Also, diejenigen, denen das immer noch gefällt und die das nicht Kommerz hoch drei finden, denen wird der Film trotz der ewig angespannten, düster dräuenden Gesichtszüge von Hermine und Harry sowie vieler vieler Längen gefallen, die anderen gehen sowieso nicht (mehr) rein. Ein weiterer Film, Hollywood pur und mit einem Riesenwerbeetat versehen, ist „The Kids Are All Right“. Das ist ein Film mit perfekter Machart und einer schlimmen Botschaft. Dränge Dich ja nie in eine Kleinfamilie, das geht übel aus, denn Dein Kopf muß dran glauben. Und glauben mag man überhaupt nicht, was Regisseurin Lisa Cholodenko als Superfeministin da für ein ultrakonservatives Machwerk abliefert– wie gesagt, perfekt inszeniert, mit tollen Schauspielern und Szenen.
Warum wir uns so aufregen? Weil sich alle aufregen täten, wenn der Film eine ’normale` Kleinfamilie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter zeigte. Hier aber – o, wie verrucht – sind die Eltern ein lesbisches Paar, die den von Paul inkognito gespendeten Samen ausgetragen haben. Als der dann, weil die erwachsen werdenden Zöglinge vom biologischen Vater wissen wollen, auftaucht, darf er – wunderbar gespielt von Mark Ruffalo, der auch der Kompagnon von in „Shutter Island“ war – erst eine Rolle spielen, Liebhaber der biologischen und wirklichen Mutter werden, und wird dann sofort aus der Familie eliminiert, brutal, unsinnig und gemein, als diese Kernkleinfamilie in Gefahr scheint, tatsächlich eine so bunte Familie zu werden, wie von Beginn an die Regisseurin sie eigentlich zum Thema machte. Ein übles Machtwerk, wenn man den Film ernst nimmt, heiter und oberflächlich perfekt gemacht.
Wenig Zuschauer wird ein Film haben, der ehrenvoll und historisch notwendig den Mann zum Thema macht, dem wir zu großen Teilen die Wahrheitssuche nach den KZ-Verbrechen, nach dem staatlich organisierten Judenmord verdanken: Fritz Bauer. Der war Hessischer Generalstaatsanwalt in den Jahren, als Hessen noch ursozialdemokratisch war und initiierte in seiner Funktion die Ausschwitz-Prozesse in Frankfurt, die – überblickt man die Zeit von heute her – mit ein Auslöser für die Studentenunruhen der 60Jahre waren, denn in diesem monatelangen Prozeß unter Anwesenheit vieler Bürger, auch vieler Schüler, ergab sich wie von alleine die Bundesrepublik als ein Land, in dem die von gestern, die alten verbrecherischen Nationalsozialisten, auch das neue, nun doch demokratisch organisierte Deutschland fest im Griff hatten (Staatssekretär Globke ist dafür nur ein Fingerzeig).
Der Film ist ein Porträt von Fritz Bauer, der auch als erster die Attentäter vom 20. Juli 1944 nicht mehr als Verbrecher brandmarkte, sondern als Widerständler, wie heute Konsens. Wenn der Film bei Ihnen nicht angekündigt wird, fragen sie danach. Denn solche Filme werden erst durch die Nachfrage durchs Publikum richtig lebendig. Da ist kein Werbeetat, der alles – Litfaßsäulen, U-Bahnsteige, Zeitungsanzeigen – vollpflastert und meistens ist es sogar so, daß man solche Filme nicht einmal mitkriegt.
„Einfach zu haben“ ist eine Adaption vom Romanklassiker Hawthorne, dessen „Der scharlachrote Buchstabe“ an eine High School in Amerika verlegt, natürlich in deren puritanischen Auswüchsen. Da werden junge Leute mal nicht als die spießigen, hochangepaßten, braven, vor sich hintanzenden und -trällernden Dummchen vorgezeigt, sondern als diejenigen, die ihre Einengung in konservative, als „positive Werte“ mißbrauchte gesellschaftliche Ziele verstehen lernen, sich auflehnen dagegen, für dumm verkauft zu werden und den Außenseiter zu brandmarken.
