass unser Wohnhaus von einer Phosphorbombe zerstört worden ist. Auch die Tatsache, dass es sich praktisch um einen terroristischen Angriff gegen die deutsche Zivilbevölkerung handelte, wurde uns erst viele Jahre später erklärt. Ob sich die Deutschen besonders rücksichtsvoll gegenüber der britischen Bevölkerung verhalten haben, kann ich nach der Bombardierung englischer Städte (z.B. der Stadt Coventry am 14. November 1940) beim besten Willen nicht behaupten“.
Mit der gleichen Überzeugung, Klarheit und Offenheit sprach er auch über sein Leben als Straßenkind.
„Unser Vater – ein treuer deutscher Offizier und Anhänger der Faschisten – ist 1940 mit großer Begeisterung in Frankreich einmarschiert. In seinem Siegesrausch, verwöhnt vom besten französischen Cognac und von bestimmten Mädchen, kam er 1942 an die Ostfront und beteiligte sich dort an der erbarmungslosen Ausrottung sowjetischer Menschen (Genozid). Unsere leibliche Mutter hatte in dieser Zeit offensichtlich einen Liebhaber. Nach der offiziellen Scheidung unserer Eltern (kurz vor dem Einsatz unseres Vaters an der Ostfront), nach ihrer ehelichen Trennung (wir wurden per Gerichtsbeschluss von unserer „schuldig gesprochenen“ Mutter getrennt und dem abwesenden „unschuldigen“ Vater übergeben!) fanden wir uns praktisch auf der Straße wieder“.
„Das Problem der Kinder ohne Mutter und Vater wurde bei den Nazis sehr schnell und effektiv durch eine so genannte Ferntrauung unseres Vaters an der Front vom … (Keine Ahnung, wie diese Einrichtung für verwahrloste Kinder bei den Nazis damals hieß!) gelöst. Wir erhielten eine Leihmutter, zogen in ihre Wohnung nach Leipzig-Lindenau und lebten dort „im deutschen Geist und in deutscher Ordnung“, d.h. ohne Sinn und Verstand und ohne jegliche Obhut. Bei allem Verständnis und aller Toleranz, noch heute kann ich diese Leihmutter nur als billige Hure und bösartige deutsche Schlampe bezeichnen. Sie wechselte ständig ihre Liebhaber, kam tagelang nicht nach Hause, ließ uns hungern und schlug uns – d. h. die ihr anvertrauten zwei Kleinkinder – bei jeder Gelegenheit. Niemand nahm das damals im Haus bzw. in der näheren Umgebung besonders zur Kenntnis! Offensichtlich beschäftigte sich schon damals jeder nur mit sich selbst!“
„So lernten wir das wahre Leben im damaligen Nazi-Deutschland kennen. Unsere Verwahrlosung und Vereinsamung nahm grenzenlose Ausmaße an, der ständige Hunger trieb uns zum Diebstahl von allem, was irgendwie essbar war. Manchmal haben wir vor Hunger sogar Zeitungspapier gegessen.“
Als 1945 die sowjetischen Truppen nach Leipzig kamen, hat sich das Leben von Herrn … und seiner Schwester schlagartig verändert. Ihre Soldaten und Offiziere nahmen für die begangenen Gräueltaten der europäischen Faschisten und Nazis in der Sowjetunion [2, 3] keine Rache. Im Gegenteil! Sie verbreiteten Zuversicht und Hoffnung für den Aufbau eines besseren menschlichen Lebens und … von dem Wenigen, was die Sowjetunion selbst besaß … gaben sie uns und vielen anderen hungernden Menschen in Deutschland immer etwas zum Essen.
„Es geschah, was geschehen musste. Unsere Leihmutter setzte uns bei der Großmutter vor die Tür. Sie selbst verschwand und wurde nie wieder gesehen. Ein Bild oder Foto von dieser Leihmutter besitzen wir nicht. Gott sei Dank! Denn ihr Bild wurde zu unserem eigenen Schutz in unserem Gedächtnis vollständig gelöscht.“
„Denn Jesus, des Menschen Sohn Gottes ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern sie zu erhalten (Lukas 9:55)“ [4].
Von der Sowjetischen Besatzungsmacht wurde Herr … im Jahre 1947 (damals ein 5-jähriger Junge) wegen seiner Unterernährung zu einer Heilkur in die Stadt Naumburg an der Saale geschickt. Noch heute ist er überzeugt, dass sie ihm mit dieser Entscheidung und mit dieser Kur das Leben gerettet haben.
