Eine inhaltliche Entscheidung der ebenfalls jährlich ausgewählten Jury, die wir richtig finden. Denn „Deutscher Buchpreis“ heißt, das Werk zu wählen, daß von Inhalt und Form her das Optimum, das beste Buch eines Jahres also darstellt. Neben der Wahrheit, daß auch das Lesen und die Interpretation dessen Geschmacksfrage sind, gibt es doch Kriterien für eine Nominierung, die nicht mathematisch genau, dennoch aber literarische Annäherungswerte aufzeigen.
Auf solche, einer noch abstrakten Grundlage, ist die erste Auswahl für den Deutschen Buchpreis nun für zwanzig Bücher erfolgt, die die Jury gerade veröffentlichte: "Eins leistet der Deutsche Buchpreis jedes Jahr: Er zeigt, wie hoch der Standard der deutschsprachigen Literatur ist, wie viele handwerklich und intellektuell gute Bücher geschrieben werden und vor allem: dass keine einheitlich leitende Idee von guter Literatur hinter all dem steckt, sondern dass sich eine große gehaltvolle Vielfalt darbietet", sagt Jurysprecher Hubert Winkels, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk. "Auch viele jüngere Autorinnen und Autoren haben uns diesmal überzeugt. Wir hätten ein ,Schattenkabinett‘ von rund zwanzig weiteren sehr bemerkenswerten und auszeichnungswürdigen Romanen erstellen können. Das ist viel für einen Jahrgang. Das ist ein schönes und gutes Zeichen", so Winkels.
Die nominierten Romane (in alphabetischer Reihenfolge):
· Sibylle Berg: Der Mann schläft (Hanser, August 2009)
· Mirko Bonné: Wie wir verschwinden (Schöffling & Co., Februar 2009)
· Thomas Glavinic: Das Leben der Wünsche (Hanser, August 2009)
· Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott (Hoffmann und Campe, August 2009)
· Ernst-Wilhelm Händler: Welt aus Glas (Frankfurter Verlagsanstalt, September 2009)
· Anna-Katharina Hahn: Kürzere Tage (Suhrkamp, März 2009)
· Reinhard Jirgl: Die Stille (Hanser, März 2009)
· Brigitte Kronauer: Zwei schwarze Jäger (Klett-Cotta, August 2009)
· Rainer Merkel: Lichtjahre entfernt (S. Fischer, März 2009)
· Terézia Mora: Der einzige Mann auf dem Kontinent (Luchterhand, August 2009)
· Herta Müller: Atemschaukel (Hanser, August 2009)
· Angelika Overath: Flughafenfische (Luchterhand, Mai 2009)
· Norbert Scheuer: Überm Rauschen (C. H. Beck, Juni 2009)
· Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht (Kiepenheuer & Witsch, Februar 2009)
· Clemens J. Setz: Die Frequenzen (Residenz, Februar 2009)
· Peter Stamm: Sieben Jahre (S. Fischer, August 2009)
· Thomas Stangl: Was kommt (Droschl, Januar 2009)
· Stephan Thome: Grenzgang (Suhrkamp, August 2009)
· David Wagner: Vier Äpfel (Rowohlt, September 2009)
· Norbert Zähringer: Einer von vielen (Rowohlt, Juli 2009)
Schaut man sich die Liste erst einmal grob an, dann erkennt man bekannte, neben unbekannteren Namen. Die derzeit ganz großen bekannten Schriftsteller und Autorinnen sind nicht darunter. Wer beispielsweise den beim ersten Buchpreis ungerechterweise zu kurz gekommenen Daniel Kahlmann mit seinem neuen Buch „Ruhm“ vermißt, dem muß man mitteilen, daß der Deutsche Buchpreis im Gegensatz zum 2008 neu konstituierten Schweizer Buchpreis keine Erzählungen in die Gesamtliste aufnimmt, sondern nur Romane. Eine Entscheidung, die man überdenken sollte. Diese Romane müssen zudem zwischen dem 1. Oktober 2008 und dem 16. September 2009 erschienen sein. Wen das wundert, wie Bücher, die noch nicht erhältlich sind, schon potentiell ausgewählt werden können, der sei daran erinnert, daß Verlage an die Literaturkritiker schon vorneweg Exemplare ausliefern, die meistens mit der Vorgabe verschickt werden, nicht vor einem bestimmten Stichtag die Kritik in den Zeitungen zu bringen, damit erst mit dem Erstverkaufstag auch gleichzeitig die Kritiken auf dem Markt sind, was dem Buch eine größere Publizität verschafft und gleichzeitig auch gewährleistet, daß Leser von Kritiken diese auch durch den Kauf von Büchern überprüfen können. Gerade jüngst hatte dies zu einem gerichtlich ausgetragenen Streit zwischen dem Rowohlt Verlag und dem Spiegel geführt, übrigens genau um Daniel Kehlmanns „Ruhm“, der nun außergerichtlich beigelegt wurde, was wundert, denn eine Sachentscheidung wäre angestanden.
