Pribnow: Die Achse Paris-Berlin-Moskau als eurasisches Gegengewicht gegen die anglo-amerikanische Dominanz in Brüssel, sie läßt sich derzeit nicht gegen die Interessen, die sich in London und New York bündeln, ins Felde führen, denn das Frankreich unter Pressesprecher Sarkozy schert aus. Le President denkt laut über gezielte Luftangriffe auf Gaddafis Truppen nach, während Merkel sich – so scheint es vordergründig – preußisch pikiert zeigt, bedächtig und abwarten gibt, während von Putin und Medwedew ein obligatorisches Njet zu vernehmen ist.
Gehrcke: Die Bundesregierung darf nicht länger Öffentlichkeit und Bundestag über die deutsche Verwicklung in die Vorbereitung einer militärischen Aktion in Libyen täuschen. Die Gefahr ist groß, dass die NATO – und dieses Mal auch Deutschland – erneut in einen Krieg hineingezogen wird. Die Informationen aus Athen deuten darauf hin.
Pribnow: Merkel blinkt quasi links und biegt rechts ab?
Gehrcke: Mehr noch. Sie informiert wieder einmal den Deutschen Bundestag nicht, zumindest aber sind die Abgeordneten im Reichstag schlecht unterrichtet. Im Nachhinein hat sich nämlich herausgestellt, dass die Informationspolitik der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Operation Pegasus nicht den Bedingungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes entsprochen hat. Kurzum: Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst. Diese Erfahrung muss hellhörig machen.
Pribnow: Paris und Berlin wollen die Flugverbotszonge und wer das will, auch wenn nur Paris dies fordert, weiß, daß das ohne Ausschaltung der Luftabwehr, also ohne Bomben und Raketen, Tod und Kollateralschäden nicht zu haben sein wird.
Gehrcke: Richtig. zum möglichen Kriegsszenario gehört die Forderung nach der Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Wer ein Flugverbot verhängt, muss bereit sein, dieses auch militärisch durchzusetzen. Eine Flugverbotszone wäre ein direkter Schritt in eine militärische Auseinandersetzung.
Pribnow: Nichteinmischung wäre hingegen ein Rückschritt hinter das Projekt der Moderne: die Aufklärung, – ein linkes wie liberales Thema, unser tägliches Geschäft -, ein Rückschritt hinter die Errungenschaften der französischen Revolution: Gewaltenteilung …
Gehrcke: Meine Warnung vor militärischen Aktionen ändern nichts an meiner Kritik und Ablehnung der Politik und des Verhaltens des Gaddafi-Clans. Der Bürgerkrieg und das Töten in Libyen muss ein Ende finden. Die Ablösung des Gaddafi-Clans ist unvermeidlich. Gaddafis Politik, die Kooperation mit dem "Westen" zum Abfangen von Flüchtlingen, hat nichts mit linker, emanzipatorischer Politik zu tun. Im Gegenteil: Das Regime Gaddafi war Teil europäischer Abschottungspolitik. Maßlose Bereicherung, Unterdrückung demokratischer Rechte, Einpferchung von Flüchtlingen, all das ist nicht linke, sondern rechte Politik. Diese Klarstellung ist notwendig, da plötzlich das vergangene, längst nicht mehr passende, antiimperialistische Mäntelchen Gaddafis hervorgeholt wird.