Berlin, Deutschland (Weltexpress). Für Fußgänger und Wanderer ist die Behauptung: Radreisen entschleunige unser Lebensgefühl – gelinde gesagt – doppelt dämlich. Für rücksichtslose Raser, die oft genug auch auf Rädern ohne Antriebsmotor anzutreffen sind, dürfte die Langsamkeit an und für sich eine unerträgliche sein. Weil Kunst von Können kommt will langsames Radreisen gelernt und eine Fahrrad-Abenteuertour „in Berg und Tal und Strom und Feld“ gut vorbereitet sein.
Dazu mag manchen Radreisenden der A4-Format große „Bildband“ von Armin Herb und Daniel Simon, der den Titel „Radreisen“ trägt und vorgeblich die schönsten Touren in Europa auf 160 Seiten mit 163 Farbfotos anschaulich und in genüßlichen Häppchen präsentiert, dienen. Was die beiden Herausgeber, die auch als Text- und Bild-Autoren tätig wurden, die nach Auskunft des Bielefelder Delius Klasing Verlages „leidenschaftliche Reiseradler und Redakteure der Fahrradzeitschrit ‚Trekkingike‘ seien, bieten sind famose Fotos und nützliche Hinweise für diejenigen, die ihren nächsten Urlaub per Rad und nicht per Pedes planen. Das Werk richtet sich nicht an Aussteiger, Fahrrad-Freaks und Globetrotter sondern an Reiseradler, die so durchschnittlich sind wie die klassischen Reise-Regionen, die angepriesen werden. Warum auch nicht?!
Spanien ist „insulin“ mit Mallorca, Menorca und Tenerifa vertreten. Italien ist mit den deutschsprachigen Dolomiten und der von Deutschen bewohnten Toskana, genauer: der südlichen Toskana, dabei. Für Frankreich wurden das Tal der Loire, Burgund und die Provence ausgewählt. Für Norwegen sind es die Städte Bergen und Oslo, für Schweden die Westküste und für Dänemark die Ostsee-Inseln. Banalität beweisen die Autoren mit Bayern und Mecklenburg-Vorpommern auch für Deutschland. Langweilig. Polen? Richtig, Masuren. Für das immer kleiner werdende Großbritannien, den Schotten wünschen wir an dieser Stelle viel Erfolg bei Ihren immer wieder aus London torpedierten Unabhängigkeitsbemühungen, wird Wales in die Waagschale geworfen. Österreich = Salzkammergut.
Wenn man den Danksagungen Glauben schenken darf, dann hat die Reiseindustrie einen gewissen Teil zu diesem Buch beigetragen. Das hat mehr als ein Geschmäckle.
Der „Bildband“, in dem es nur so an Fotos mit Fahrrädern wimmelt, bietet in seinen Berichten geschrieben im einfältigen Stil eines Ich-Erzählers auf dem sprachlichen Niveau eines Aufsatzes unter der Überschrift „Mein schönstes Ferienerlebnis“, der an einer Mittelschule im tiefsten Mitteldeutschland kursieren könnte, wenig Gehaltvolles. Kein Text würde es auch nur ansatzweise ins bildungsbürgerliche Feuilleton einer seriösen Zeitung schaffen, höchstens in den belanglosen redaktionellen Teil einer vor Anzeigen nur so strotzenden Reisebeilage. Das Buch eignet sich immerhin für die kalten Jahreszeit, um bei Kaffee und Kuchen mit kurzweiligem Betrachten, Durchblätter, hier und da mal Lesen, um Anregungen für die nächste Radreise zu suchen, und um damit zu dösen.
Sie suchen sich bitte ihre eigenen Strecken und vor allem Unterkünfte heraus. Denn das, was da im Buche steht, ist das Papier nicht Wert, auf dem es gedruckt wurde. Auch die unter „Auskunft“ aufgelisteten offiziellen Stellen, die wir fast alle im Laufe der letzten Jahre kontaktierten, taugen gerade für banale Basisbemerkungen und Prospekt-Bestellungen. Das aber braucht niemand. Von Radreisen hat dort nicht wirklich jemand einen blassen Schimmer. So gesehen haben sich die Autoren wenig Mühe gemacht und die Anstrengung des Gedankens gescheut. Der Infoteil ist nicht kompakt, er ist beknackt, einfältig, dünn wie eine blasse Brühe. Bah. Die Autoren radeln wohl lieber als zu recherchieren.
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Armin Herb, Daniel Simon, Radreisen, Die schönsten Touren in Europa, 160 Seiten, 163 Farbfotos, 18 Karten, format 21,5 x 29,7 cm, gebunden mit Schutzumschlag, Delius Klasing Verlag, Website: www.delius-klasing.de, Bielefeld, 1. Auflage 2010, ISBN: 978-3-7688-3162-8, Preise: (D) 29,90 EUR, (A) 30,80 EUR und 40,90 sFr.