Der nächste Schritt auf dem Weg zum Deutschen Buchpreis ist dann die Abspeckung der zwanzig Titel auf sechs, die als kurze Liste am 16, September 2009, dem letzten Tag des möglichen Erscheinungsdatums veröffentlicht werden. Aus diesen Sechsen wird dann am Vorabend der Buchmesse im Frankfurter Römer derjenige bekanntgegeben, der als Endsieger den Deutschen Buchpreis erhält. Dieser bekommt ein Preisgeld von 25 000 Euro, die übrigen fünf jeweils 2 500 Euro. Leider erfährt man auch bei der Veranstaltung, die durch Filme über die sechs Letzten kurzweilig beginnt, zu wenig über die Kriterien, die die Jury zum Sieger bestimmten, sprich: man erfährt zu wenig über mögliche Koalitionen der Jurymitglieder, welcher Kritiker für welches Buch mit welchen Argumenten gestimmt hatte. Im Nachhinein sieht das leider oft wie ein großer Harmoniebrei aus, was wir uns doch als eine geistige und geistvolle Auseinandersetzung vorstellen.
Für den Deutschen Buchpreis 2009 hat der Börsenverein folgende Jury zusammengewählt: Neben Hubert Winkels, Richard Kämmerlings (Literaturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung), Michael Lemling (Geschäftsführer der Buchhandlung Lehmkuhl, München), Martin Lüdke (freier Literaturkritiker), Lothar Müller (Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung), Iris Radisch (Literaturredakteurin der ZEIT) und Daniela Strigl (Literaturkritikerin und -wissenschaftlerin an der Universität Wien). Erstmals in diesem Jahr wird den Juroren das umfangreiche Lesepensum auf einem elektronischen Lesegerät, dem Reader von Sony, zur Verfügung gestellt.
Wir kommen auf eine inhaltliche Kommentierung der Zwanzigerliste zurück, wenn wir alle Bücher gelesen haben, stellen erst einmal nur fest, daß erneut der Hanser Verlag der große Gewinner ist, der mit vier Büchern dabei ist. Dabei stellt sich immer die Frage, ob dieser Verlag mit einem besonders literaturkompetenten Verleger, einfach die beste literarische Nase hat oder die besten ’connections’. Wir behaupten sonst, es ist der Verleger, aber die Nominierung von Sibylle Berg läßt uns diesmal an Zweiteres denken. Dieses Jahr darf mit zwei Büchern auch Rowohlt wieder mitspielen, die im letzten Jahr nicht einmal bei den letzten Zwanzig berücksichtigt waren. Wieder dabei Hoffmann und Campe mit dem witzigen Wolf Haas, der früher bei Rowohlt veröffentlichte. Auch weitere große Verlage wie Suhrkamp, Luchterhand, Beck, Kiepenheuer und Witsch sind vertreten, aber auch österreichische. Aus Frankfurt neben Suhrkamp und Fischer zusätzlich Schöffling & Co und die Frankfurter Verlagsanstalt, deren längst bekannter Geheimtip Ernst-Wilhelm Händler mitausgewählt wurde.
Info des Börsenvereins: Mit dem Deutschen Buchpreis 2009 zeichnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Partner sind Paschen & Companie, die 1822-Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis vor allem bei der Medienarbeit im Ausland. Die Preisverleihung findet am 12. Oktober 2009 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertragen die Preisverleihung live im Rahmen von Dokumente und Debatten auf der LW 153 und 177 kHz und auf der MW 990 und 855 kHz sowie im digitalen Satellitenradio DVB-S, Bouquet ZDF.vision und per Livestream im Internet unter www.dradio.de.
Anlässlich der Nominierung der Longlist-Titel gibt die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, eine Wirtschaftstochter des Börsenvereins, das "Lesebuch zur Longlist Deutscher Buchpreis 2009" heraus. Darin werden Leseproben und Hintergrundinformationen zu den auf der Longlist nominierten Romanen veröffentlicht. Es ist ab Samstag in Buchhandlungen erhältlich. Weitere Informationen und ein Foto der Jury stehen unter www.deutscher-buchpreis.de. Zudem finden im September in sieben deutschen Buchhandlungen und sechs europäischen Kulturinstituten Blind Date-Lesungen mit den Nominierten statt.
Auszüge aus den nominierten Romanen stehen ab dem 20. August über www.libreka.de kostenlos zum Download bereit. Sie können auf einen Computer oder E-Book-Reader herunter geladen und dort gelesen werden. Ein Überblick über die Entwicklung des Deutschen Buchpreises kann abgerufen werden unter www.deutscher-buchpreis.de.