Der große englische Romancier Julian Barnes hat dem Tod und allem was dazu gehört, gleich ein ganzes Buch gewidmet. Sehr persönlich, unter geringster Rücksicht auf familiäre Zusammenhänge, hat er ein wunderbar wirkliches Buch geschaffen.
Seit dem zarten Alter von 12 Jahren leidet Barnes unter Todesangst. Doch er findet in seinem Werk einen erstaunlich warmen und witzigen Ton, uns seine Ängste um die Ohren zu hauen.
Geistreich und anekdotisch erfahren wir von der gefühlsarmen und zugeknöpften Familie Barnes. Julian kann sich nicht erinnern, auch nur einmal von Vater oder Mutter eine Liebesbekundung gehört zu haben. Die Mutter plappert pausenlos Unfug, der Vater schweigt, nicht minder unerbittlich.
Tiefgründig und verry Britisch fühlt Barnes seiner Sippe auf den Zahn – auch der besserwisserische Philosoph-Bruder bekommt sein Fett weg.
Fürchten muss man die Lebenden, ihre Unfähigkeit zu lieben, Wärme abzugeben, geistige Geborgenheit zu schenken. Aus literarischer Sicht bin ich der miesen Barnes-Sippe dankbar, denn nur durch ihre Kälte entstand dieses große Buch über den Tod und das Leben vorher.
Am Ende steht die Botschaft, der Tod ist nichts, was man fürchten muss. Auch ohne die Fesseln einer sinnlosen Religion.
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Julian Barnes: Nichts, was man fürchten müsste, 333 Seiten, Kiepenheuer & Witsch Verlag 2010, 19,90 Euro