Krankheitsfolgen und Chancen der Erkrankung – Serie: Über die Verstrickungen in der menschlichen Wahrnehmung als Folge der frühkindlichen Erfahrungen und Prägungen und der Erlösungsmythos (Teil 2/2)

Schmerzlich war für ihn der Verlust seines rückhaltlosen, blinden Vertrauens, das andere schon alles für ihn klären und bestens machen. Dadurch entstand eine Diskrepanz zwischen der Wut nach der Enttäuschung und seinem unerfüllten Wunsch nach Urvertrauen. Dies Fallbeispiel zeigt, wie sehr die frühen Wahrnehmungen entgegen der bewussten Einsicht eingepflanzt sind und das spätere Verhalten die frühen Selbstbilder korrigieren soll. Es zeigt auch, wie sehr Traumatisierte nach einer enttäuschenden Kindheit, in der sie naturgemäß blind vertrauten, an diesem blinden Vertrauen festhalten, weil sie es noch zum Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein benötigen.

Kranke fühlen sich oft in ihrer Krankheit hilflos ausgeliefert, es sei denn, sie haben ihre Hausmittelchen, und hoffen auf Errettung durch einen Gesundheitsfachmann. Ihm müssen sie vertrauen, da Vertrauen entspannt, der Heilung förderlich ist und die Selbstheilungskräfte stärkt. Aber – zu vielen Krankheiten gehört infolge der verinnerlichten Wahrnehmungen das Misstrauen und selbst die Erkrankung demütigt ihr Grössenselbst, selbst alles im Griff zu haben und sich jemand ausliefern zu müssen.

Im ersten Teil der Serie hatten wir uns mit den Bedingungen der traumatisierten Wahrnehmung beschäftigt. In diesem Teil wenden wir uns den Krankheitsfolgen und den positiven Möglichkeiten zu, die in der Erkrankung stecken.

Erleben im Körper, Körperwahrnehmungsverzerrung und Selbstbehauptung

Da Seele, Geist und Körper und soziale Beziehungen eine Einheit bilden, werden oft die psychische Selbstentwertung und die erlebte Entwertung im sozialen Umfeld am und im Körper erlebt. Ängste werden im Körper etwa von Schweißausbrüchen, Herzbeschleunigungen oder -Aussetzern, Zittern, Schwäche, Durchfall, Luftnot und Muskelverspannungen begleitet, wobei die Angst als unangenehmes und bedrohliches Gefühl oft verdrängt und nur noch als sogenannte Funktionsstörungen im Körper wahrgenommen wird. Ähnliches kann mit unterdrückter Wut geschehen. Dann kommt der Erkrankte als Patient wegen körperlichen Störungen zum Arzt.

Durch die verinnerlichte psychische Entwertung und das Erleben im Körper kommt es zu einer verzerrten Körperwahrnehmung. Etwa bei Magersüchtigen spielt dieser Zusammenhang eine tragende Rolle, die sich immer als zu dick wahrnehmen, ihre psychische Demütigung als Demütigung ihres Körpers, vor allem in ihren sich heranbildenden weiblichen Formen in der Pubertät, den sie dann hassen und sich davor ekeln. Demzufolge müssen sie hungern und sich mit allen Mitteln gegen die vermeintlich gut gemeinten Hilfen des Umfeldes wehren. Dieses Antrotzen, die Verweigerung und die Sabotage dienen, man könnte meinen paradoxerweise, der Aufrechterhaltung des positiven Selbstbildnis und der Selbstbestimmung, manchmal in einer Todesspirale. In den Augen anderer, der Fachleute und verbreiteter Normen besteht eine verzerrte Körperwahrnehmung.

Bei den Magersüchtigen führt das Verhalten als Folge der Selbstbehauptung zu den Körperveränderungen. Durch ihre Magersucht drücken sie einerseits ihre Problematik aus, andererseits verschleiern sie ihre psychosozialen Probleme und verherrlichen sogar in Internetforen ihren gloriosen Kampf. Positive und negative Stimmungen als Begleiterscheinung der psychischen Entwertungen können sich direkt im Ausdruck, der Mimik und Gestik und in Verhaltensweisen ausdrücken, auf die Gesichtsfarbe, den Hautturgor (Hautspannung) oder etwa als hervortretende Augen als Ausdruck des Entsetzens. Das obige Beispiel zeigt die mögliche Folge der zwischenmenschlichen Konflikte auf. Die Konflikte können sich auch innerpsychisch abspielen, etwa gegen die eigenen inneren Regeln zu verstoßen, ohne daß dies sich im äußeren Verhalten ausdrückt. Nur die Krankheit spricht eine eindeutige Sprache, deren Gründe und Hintergründe wiederum sehr unterschiedlich gedeutet werden können.