Mit Tränen in den Augen erzählte er mir bei einem weiteren Gespräch:
„Im Jahre 1948 hatte ich bereits Adoptiveltern in Leipzig, bei denen ich zur Eingewöhnung regelmäßig wohnte und schlief. Ein sehr liebes Ehepaar ohne Kinder, das sich einen kleinen Jungen vom ganzen Herzen wünschte. Angesichts des hohen Alters meiner Großmutter kam ich ein Jahr früher als geplant in die Schule. Unser 1. Klassenlehrer erhielt von uns den Spitznamen Bambus, weil er uns für jeden Fehler und Disziplin-verstoß mit seinem Bambusstock erbarmungslos auf die Hände schlug. Nach einem Jahr wurde er fristlos aus dem Schuldienst entlassen. Warum sehe ihn noch heute mit dem Stock auf die Hände klopfend durch die Klasse gehen? Weil ich damals als jüngster, kleinster, schwächster und dümmster Schüler der ganzen Klasse vor ihm ganz besonders große Angst hatte.“
Sehr viel und sehr ausführlich erzählte mir Herr … über die völlig unerwartete Rückkehr seines leiblichen Vaters aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft im Jahre 1949. Er sprach über seine überwältigenden Glücksgefühle, über seine unbändige Freude, über seine großen Hoffnungen, aber auch über die schmerzhaften Enttäuschungen, die ich mir nicht wage, ohne seine offizielle Erlaubnis an dieser Stelle vollständig wiederzugeben. Deshalb nur die folgenden wenigen Worte aus meinen umfangreichen Notizen über dieses Gespräch:
„Nach der Rückkehr meines Vater aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft nach Deutschland wurde das Adoptivverfahren sofort eingestellt. Leider war das damit verbundene Glücksgefühl nur von kurzer Dauer. Bereits nach einem halben Jahr heiratete er eine sehr junge Frau, die weder einen Sinn noch eine Neigung für Kinder hatte. Von Liebe ganz zu schweigen. Die benahm sich selbst wie ein Kind, stand sofort im Mittelpunkt der ganzen Familie, d.h. de facto immer an erster Stelle. Das Erziehungs-prinzip unseres Vaters war erschreckend einfach: Versetze deinen Untergebenen in panische Angst, schüchtere ihn ein, erniedrige ihn, drohe ihm mit hohen Strafen für jeden Verstoß gegen die festgelegte deutsche Disziplin und Ordnung, prügle ihn bei jeder Gelegenheit, egal ob er für ein Vergehen schuldig oder unschuldig ist“.
„Nach seinen Attacken bin ich oft die ganze Nacht in Panik durch die Straßen gelaufen, weil ich tatsächlich glaubte, dass ich für irgendeinen lächerlichen Mund-Raub in einem Lebensmittelgeschäft viele Jahre ins Gefängnis kommen werde. Heute weiß ich, dass er mit seinen absurden Drohungen, Einschüchterungsversuchen und mit seinen Prügelstrafen nur seinen eigenen Frust über den Sieg der Sowjetunion, über seine Gefangenschaft und über den Untergang von Nazi-Deutschland abzubauen versuchte. Ja, ich gebe es zu! Ich habe immer versucht, ihn zu verstehen und ihm zu verzeihen. Denn im Grunde genommen war er ein armseliger Mensch, der von der Besatzungszeit in Frankreich schwärmte, aber uns Kindern über den Krieg in der Sowjetunion, über die dort begangenen Gräueltaten (GENOZID), über seine Gefangenschaft, über seine Denazifizierung bis 1949, über die wunderbaren tapferen sowjetischen Menschen nichts erzählt hat. Kein einziges Wort!“
An dieser Stelle beende ich meinen kurzen Bericht über die Gespräche mit Herrn …
Im Jahre 1956, d.h. im Alter von 14 Jahren, hat er eine für sein ganzes weiteres Leben einschneidende Entscheidung getroffen. Er hat sein sogenanntes Elternhaus fluchtartig verlassen und in der Stadt … den Beruf eines … gelernt.
Warum schreibe ich Ihnen das? Nur um Ihnen an Hand dieser einfachen Lebensgeschichte zu zeigen, welche katastrophalen Folgen die kolonial – nazistische Ideologie in Europa auf die Menschen, insbesondere auf unsere künftigen Generationen hat?
Wie ist es möglich, dass nach fast 80 Jahren deutsche Soldaten wieder an der Grenze Russlands stehen? Es ist unglaublich! Einfach unfassbar! Sind die aggressiven NATO-Staaten unter Führung der USA tatsächlich bereit, Russland anzugreifen und zu vernichten? Wie ist das möglich? Wie kann das sein? Wie oft haben wir in unserem Leben an den Gräbern der für unsere Befreiung vom Faschismus gefallenen Sowjetsoldaten ewige Treue und Freundschaft mit der Sowjetunion (jetzt Russland!) geschworen? Mehr als 6,5 Millionen Menschen der DDR waren Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft! Allein der Satz „Nach der Wende und friedlichen Revolution verlor die Gesellschaft für Deutsch – Sowjetische Freundschaft (DSF) wie die meisten Massenorganisationen der DDR den Großteil ihrer meist nur zahlenden Mitglieder.“ im Internet [5] ist ein beispielloser politischer Skandal. Denn von welcher Wende und von welcher friedlichen Revolution ist überhaupt die Rede? So heuchlerisch wie das ganze politische System in Europa, so heuchlerisch ist auch die Aussage über die meist nur zahlende Mitgliedschaft in dieser Freundschaftsgesellschaft! Für uns war, ist und bleibt die Freundschaft mit der Sowjetunion/Russland eine Sache des Herzens und des gesunden Menschenverstandes. Eine wahre Freundschaft mit der Sowjetunion, mit ihren Völkern und Menschen hat es nach den Worten der „europäischen Demokraten“ nie gegeben! Deshalb wurde der aggressive NATO-Block bis an die russische Grenze ausgedehnt. Deshalb wurden amerikanische Angriffs-Raketen in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze stationiert. Deshalb wurde die Ukraine nazifiziert und mit vielen Milliarden Dollar auf einen großen Krieg gegen Russland vorbereitet. Ein beispielloser Hass gegen Russland, gegen seinen legitimen Präsidenten, gegen seine Völker und Menschen wird vom amerikanischen Establishment und von seinen Vasallen gesät. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde! Mit einer beispiellosen Neuauflage der alten Russophobie wird versucht, die Russische Föderation von innen zu zerstören und zu vernichten. „Russophobie – das ist eine Ideologie des Rassismus, sie macht die Menschen blind und schaltet ihren Verstand aus“, sagte Vladimir Putin zurecht am 29. Februar 2024 in seiner jährlichen Botschaft an die Russische Föderation [6].
