Damit das Bergfest der laufenden Zweitligasaison für den 1. FC Union Berlin zu einem Erfolg werde, schippten fleißige Männer Schnee. Hunderte Unioner befreiten in den Tagen zuvor das Stadion samt Drumherum von der weißen Pracht. Samt Drumherum? Wer den Weg durch die Wuhlheide nahm, stapfte durch tiefen Schnee. Auch beim Marsch vom S-Bahnhof Köpenick knirschte der Schnee unter den Schuhen. Alles sah richtig schön winterlich aus und war es auch.
Nur Union-Trainer Uwe Neuhaus zauberte und stellte folgende Startelf auf: Jan Glinker ins Tor, Christian Stuff, Bernd Rauw und Christoph Menz in die Abwehr. Das Mittelfeld bildeten Paul Thomik, Dominic Peitz, Macchambes Younga-Mouhani und Patrick Kohlmann. Sturm statt Flaute sollte dieser Angriff bringen: Karim Benyamina, John Jairo Mosquera und Kenan Sahin. Sie lesen richtig, drei Vertediger und drei Angreifer, dazwischen vier Mittelfeldspieler. Neuhaus hat einerseits das Problem, das sich die Mannschaft durch viele Verletzte in den letzten Wochen fast von selbst aufstellt, und andererseits wollte er drei Punkte in diesem Sechs-Punkte-Spiel.
Die Berliner ergriffen – darauf schienen sie eingeschworen worden zu sein – von Beginn an die Initiative, erkämpften sich die Bälle und erzielten Feldvorteile, kamen jedoch erst in der zwölften Spielminuten zur ersten guten Gelegenheit, als sich Sahin durch zwei Karlsruher dribbelte und aus fast 20 Metern schoß. Er schoß kein Tor, weil KSC-Keeper Luis Robles wach und auf dem Posten war.
Hellwach war auch Sebastian Langkamp, der im Fünf-Meter-Raum einen Eckball von Alexander Iashvili kommen sah und ins Tor köpfte. 1:0 für den KSC. Sollten die Fußballer aus der „Fächerstadt“, sollten die Karlsruher mit einem Kopfball den Sieg nach Baden bringen? Hinten standen sie stabil und vorne (über-)rannten sie schnell die Berliner und kamen gefährlich vors Tor.
Ihre Laune ließen sich die Fans aber weder von der anfangs schwachen Vorstellung ihres Teams noch von der Kälte verderben – riefen „aufwachen“, munterten zum „kämpfen und siegen“ auf und sangen ohn` Unterlaß ihre Lieder.
Unbeeindruckt von der Führung der Gäste gaben die Berliner weiter Gas, ohne die Abwehr des KSC ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Unbeeinduckt zeigten sich auch die Fans der „Eisernen“, die lautstark ihre Lieder sangen, obwohl auch sie sahen, daß die erste Männer-Mannschaft des Gründungsmitglieds der Fußball-Bundesliga mit ihrem neuen Cheftrainer Uwe Rapolder deutlich sichtbar ein neues Kapitel aufschlagen wollte im Abstiegskampf. Sollte hingegen die bekannte Abschlußschwäche der Unioner, denen erst 15 Treffer in 16 Spielen gelang, ihre Fortsetzung finden? Die mangelnde Chancenverwertung ist ein Grund dafür, daß die Verantwortlichen des 1. FC Union Berlin in der Winterpause wenn möglich noch nachbessern. Die Schlachtenbummler der Unioner müssen das nicht, sie sind und singen – wie die Fans von St. Pauli – bundesligatauglich.
Vor der Pause sahen 12.126 Zuschauer noch eine gute Gelegenheit der Hausherren. Sahin spielte den Ball hoch auf Benyamina, der kraftvoll auf den Kasten des KSC köpfte. Wäre das Runde nicht abgefälscht worden, wäre es im Eckigen gelandet. So bliebt es beim Halbzeitstand von 1:0 für Karlsruhe.
Neuer reagiert, brachte mit Beginn der zweiten Hälfte erst Chinedu Ede (46.), dann Halil Savran (59.). Die Berliner kämpften fortan verbissener, spielten noch druckvoller und nisteten sich in der Hälfte der Karlsruher ein. Innenverteidiger Stuff, der unermüdlich Antreiber und Mann des Spiels, sowie letztendlich der Karlsruher Stefan Müller (Eigentor) sorgten für den Ausgleich (62.). Damit war der Bann gebrochen, der KSC verlor den Faden. Savran brauchte nur noch abstauben (78.) und Ede über Robles den Ball ins Tor heben (90.). Zwei tolle und vielumjubelte Tore stellten den 3:1-Endstand her und sorgten für eine späte Bescherung.
Wie Weihnachten feierten Fans und Mannschaft, die sich auf eine Ehrenrunde begab, nach dem Schlußpfiff ausführlich in der Kälte von Köpenick.
Rapolder erkannte auf der anschließenden Pressekonferenz neidlos an, daß „der Druck von Union … in der zweiten Halbzeit immer größer“ wurde und seine Elf dem „nicht standhalten“ konnte.
Dank starker 45 Minuten nach der Pause kam dieser „Sieg für die Seele“, wie die Berliner Zeitung titelte, zustande, der die Eisernen auf dem 13. Tabellenplatz überwintern läßt. Gut auch, daß Neuhaus weiß, „dass es weiter eng bleibt“.