Hier ein kleines Beispiel der verzerrten Körperwahrnehmung und gelungenen Kompensation: Ein Jugendlicher sah vor allem im in seinem Spiegelbild ausschließlich seine abstehenden Ohren und litt stark unter diesen. Bald trug er gegen die Einwände seiner Mutter, die ja einen ordentlichen Jungen haben wollte, lange Haare, so dass die Ohren nicht mehr zu sehen waren und dies kein Problem mehr für ihn war. Später, wenn er mal die Haare kürzer schnitt, fragte er sich, warum er so unter abstehenden Ohren gelitten hatte. Er sah sie nicht mehr. Auch hatte er ein Männlichkeitsideal, muskulös, kräftig, breit gebaut und Haare auf der Brust, wie es dem Bodybuilderideal entspricht, dem er in seinen Augen nicht entsprach. Als er mit einem anderen Mann, in seinen Augen dem Idealmann, um eine Frau konkurrierte, zog sie ihn vor. Er realisierte, dass die Frauen wohl nach anderen Maßstäben messen würden, und sein Selbstbewusstsein wurde gestärkt.

Es ist aber nicht nur so, dass die traumatische Wahrnehmung zu Funktionsstörungen und Schmerzen führt, sondern sie kann auch, wie im Artikel über die Autoaggression, der Aggression gegen die verinnerlichten Objekte, die sich im Körper befinden, also gegen das eigene Selbst und den Körper, dargestellt, zur partiellen oder totalen Zerstörung des Körpers führen. Die aus psychischen Gründen erfolgte Selbstzerstörung wie etwa Selbstverletzungen oder Selbstmord stellen eine Art Selbstbehauptung dar, wenn auch in einer Art pervertierten Form, bei Selbstverletzungen, um sich zu spüren, weil an sich ansonsten kaum wahr nimmt, im Suizid, um sich von einem grausamen Leben zu erlösen oder sogar anderen heim zu zahlen. Diese leiden dann oft unter Schuldgefühlen. Wie bei der Magersucht dargestellt, stellen viele körperliche Erkrankungen eine Art Selbstbehauptung dar, etwa der übergewichtige, bewegungsfaule und herzkranke Hypertoniker, der allen ärztlichen Ratschlägen zum Trotz, entgegen seinen verinnerlichten Ängsten, seinen Lebensweg behauptet.

Außenwahrnehmung, Projektion von inneren Konflikten und Harmonisierung

Inneren Konflikten ist der Mensch wesentlich stärker ausgeliefert als Außenkonflikten, da diese oft verdrängt, verleugnet oder projiziert werden, ihm dadurch die Wahrnehmung fehlt. Zur Entschärfung der Bedrohung hat der Mensch deswegen die Neigung, diese von außen kommend wahrzunehmen. Dann ist er mit sich im Reinen, und die Andern sind die Bösen. Er ist nicht mehr schuld. Durch die Projektion entlastet er sich und kann die Außenwelt bekämpfen. Bei Krankheiten sind der Teufel Viren, Bakterien, Gifte, elektromagnetische Wellen oder der Glauben anderer, etwa bei der Schuppenflechte der Glaube, man habe eine ansteckende Erkrankung oder, dass die anderen das glauben. Der Glaube ist wie ein Gift, auf das die Haut reagiert. In der Außenwelt finden sich viel einfacher Mittel und Wege des Abwehrkampfes wie bei Vorwürfen oder im großen sozialen Rahmen bei Kriegen.