Um die Erscheinung der Russophobie richtig zu verstehen und zu bewerten, müssen wir seine Geschichte kennen. Deshalb beschäftigen wir uns nachstehend mit ihrer Geschichte.
Als der Begriff „Russophobie“ in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts erstmals in der Presse erschien, bezeichnete er nur eine Erscheinung, die wesentlich älter ist, als der Begriff selbst. Russland und die Russen nicht zu lieben, stellte kein Problem dar, so lange die damit verbundenen Aktionen und Handlungen nicht auf ein Zerstörung des Landes und auf die Ausrottung seines Volkes (GENOZID) gerichtet waren. Eine blinde Anbetung von europäischen Werten als wichtigsten und einzig richtigen geistigen Reichtum der irdischen Zivilisation gab es damals noch nicht. Der Versuch, die Beziehung zwischen Europa und Russland mit einer Mutter – Tochter – Beziehung zu vergleichen, erwies sich deshalb als besonders absurd.
Alles begann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, genauer gesagt im Zeitalter der großen kolonial-räuberischen Expansion von Westeuropa. In einem gierigen Wettbewerb mit den Spaniern und Portugiesen waren die Briten fest entschlossen, bisher verlorenes aufzuholen, d. h. sich alles unter den Nagel zu reißen, was ihre Konkurrenten bereits erobert bzw. noch nicht erobert hatten. So wurden die britischen Kolonialisten im Moskauer Gebiet mit einem Reichtum konfrontiert, der ihnen den Atem verschlug. Es ging nicht nur um viele Pelze, viel Getreide, große Mengen von Lebensmitteln und Material für den Schiffsbau, sondern auch um die unbezahlbare geopolitische Ressource der Wasserstraßen von der Wolga bis zum Kaspischen Meer, d.h. in Richtung der Kolonialgebiete Persien, Mittelasien und Indien. Verärgert hat die Gäste aus dem Albino, das dies nicht den Indianern gehörte, sondern einem mächtigen Souverän, einer wachsenden russischen Macht, Iwan dem Schrecklichen (Ich verwende bewusst diese diskriminierende Bezeichnung, wohl wissend, dass dieser Zar nicht schrecklicher als die britischen Kolonialherren war). Deshalb haben sie angestrengt überlegt, wie sie den Russen die Kontrolle über den internationalen Handel mit dem Osten wegnehmen können [7].
Die „großen britischen Diplomaten“ erkannten damals sehr schnell, dass die Russen bunte Glasperlen nicht als Währung akzeptieren werden. Einerseits sahen sie eine große und starke Staatsmacht vor sich, andererseits ein „barbarisches Volk“, das „wie niemand in der Welt“ in der Lage ist, allen Widrigkeiten zu trotzen. Einige von ihnen haben verstanden, dass die Verbindung von materiellen und moralischen Potentialen dem russischen Staat starke Impulse zur Entwicklung einer einflussreichen Kraft in Europa verleiht. Eine Perspektive, die den Angelsachsen kein besonderes Vergnügen bereitet hat. Gerade deshalb haben sie in jeder Situation versucht, in den abgeschlossenen Geschäften einen großen wirtschaftlichen und politischen Gewinn zu erzielen. Ohne Zweifel musste auch Iwan der Schreckliche mit den Engländern bestimmte Kompromisse eingehen. Der Zar war sogar einverstanden, den Briten noch viel mehr zu geben, wenn sie sich im Krieg gegen Polen und Litauen als Verbündete von Russland erwiesen hätten. Die Briten verlangten jedoch ohne jede Gegenleistung unerschöpfliche Rohstoffquellen, einen sicheren Absatzmarkt und einen sicheren Weg nach Osten. Alles nach der klassischen Formel „Metropole – Kolonie“. Als Iwan der Schreckliche alles analysiert und richtig verstanden hatte, verwandelte sich seine bisherige Großzügigkeit in große Wut. Er entzog allen Briten ihre Privilegien und jagte sie aus Russland. Seine Nachfolger haben diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht.
In dieser Zeit beginnt die klassische Geschichte der Russophobie. Beleidigte britische Diplomaten kehren in ihre Heimat zurück und veröffentlichen eine wahre Flut von Anklagen, Beschimpfungen und Beleidigungen über ein barbarisches Russland und seine primitive Untermenschen. Die Historiker behaupten, dass kein Europäer so viel über das Russische Reich des 16. Jahrhunderts weiß, wie die Briten. Dieses Wissen wurde natürlich durch die eigentümliche gnoseologische Optik jener Zeit, durch die damaligen Vorstellungen über die Natur, über die Aufgaben des Staates, über die Institute der Macht, über die kulturelle Hierarchie der Völker, über das eurozentrische Weltbild u. v. a. m. geprägt.