„Fünf Tage ohne Nora“ kommt aus Mexiko, ist ein Film von Mariana Chenillo und wurde schon 2008 produziert. So lange dauert es, bis sich auch nach Deutschland herumspricht, welch witziger und hintergründiger film das ist, der die jüdische Klasse in der Hauptstadt Mexikos vorführt. Wundert Sie das? Dann wissen Sie nicht, daß Mexiko vielen deutschen Emigranten, darunter vielen Juden Exil gab, – nein Trotzki war kein Deutscher und dennoch dort, was ihm nicht gut bekam, denn er wurde ermordet, allerdings nicht von Mexikanern. Nach dem Krieg kam es dann noch doller, denn Söhne und Töchter der nach Südamerika sich rettenden Juden zogen häufig nach Mexiko, so daß man dort die Nachkommenschaft Europas in voller Dichte erleben kann. Und wie überall ist auch jüdischen Nachkommen das Frotzeln und Kritisieren der eigenen Gewohnheiten in Fleisch und Blut übergegangen, sonst hätte nicht der schon lange Geschiedene nach dem Selbstmord seiner immer noch verhaßten Frau mit dem schärfsten Mittel reagiert: ihr eine katholische Beerdigung zu verpassen!
Eigentlich schade, daß die überwiegend englischen Titel von neuen Filmen überhaupt nicht mehr erkennen lassen, woher die filme kommen. „Still Walking“ von Hirokazu Kore-eda kommt aus Japan und wurde ebenfalls schon 2008 produziert. Er ist ein be3kannter Filmemacher, mit so manchem berühmten Film, aber wer je „Nobody knows“ sah, ein Film, wo Geschwister in ihrer Wohnung alleine zu überleben versuchen, wird sich jeden weiteren Film anschauen wollen, um dieses Gefühl von Rührung und echtem Leben, ganz ohne irgendwelchen Kitsch, wieder zu erleben. Seine Filme spielen immer am Rande der Gesellschaft, am Rande des Lebens und immer besteht die Gefahr des Scheiterns, des Kippens. Der Tod ist immer dabei. In diesem Film ist es der Sohn, der ertrank, als er einen anderen retten wollte, und der über Jahrzehnte von der Familie an seinem Todestag geehrt wird. Das Totengedenken allerdings wird von den Lebenden zur Abrechnung mit deren leben benutzt. Im Film werden alle Erwartungen umgedreht. Alter ist nicht weise, Jugend ist nicht fortschrittlich und die mittlere Generation besonders spießig und konservativ.
Bleibt über „Miral“ zu sprechen vom Künstler Julian Schnabel, der nun, nach heftiger Kritik aus den USA gegen die „propalästinensische` Haltung des Film von sich gab, in Zukunft nur noch malen zu wollen. Das wäre schade, denn wir verdanken Julian Schnabel so wunderbare Filme wie Basquiat (1996), Before Night Falls (2000) und Schmetterling und Taucherglocke (2007). Wir waren von „Miral“ leicht enttäuscht, weil in diesem Film die Geschichte einer Palästinenserin doch sehr traditionell erzählt wird. Die Geschichte selbst ist spannend, denn die junge Frau aus gutem Haus, widmet ihr Leben, ihr Geld, dem Aufbau eines Waisenhauses. Der Film spielt auf verschiedenen historischen Ebenen. Eine Lehrerin an diesem Waisenhaus (Freida Pinto) wird verwickelt in den Widerstand der Palästinenser.
Natürlich kann ein Film, der von Israel und den Palästinensern handelt, nicht liebe Israelis und böse Palästinenser zeigen. Insofern ist die Kritik aus den USA nicht nur unglaublich dumm, fies dazu, sondern bringt uns dazu, dann doch für diesen Film zu werben, der leise und langsam von den Schwierigkeiten berichtet, die entstehen, wollen auch Palästinenser in ihrem Land wohnen. Völlig anders, rasant im Tempo ist „Mount St. Elias“, wo eine Reportage die 35 km lange Skiabfahrt vom kanadischen Gipfel des gleichnamigen Berges filmt. Und auch die „Hacker“ lohnt, weil man in diesem Dokumentarfilm Dinge lernt über Virenzüchter im Internet, die insgesamt schlimmer sind, als die eigenen Befürchtungen schon waren.