Der Versuch der Rechtfertigung oder Entschuldigung weist jedoch auf den inneren Glauben der Schuld und des Unrechtes hin, die schon im inneren Selbstbild vorhanden sind. Ansonsten gäbe es nichts zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Rechtfertigung und Entschuldigung weisen weiterhin auf den Versuch der nachträglichen Wiedergutmachung und Harmonisierung hin. Ähnliches gilt für die Strafe und Reue. Harmonische Beziehungen im Sozialraum sind für den Menschen das Wichtigste. Sieht er Konflikte in der Zukunft, besteht oft die Neigung, schon im Vorfeld zu harmonisieren, sich etwa besonders friedfertig oder unterwürfig zu verhalten, um ja keine Konflikte aufkommen zu lassen. Dies kann sogar zu einem Automatismus des Verhaltens werden, ohne die Ursachen zu kennen. Dies Verhalten kann eine ganze Gruppe wie eine Familie oder Religionsgemeinschaft prägen.

Verdeutlichen möchte ich diesen Zusammenhang am Krankheitsbild des „Schleimscheissers“, medizinisch Colitis mucosa. Faszinierend ist, mit einem Wort sind der medizinische Befund, nämlich Schleimdurchfälle, Persönlichkeit und zwischenmenschliche Konflikte erfasst. Seine Tragik ist, er kommt den Leuten allerfreundlichst entgegen, halt schleimig, und diese wehren ihn ab, weil sie das Unechte wahrnehmen. Seine Freundlichkeit kann er nicht lange aufrecht erhalten, und er wird aggressiv. Die Leute haben recht gehabt, und er hat ebenfalls recht gehabt. Nach vielen entsprechenden Erfahrungen wird er dies voraus sehen, über die Ungerechtigkeit der Welt empört sein und auf seine Art der Freundlichkeit zu verhindern suchen. Wahrscheinlich sind alle in der Familie mehr oder weniger so. Er kennt es nicht anders und versteht die Welt nicht mehr. Ihm ist es gelungen, seine Aggressionen aussen festzumachen.

Ein depressiver Patient, der von seiner empörten Mutter oft im Keller eingesperrt wurde, berichtet, wie sehr er Übereinstimmung mit den Frauen suche. Anschließend fühle er sich vereinnahmt, flüchte von einer Frau zur anderen, die ihm dann oft Unzuverlässigkeit vorwerfen. Seine Exfrau sei für ihn die Personifikation des Vorwurfs seiner Unzuverlässigkeit. Ein anderer Patient berichtet, überall versuche er, ein gutes Bild abzugeben und es den anderen recht zu machen, bei den Frauen, am Arbeitsplatz, ein guter Mitarbeiter zu sein, beim Therapeuten, ein guter Patient zu sein, damit dieser mit ihm zufrieden sei. Andererseits wehre er sich dagegen, wolle nichts mehr hören, nichts verstehen und erklären müssen.

Triggersituationen

Aus dem posttraumatischen Belastungssyndrom, dem PTBS, weiß man, dass die früheren Traumatisierungen in den so genannten Triggersituationen wieder erlebt werden. Ähnlich ist es bei einer traumatisierenden Kindheit. Aus einem komplexen Geschehen werden ähnliche oder symbolische Aspekte und Situationen herausgegriffen und dort wieder erlebt. Dadurch steht oft ein Teil für das ganze, pars pro toto. Verständlich wird diese Sichtweise auch dadurch, dass eine gesamte Kindheit und ein ganzer Lebensweg sozusagen in einer kleinen Situation wieder erlebt werden. Im Volksmund spricht man auch davon, das Kind mit dem Bade ausschütten. Beispielsweise wird eine Teilkritik als Kritik an der ganzen Person aufgefasst, also ein Rundumschlag, gegen den sich dann mit allen Mitteln gewehrt werden muss, etwa beim Gemobbten. Aus einer Kleinigkeit kann dann eine Staatsaffäre werden. Auf symbolisches kann mit einer realen Angst reagiert werden, etwa bei Phobien. Die Platzangst steht, verkürzt skizziert, symbolisch u.a. für die Enge und das Ausgeliefertsein im Leben, die Straßenangst für die entwertenden Blicke in der Öffentlichkeit, die Spinnenangst für das Eingewobensein und Aufgefressenwerden hauptsächlich von der Mutter und den verinnerlichten Normen und die Höhenangst für die Tiefe der Entwertungen und die hohe innere Anspruchshaltung.