Bezüglich der rein britischen Wahrnehmung von Russland gibt es – wie kann es auch anders sein – einen ganz besonderen Blickwinkel. Es ist ein ganzer Komplex der eigenen europäischen Überlegenheit gegenüber den „primitiven“ Moskauern, die es angeblich nur bei den Russen gibt. Es ist ihre Trunkenheit, es sind ihre Ausschweifungen, es ist ihre besondere Art des Diebstahls, der Erpressung, der Unhöflichkeit und der Grausamkeit. Im 16. Jahrhundert wäre es eine totale Übertreibung gewesen, die Russophobie als eine bemerkenswerte Richtung des politischen Denkens in Großbritannien zu betrachten. Aber genau in dieser Zeit werden die entscheidenden Grundlagen jener Ideen und Wertungen gelegt, die später das äußerst unschöne Bild von Russland und von seinen Menschen in den Köpfen der britischen Führungselite prägten. Doch in diesem völlig verzerrten Bild verbarg sich auch etwas weit Wichtigeres. Es eröffnete ein Bild auf ein ungeheuer reiches Land, welches vom Norden bis Süden und vom Osten bis Westen über bedeutende Handelswege verfügte. Den realen und potenziellen Wert dieser unbezahlbaren Perle erkannten die cleveren Briten sofort. Sie mussten nur noch überlegen, wie sie diese Kenntnisse und dieses Verständnis in ein Instrument ihrer Kolonialpolitik verwandeln können.
Dieser Fall trat am Beginn des XVII. Jahrhunderts ein, als Russland in starke politische und wirtschaftliche Unruhen geriet. In dieser Zeit entwarf der britische Botschafter in Moskau, John Meirick, das bemerkenswerte Dokument „Projekt zur Umwandlung Russlands in ein britisches Protektorat“, das 1613 dem britischen König Jakob I. Stuart zur Bestätigung vorgelegt worden ist. Der Botschafter schlug dem König vor, den Anschluss des zerrütteten Russland an die britische Krone sofort zu vollziehen, weil sonst die Gefahr besteht, dass es schnell zur Beute von Polen oder eines anderen Staates werden kann. Er entwarf die Hauptkonturen eines Vertrages für den Anschluss des russischen Volkes an die Krone von Jakob I., den Einmarsch der königlichen Truppen in Russland, die Besetzung der wichtigsten russischen Städte, die vollständige Kontrolle über den nationalen und internationalen Handel in ganz Russland.
Damit bei den Russen der Wunsch entsteht „unsere Freunde zu werden“, muss aus Gründen der „Menschenliebe“ das „unterdrückte Volk“ mit irgendetwas glücklich gemacht werden. Auf keinen Fall darf das übertrieben werden, weil sonst die Russen „zu mächtig werden“ und „leicht vergessen werden, wer sie in die Wiege ihres Glücks“ gelegt hat. Deshalb müssen die Bedingungen für die Annahme unter „unsere Schirmherrschaft“ klar und eindeutig sein. Ungefähr so, wie Christoph Kolumbus dem König Heinrich VII anbot, seine Macht auf ganz Westindien auszudehnen. Die Schlussfolgerung des britischen Botschafters in Moskau, John Meirick, lautet: Großbritannien wird nach der Machtübernahme in den russischen Weiten und nach der Übernahme des gesamten eurasischen Handels das größte „Lager für orientalische Güter“ der Welt werden. Dieser Anschluss wird „unsere Macht und unseren Reichtum“ erhöhen und „seiner Majestät und unserer ganzen Insel das versprochene Glück bringen.“ [8].
Nach der Überwindung der Unruhen in Russland und nach seiner politischen und wirtschaftlichen Wiederbelebung durch die Machtübernahme der Romanow-Dynastie haben die kolonialistischen Pläne von London, zumindest in seiner offenen Form, wie sie der britische Botschafter, John Meirick, darlegte, völlig ihre Bedeutung verloren. Die gierigen Erinnerungen an den grenzenlosen Reichtum Russlands sind jedoch niemals verschwunden.
In einer Reihe britischer Schriften über Russland befindet sich das kleine und unvollendete Werk „Moscovija“ (abwertende Bewertung für Russland) von dem berühmten John Milton aus dem Jahre 1682. In dieser sehr oberflächlichen Zusammenstellung mit vielen faktographischen Verzerrungen, wiederholt der Autor, der nie in Russland gewesen ist, die anekdotischen Beobachtungen seiner Vorgänger und formatiert sie zu folgendem kulturellen Porträt des Volkes: Unter den Russen gedeihen Ignoranz und Trunkenheit, „sie sind die größten Schwätzer, Lügner, Schmeichler und Heuchler, sie lieben grobes Essen und stinkenden Fisch extrem“, ihnen ist Mitgefühl fremd [8]. Ist das nicht schrecklich kleinkariert für einen Klassiker der englischen Kultur?
Die Epoche von Peter 1. hat die Wahrnehmung von Russland im europäischen Raum, darunter auch in Großbritannien neu gestaltet. Von nun an ist es ein Reich, das aus mindestens zwei Gründen besondere Aufmerksamkeit erfordert:
- In Großbritannien ist der Bedarf an russischen Rohstoffen kritisch angestiegen
- Die sich verstärkende militärpolitische Rivalität auf dem Kontinent wurde von London im Gleichgewicht gehalten.
Der Grad der Russophobie hing am Beginn der kaiserlichen Periode in Russland von den Unterschieden zwischen Wachstum und Stagnation sowie von den Spannungen in den russisch-britischen Beziehungen ab. Im Jahre 1782 berichtete die Enzyklopädie „Britannica“ kurz und fast leidenschaftslos, dass die Russen „grausame, bösartige, betrunkene Wilde sind, die unter absolut despotischen Bedingungen leben“, wobei sie feststellte, dass ihnen das „sehr große und mächtige russische Königreich“ gehört [9]. Die daraus logisch folgende Frage lautet: Wie konnte ein derart klassifiziertes wildes Volk einen derart großen und starken europäischen Staat aufbauen?
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verfolgte Großbritannien die Entwicklung in Russland aufmerksam, mischte sich jedoch kaum ein. Für eine aktive Politik waren Ressourcen erforderlich, die sich in den ausländischen Kolonien befanden und in denen London viele Probleme hatte. Trotzdem war Großbritannien über bestimmte russische Entwicklungen sehr besorgt. Kein Zufall, dass sie sich im Siebenjährigen Krieg in zwei verschiedenen Lagern befanden. Die östlichen und polnischen Fragen eskalierten. Die von Ekatharina II erklärte bewaffnete Neutralität im Jahre 1780 wurde von den Briten als feindlicher Akt gegen sie bewertet. Im Verlaufe von 11 Jahren wurde die Einnahme von Otschakov durch die königlichen Truppen, die ihnen den Zugang zum Schwarzen Meer ermöglichte, von der britischen Regierung unter der Führung von William Pitt Jr. als Provokation gewertet. Mit Schrecken stellte er sich eine russische Besetzung von Istanbul vor, die Absetzung des Sultans und den Untergang des Osmanischen Reiches. Die britische Flotte befand sich in voller Kampfbereitschaft. Die Französische Revolution und die damit verbundene Ungewissheit verhinderte praktisch einen drohenden Krieg zwischen den Imperien Großbritannien und Russland [9].
Diese Rivalität zwischen Großbritannien und Russland setzte sich auch während der antinapoleonischen Kriege fort, in der zum Schein eine gute Zusammenarbeit deklariert wurde. Trotz der tödlichen französischen Bedrohung haben die Briten keine Gelegenheit verpasst, Russland in Persien, in der Türkei und im Kaukasus irgendwelchen Schaden zuzufügen [10].
Durch den russisch-türkischen Krieg von 1828 – 1829 und die sogenannte Ost – Krise von 1831 – 1833 sind die Spannungen zwischen London und St. Petersburg gefährlich angestiegen. Auch als im Jahr 1937 die Besatzung des britischen Schoners „Vixen“ mit Waffen für die Bergleute an der Küste von Tscherkessen verhaftet wurde, ist es auf wundersame Weise gelungen, einen Krieg zu vermeiden [11].
Ein weiterer Anstieg der Russophobie in Großbritannien wurde durch die Revolution von 1848 – 1849 provoziert. Der „Frühling der Völker“ hat für die Antirussischen Aktivitäten der polnischen und ungarischen Emigranten in London äußerst günstige Bedingungen geschaffen, die von den Behörden und Aktivisten des Kampfes massiv gefördert wurden [12].
Die Jahre 1820 – 1850 sind gekennzeichnet durch eine üppige Blüte der Russophobie, die irrationale Schattierungen enthielten. In dieser Zeit hatten die Briten mehrmals die Gelegenheit sich zu vergewissern, dass man mit den Russen verhandeln kann und muss, dass sie keinen Krieg mit Europa und insbesondere mit Großbritannien wollen, dass sie immer offen für fremde Interessen sind und bereit sind, dies mit mutigen friedliebenden Initiativen zu beweisen. So wie es Nikolaus I. 1844 bei seinem berühmten Besuch in London tat.
Das Leitmotiv der britischen Presse klang so: Überall dort, wo das „barbarische Russland seine unersättlichen Hände austreckt, sei es in Europa oder im Osten, entsteht automatisch eine existenzielle Bedrohung für die lebenswichtigen Interessen des britischen Reiches. Deshalb verspricht nicht irgendein Publizist, sondern der Vorsitzende des Kontrollrates der ostindischen Gesellschaft und zukünftige Generalgouverneur von Indien, E. L. Ellenborough, Russland zu vernichten, indem er „die ganze bewaffnete Welt“ gegen dieses Land erhebt [13].
Wahrscheinlich bildete diese Illusion einen zusätzlichen Anreiz für die Briten den Krim-Krieg (1853 – 1856) zu entfesseln. Schon am Vorabend dieses Krieges gab es niederschmetternde Vorhersagen über den unvermeidlich schnellen Sieg der Alliierten und die katastrophale Niederlage der Russischen Armee. Das Erstaunlichste war, dass sich die liberale russische Intelligenz (das „Salz des russischen Landes“), die in russophoben Krämpfen förmlich erstickte, auf einen militärischen Sieg des leuchtenden goldenen Westen über die königliche russische Aristokratie freute, ohne zu verstehen, dass dies ein Sieg über ihr Russland, d.h. über ihr Vaterland, sein würde. Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?
Es ist unmöglich, ohne Zorn und Abneigung die Berichte von Augenzeugen über die abscheuliche Freude zu lesen, welche russische Einwohner in London und die Freunde des Westens in Moskau und Petersburg ergriffen hat, als sie die Nachricht von der Eroberung Sewastopols und von Nikolais I angeblichen Tod (er starb 1855 als Folge einer Grippe!) erfahren haben. Als Herzen und seine Anhänger diese Nachrichten in der Morgenzeitung lasen, haben sie mit viel Champagner üppige Feste gefeiert.