Chance der Erkrankungen

Störungen und Erkrankungen entstehen durch die innere Diskrepanz oder der inneren Spannung zwischen dem negativem Selbst, an das geglaubt wird, das also innere Realität ist, und einem angestrebten positiven Selbst. Etwa entsteht der Rückenschmerz nicht alleine durch die Überlastung, sondern auch durch den Kampf gegen diese und dem Versuch der Selbstbehauptung. Diese innere Spannung wirkt sich auf die Psyche und den Körper aus. Die Störung weist also auf den Charakter dieser inneren Spannung hin. Sie hat einen Ausdruckscharakter, will etwas ausdrücken. Das Unterdrückte wie das Verdrängte wollen immer zum Vorschein kommen und anerkannt werden. Infolgedessen besteht zu jedem Zeitpunkt der Störung und Krankheit die Chance, diesen inneren Ausdruck wahrzunehmen, daraus zu lernen und eventuell zu korrigieren.

Manche Berater sagen, man solle auf sein Gefühl oder den Bauch hören. Das Problem bei diesem Gefühl, etwa der Autoaggression, ist, dass es von außen verinnerlichte Befindlichkeiten und Gefühle sind, die einem fremden Selbst entspringen, also ursprünglich nicht die eigenen Gefühle sind. Wenn man auf diese hört, steigt der Grad der Selbstentfremdung und Überlastung. Es stellt sich eher die Frage, warum man dieses Gefühl überhaupt hat. Ähnlich kann es mit dem Vorschlag sein, die Gefühle heraus zu lassen. Wieso sind diese überhaupt vorhanden?

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, aus den Folgen die Absichten abzulesen, etwa bei Rückenschmerzen und anderen Erkrankungen, das kann auch eine Grippe nach Überlastungen sein, diese müssen nicht körperlich sein, sich gezwungenermaßen Ruhe und Behandlung zu verschaffen, sich aus dem Arbeits- und Familienprozess herauszunehmen und gegenüber weiteren Überlastungen „nein“ zu sagen. Die Migränekranke legt sich etwa ins abgedunkelte Zimmer, um vor weiteren Einflüssen geschützt zu sein und sich erholen zu können. Ihre in Kopfschmerzen gebundenen unterdrückten Aggressionen können dann abklingen. Dadurch kann man lernen, dass „Nein“-Sagen schon weit vorher anzusetzen, so dass man erst gar keine Rückenbeschwerden oder Migräne mehr bekommt.

Im Artikel über die Autoaggression habe ich schon einige Empfehlungen ausgesprochen, nämlich die Selbstanerkennung, die Betrachtung der Kindheit, deren Prägung und Erziehung, der Bezugspersonen und deren Weltbild und Verhaltensweisen und die Rückwirkung auf das eigene Selbst, außerdem im späteren Lebensweg auf die Betrachtung der Umstände, anderer Personen und deren mögliche Hintergründe und Zusammenhänge für ihr Verhalten und die Rückwirkungen wiederum auf die eigene Person. Es gilt, von der objektiven oder sogar absoluten Position herunter zu kommen und sich selbst und die Welt zu subjektivieren und zu relativieren. Auch ist wichtig, eigene Widersprüche und Gegensätze, sowohl in der Wahrnehmung als auch im Verhalten anzuerkennen. Diese gehören zum Leben.

Das ist natürlich nicht einfach, wo alle Welt vor allem in den Naturwissenschaften zu objektivieren und Eindeutigkeiten zu schaffen versucht. Eventuell bekomme ich, das Subjekt, Schuldgefühle oder Ängste, weil der andere sie mir macht und meist selber hat, aber auch nur dann, wenn der Boden durch eine innere Bereitschaft zu Schuld und Ängsten vorbereitet ist. Ich muss also schon die Neigung in mir haben, immer das Schlimmste zu sehen, den Teufel an die Wand zu malen, zu katastrophisieren und mich schuldig zu fühlen. Dann bin ich für Schuld und Ängste empfänglich, habe die innere Bereitschaft. Natürlich gibt es auch reale Gründe für Schuld und Angst, an denen man erkranken kann. Diese sind jedoch meist mit inneren Gründen verwoben.