Die britischen Russophoben waren im Gegensatz zu ihren russischen Anhängern mit den Ergebnissen des Krieges sehr unzufrieden. Die Verteidiger von Sewastopol sind noch heute berühmt. Die Krim ist im Gedächtnis der Briten ein sehr tödlicher Ort, d.h. ein Ort der Niederlage geblieben. Auch ihr Plan, den Kaukasus von Russland abzutrennen, scheiterte. Die türkische Armee unter der Führung britischer Offiziere wurde völlig zerschlagen [14].
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde im Rahmen einer wachsenden Russophobie viel Öl in das Feuer des Hasses gegen Russland gegossen. Nach Tscherkessen wurden unter dem Vorwand einer Hilfe für die Bergleute bewaffnete polnische und ungarische Söldner geschickt, die nach Aussagen in der britischen Presse „heldenhaft gegen den russischen Despotismus für Freiheit und Demokratie“ kämpften. Sie bemühten sich, einen unabhängigen tscherkessischen Staat zu gründen und erfanden sogar eine Flagge und Verfassung.
Der Sieg im Russisch-Türkischen-Krieg (1877 – 1878) gab Russland offiziell den Status einer Großmacht zurück. Im Zusammenhang damit gab es in der Presse von London laute Stimmen, die forderten, dem russischen „Aggressor“ den Kopf abzuschlagen, die davon träumten, sich für den verlorenen Krimkrieg zu revanchieren, die Bulgarien in einen Vasallenstaat verwandelten und die Türkei endgültig aus Europa verdrängten.
In den Jahren 1895 und 1907 sah sich London gezwungen, mit Russland eine Friedensvereinbarung über die Einflusssphäre in Mittelasien und Persien abzuschließen.
Die kurze Zeit der britisch – russischen Allianz während des Ersten Weltkrieges wurde von einer unehrenhaften, ja sogar verräterischen Politik gegenüber St. Petersburg überschattet. Um Russland in den Krieg zu ziehen, haben die Briten (gemeinsam mit den Franzosen) ihnen viele Waffen geliefert und ihnen die Meerenge des Schwarzen Meeres mit Konstantinopel versprochen. In Absprache mit Paris lieferte Großbritannien den Russen wie immer Waffen in unzureichender Menge, in schlechter Qualität und – wie kann es anders sein – auch noch zu überhöhten Preisen. Die russische Armee wurde zum Kanonenfutter des Feindes gemacht.
Um Russland als Siegermacht auszuschließen, musste sich die Briten und Franzosen etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Wie seltsam! Die Lösung ist einfach vom Himmel gefallen. Obwohl die Februar – Revolution aus vielen Gründen entstanden ist, haben sich englische und französische Diplomaten sehr aktiv an ihr beteiligt. Der Zusammenbruch des Landes führte letztendlich zur Oktoberrevolution, welche die Briten von der Notwendigkeit befreite, der neuen Macht zu erklären, warum Russland nicht mehr zu den Gewinnern des Krieges gehört.
Russland bzw. jetzt die Sowjetunion hatte sich selbst zur Beute des imperialistischen Raubtieres entwickelt. London zeigte plötzlich sein wahres Gesicht, d.h. seinen langjährigen geheimen Plan, Russland in englische und französische koloniale Besatzungsgebiete zu zerlegen (finanziell, wirtschaftlich und politisch). Die Intervention begann mit ausgeprägt geopolitischen und räuberischen Zielen, deren ideologische Rechtfertigung der Kampf gegen den Bolschewismus war. Die klassische Russophobie erhielt eine hervorragende Tarnung.
In den 20iger und 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden in Großbritannien und in den USA akademische Inkubatoren für die Aufzucht von Spezialisten für die Sowjetunion, die in einem sowjetisch – russophoben Geist ausgebildet und erzogen wurden. Diejenigen, die an eine Zerschlagung des sozialistischen Systems glaubten, arbeiteten für die nahe Zukunft. Diejenigen, die glaubten, dass dies nicht so schnell geschieht, arbeiteten für die Zukunft.
Die Widersprüche zwischen der Sowjetunion und Großbritannien bildeten einen entscheidenden Faktor bei der Entstehung des Zweiten Weltkrieges. Wie bisher versuchten die Briten, ihre starke Position als Weltmacht in Europa zu erhalten und auszubauen. Deshalb mussten sie die Ergebnisse des Versailler Vertrages rückgängig machen, in Deutschland eine Militärmacht aufbauen und die Sowjetunion und Deutschland in einen großen Krieg treiben. Die Briten sahen offensichtlich keinen grundlegenden Unterschied in den außenpolitischen und militär – strategischen Einstellungen von Moskau und Berlin.
Stalin hatte die Idee einer Weltrevolution zugunsten eines konservativen Sicherheitskurses (ähnlich wie in den Jahren 1815 – 1853) schon längst aufgegeben. Sein Hauptziel war, sein Land, das den Sozialismus in einer feindlichen Welt aufbaute, zuverlässig zu schützen. Der Wiederaufbau der vom russischen Territorium abgetrennten Gebiete wurde aus wirtschaftlichen und aus sicherheitspolitischen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Es ist nicht die Schuld des Kreml, dass Ende der 30iger Jahre diese Aufgabe zu einer Frage des nackten Überlebens wurde.
Einen völlig anderen Kurs hat Deutschland in den 30iger Jahren verfolgt. Sein außenpolitisches Verhalten ging schnell über einen „fairen“ Revanchismus hinaus und nahm eine beängstigende aggressive Richtung an. Westeuropa hat in der Hoffnung, dass Hitler dem Drang nach Osten“ folgen wird (siehe „Mein Kampf“ von Adolf Hitler), diese Entwicklung im vollen Umfang geduldet. Außerdem hat Großbritannien den Wunsch geäußert, sich dieser alten Tradition anzuschließen. In den Jahren 1939 – 1940 haben die Briten gemeinsam mit den Franzosen nach massiven Luftangriffen auf Baku, Poti, Batumi, Tuapse, Grosny und Majkop ernsthafte Pläne für eine Invasion in den Kaukasus entwickelt, um die sowjetischen Öltransportunternehmen zu zerstören. Durch eine intensive Luftaufklärung, die mit Hilfe der Türken durchgeführt wurde, konnten die genaue Lage und Anzahl der Raffinerien im Nordkaukasus ermittelt werden.
Offenbar wollten Großbritannien, Frankreich und die Türkei in Erinnerung an den Krim – Krieg an der Schwarzmeerküste des Kaukasus Flugzeugträger einsetzen. Bei operativen Treffen auf verschiedenen Ebenen wurde offen davon gesprochen, Russland im Kaukasus „in den Knockdown“ zu schicken. Nach britischen Quellen ging es auch um westliche Hilfe bei der Ausrüstung türkischer Truppen an den Grenzen zum Kaukasus. Außerdem wurde die Aufgabe ins Auge gefasst, strategisch wichtige Ziele „tief im Hinterland von Russland“ zu bombardieren [15].
Ohne Zweifel waren das Aktionen, die einer Einladung von Hitler zu einem gemeinsamen Überfall auf die Sowjetunion mit anschließender Aufteilung der Okkupationszonen sehr nahe kamen. Ein derartiges Beispiel für die Aufteilung gab es bereits in den Jahren 1918 – 1921.
Die Geschichte des Londoner Kabinetts hat uns gelehrt, dass jede Allianz von Mächten auf dem europäischen u.a. Kontinenten für Großbritannien sehr gefährlich bzw. nicht von Vorteil ist. Die Gefahr einer Annäherung von Russland und Deutschland unter der Führung von Bismarck hat die Briten ganz besonders erschreckt. Sie haben deshalb alles erdenkliche getan, um sie aufeinander zu hetzen. Nach der Machtübernahme von Adolf Hitler in Deutschland führte dieses Bestreben zu dem Wunsch, Berlin mit Hilfe von Moskau zu zerstören. Und wieder mit Erfolg! Doch diesmal drohte dem einem oder dem anderen Sieger, wie es in London auch vermutet wurde, ein enormer Schaden für das britische Empire. Damit die Früchte des Sieges im Zweiten Weltkrieg vollständig in den angloamerikanischen Block gelangen, haben die Briten von Anfang an auf eine militärische und wirtschaftliche Zerschlagung der UdSSR und Deutschlands orientiert [16].
Der heldenhafte Sieg und Triumph der sowjetischen Armee hat die Pläne Londons zerstört und die Briten gezwungen, die neuen geopolitischen Realitäten Europas anzuerkennen.
Die britische Regierung reagierte auf diese Situation mit der berühmten Fulton-Rede von Winston Churchill am 5. März 1946, in der er die angelsächsischen Völker als Hüter der demokratischen Werte zum Kreuzzug gegen den Kommunismus aufrief. Der Hauptfeind war die sowjetische Supermacht Russland. Der ideologischen Konfrontation während des Kalten Krieges lagen nicht nur die unüberbrückbaren Widersprüche der beiden sozial-ökonomischen Systeme zugrunde, sondern auch die Russophobie in allen ihren Fassetten.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schossen in Westeuropa und in den USA viele Hunderte Analysenzentren, die sich mit detaillierten Untersuchungen der sowjetischen Zivilisation befassten, wie Pilze aus dem Boden. Ohne die wissenschaftliche Bedeutung vieler Studien grundsätzlich zu leugnen, können wir heute definitiv sagen, dass immer ein sehr engagierter subjektiver Blick auf diese Analysen (d.h. eine klare Ziel- und Aufgabenstellung) dahinter stand. Selbst gewissenhaften und namhaften Autoren gelang es nicht, ihre tiefe Abneigung gegen Russland, gegen seine Völker, gegen seine Menschen, gegen seine Kunst und Kultur, gegen … alles Russische zu verschleiern.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR kamen die berüchtigten 90iger Jahre, katastrophal, beschämend, demütigend für die Russen…, aber gesegnet für den Westen, der die vernichtende Niederlage seines Feindes mit großer Freude genoss und der postsowjetischen Elite als Dank für ihre selbstlose Mitschuld am Sieg über den Kommunismus, einen Platz unter der Sonne des kapitalistischen Globalismus versprach. Für eine bestimmte Zeit erhielten sie einen ausgewählten Platz, aber sie waren trotzdem auf diesem „Fest des Lebens“ immer nur fremde Wesen, einfach nur Russen, … Die vielen Milliarden, die sie gestohlen haben, der an den Tag gelegte schrille, karikaturartige, arrogante, verbrecherische und völlig verblödete Ton suggerierte „der neuen russischen Bruderschaft von Alt- und Neureichen“ wie wenig sie sich hinsichtlich ihrer völlig verkommenen Moral voneinander unterscheiden.