Die Kunst des Lebens ist, zwischen realen Bedrohungen und Ängsten und früher verinnerlichten Ängsten zu unterscheiden und die Ambivalenz und die Ambitendenz (gleichzeitige Willens- und Antriebsimpulse) auszuhalten. Wer Schuld und Ängste in sich trägt, strebt natürlich nach Sicherheit und, je intensiver diese sind, nach absoluter Sicherheit. Diese wird es im Leben jedoch nie geben, so dass ein Mensch, der viele für ihn vor allem nicht fassbare Ängste in sich trägt, ständig beunruhigt und voller Angst sein muss, die sich wiederum auf seinen Körper auswirkt. Also gilt es, die Dinge offen lassen sein zu können, unsichtbares, verdrängtes und verdecktes mit einzukalkulieren, wohl wissend, dass das Meiste von der inneren Welt und der äußeren Welt sowieso unsichtbar ist, anders ausgedrückt, loslassen und auf Sicherheit verzichten zu können. Durch die Störung oder Erkrankung wird unsichtbares sichtbar. Darin liegt wiederum die Chance. Man muss es nur zu deuten oder zu lesen wissen.

Unbeteiligte können nützlich sein, etwa Psychotherapeuten. Bei diesen gilt, „es ist leichter einen Splitter im fremden Auge zu erkennen als den Balken im eigenen Auge“. Aber wichtig ist, ob deren Wahrnehmung auch nützlich ist oder mehr schadet., also eine Wahrnehmung der Folgen. Schuldvorwürfe schaden, auch wenn man selbst Täter und Urheber ist, aber auf dem Hintergrund des ursprünglichen Opfers. Der Volksmund, ein uralter Erfahrungsschatz, der auf die seelischen und körperlichen Zusammenhänge hinweist, kann eine große Hilfe sein. Dieser Weg ist zwar mühevoll, aber lange nicht so mühevoll, wie sich mit seinen Krankheiten weiterhin herum zu schlagen, es sei denn, man erlöst sich selbst von Seele und Körper. Dies kann auch in tödlichen Erkrankungen geschehen.

Aber das sage mal einem medizinischen Naturwissenschaftler. Das passt nicht in sein Weltbild. Auch würde dieser und die Pharma- und Medizintechnikindustrie finanziell völlig verarmen und Arbeitsplätze wären gefährdet. Wie viele Dinge im Leben, sind die Medizin und die Wahrheit u.a. interessensgesteuert. Leider scheint es so zu sein, dass das Gesundheitswesen zunehmend von Profitinteressen beherrscht wird (siehe die Artikel über die Industrialisierung im Gesundheitswesen und über John Virapen).

Beispielsweise wurden die Universitätskliniken Marburg-Gießen, die vorher in der Wahrnehmung der Gesundheitsinteressen der Bevölkerung nur Miese erwirtschaftet hatten, wohl auch wegen der teuren Technik- und Pharmaorientiertheit, vom Röhn-Konzern übernommen, der nach dem wirtschaftet, was möglichst viel Geld bringt, weniger nach den Patienteninteressen, und dadurch bestens seine Aktionäre bedient. Die Kommunen und die Länder sind dann von ihren Miesen zu Lasten der Patienten erlöst, ein zweischneidiges Schwert, denn weiter Erkrankte kosten viel Geld, an dem sich die Industrie bereichern kann. Der Kranke wird in seinem Vertrauen schamlos ausgenutzt. So mag man das sehen, aber die Industrie wird das nicht so wahrnehmen, sondern eher, dass sie zum Wohle des Kranken da ist. Aber auch das sind Formen, wenn auch pervertiert, die berechtigten Interessen wahrzunehmen und dem Erlösungsmythos anzuhängen, Managern und Aktionären Erfolge und Reichtum zu bescheren und vor der Verarmung zu schützen und zu erlösen. Der Mammon ist der Gott und der Erlöser.

Trotzdem arbeiten viele Ärzte seriös, und der/die Erkrankte kann ihnen vertrauen. Angesagt ist kritisches Vertrauen, den Ärzten und sonstigen Gesundheitshelfern auf die Finger zu schauen. Irrtümer müssen nicht tragisch sein, es gibt ja noch trotz Fehlbehandlungen Selbstheilungskräfte, können es aber. Der Industrie und den gekauften Fachleuten ist wenig zu vertrauen, da sie weit vom Kranken entfernt sind, etwa die Aktionäre, und deswegen wenig solidarisch mit dem Kranken mitempfinden.

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