Am 10. Februar 2007 donnerte plötzlich Putins Münchner Rede durch die Welt. Das Establishment zuckte zusammen und erinnerte sich schmerzhaft an die traumhafte Jelzin – Ära. Eine unmissverständliche Vorstellung von ihrer Reaktion geben die Äußerungen der Konferenzteilnehmer. Totale Verwirrung, Irritation und panische Angst. Dabei zeugt die eingetretene Totenstille nach der Rede des Präsidenten nur davon, dass er etwas beispiellos wichtiges vorgetragen hat: Russland ist nicht mehr bereit, sich der monopolaren Weltdiktatur bedingungslos zu unterwerfen und bietet deshalb ein anderes, gerechteres und zuverlässigeres System der kollektiven Sicherheit an. Putin erklärte unmissverständlich, dass der Westen trotz seiner ständigen Gentleman – Versprechen in seiner Unehrlichkeit zu weit gegangen ist und die Ergebnisse der Kapitulation der UdSSR im Kalten Krieg nur in seinem Interesse nutzt. Es ist deshalb höchste Zeit, die völlig veralteten Vorstellungen über Russland neu zu überdenken.
Der Westen reagierte sehr schnell auf den Aufruf von Putin. Wie immer auf seine Weise. Die Tatsache, dass sie in den 90iger Jahren des vorigen Jahrhunderts Russland nicht total vernichtet haben, betrachteten sie als fundamentalen Fehler, den es sofort zu korrigieren gilt. Zur Sicherung seiner absoluten militärischen und strategischen Macht, begannen die USA das auf sowjetischen und russischen Verträgen basierende globale Sicherheitssystem zu zerstören. Gleichzeitig hat der Westen seine Politik gegen Moskau beispiellos radikalisiert. Bis zum heutigen Tag wurden in den Beziehung zu Russland von den USA und von ihren Vasallen fast 20.000 Sanktionen eingeführt. Nach den Worten des amtierenden amerikanischen Präsidenten, Joe Biden, ist die einzige Alternative zu diesen Sanktionen der Dritte Weltkrieg (siehe Rede vom 26.Februar 2022).
Heute weiß jede Bürgerin, jeder Bürger und jedes Kind in Europa, dass die beispiellose antirussische Politik und die damit verbundenen extrem russophoben Handlungen der Angelsachsen und ihrer Vasallen auf die totale Vernichtung Russlands, seiner Völker und Menschen gerichtet sind.
Literaturquellen:
[1] Die Bombardierung von Leipzig im Zweiten Weltkrieg (englisch), https://en.wikipedia.org/wiki/Bombing_of_Leipzig_in_World_War_II
[2] Schwarzbuch Band 1: Schwarzbuch über die Gräueltaten der Bandera-Anhänger, Moskau 2022, https://www.dr-schacht.com/assets/pdfdoc/Schwarzbuch_über_die_Gräueltaten_der_Bandera-Anhänger.pdf
[3] Schwarzbuch Band 2: Schwarzbuch über die Gräueltaten der Bandera-Anhänger und ukrainischen Neonazis 2014 – 2023, https://www.dr-schacht.com/assets/pdfdoc/Schwarzbuch_Band_2_Gräueltaten_der_Bandera-Anhänger_und_Neonazis.pdf
[4] Texte aus der Bibel, https://bibeltext.com/luke/9-56.htm
[5] Gesellschaft für Deutsch – Sowjetische Freundschaft, https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_für_Deutsch-Sowjetische_Freundschaft
[6] Antrittsrede von Vladimir Putin vor dem RFR am 29. Februar 2024 (russisch), https://yandex.ru/video/preview/16341536790705101717
[7] „Englische Reisende im Moskauer Staat im 16. Jahrhundert“, Übersetzung aus dem Englischen von J. V. Gauthier, Moskau 1937
[8] Milton, J. „Moscovija, oder die Nachrichten von Moscovija über die Entdeckungen englischer Reisende, die aus schriftlichen Zeugnissen verschiedener Zeitzeugen gesammelt wurden“, Moskau 1875 (in russischer Sprache)
[9] Gleason, J. H. „The Genesis of Russophobia in Great Britain: A Study of the Interaction of Policy and Opinion”, Harvard University Press, 1950
[10] Wilson, R. „Sketch of the Military and Political Power of Russia, in the Year 1817”, N. Y. 1817
[11] Degoev, V. V. „Der Kaukasus und die Großmächte 1829 – 1864: Politik, Krieg, Diplomatie“, Moskau XXI, 2009 (in russischer Sprache)
[12] Mering, F. „Karl Marx – Geschichte seines Lebens“, 2. Ausgabe, Moskau, 1990 (in russischer Sprache)
[13] Ellenborough, E. L. „A Political Diary”, 1828 – 1830, Vol. 1, L. 1881
[14] Lewin, S. M. „Essays zur Geschichte des russischen öffentlichen Denkens: Von der zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Leningrad, 1974 (in russischer Sprache)
[15] Sipols, V. J. „Diplomatische Geheimnisse: Am Vorabend des Großen Vaterländischen Krieges 1939 – 1941“, Moskau, 1997 (in russischer Sprache)
[16] „Der Weg zum Großen Sieg: Die UdSSR im Krieg aus den Augen westlicher Zeitgenossen“, Dokumente und Materialien von A. V. Turkunov, Moskau, Aquarius, 2015
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